Fenin: "Ich habe mich selbst krank gemacht"

SID
Martin Fenin wechselte 2011 von Eintracht Frankfurt zu Energie Cottbus
© Getty

Der Kronkorken wandert immer wieder über die Fingerspitzen, wird verbogen und wieder begradigt. Martin Fenin ist nervös - das kann er auch mit einem kurzen Augenzwinkern in die Runde nicht überspielen.

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Nur der Ansatz eines Lächelns huscht ab und an über die Lippen des Fußballprofis, der mit leiser Stimme von der schwersten Zeit seines Lebens berichtet. "Ich habe mich selbst krank gemacht", sagt Fenin. Er redet über seine Depression, eine Krankheit, von der er gar nicht wusste, dass sie Besitz von ihm ergriffen hatte.

Erst fünf oder sechs Wochen - so genau weiß Fenin das nicht mehr - nachdem er mit einer Hirnblutung ins Krankenhaus geschafft worden war, öffnete ihm ein Psychologe die Augen.

Sportlicher Absturz setzte ihm zu

"Ich habe gar nichts gemerkt oder mich depressiv gefühlt. Das hat erst der Psychologe diagnostiziert", berichtet der Stürmer, der eigentlich seit dem Sommer für Energie Cottbus auf Torejagd gehen soll.

Oft saß er einsam in einem anonymen Hotelzimmer und grübelte über Dinge, die ihm heute als Kleinigkeiten erscheinen. Der sportliche Absturz vom umjubelten Stürmer zum Ersatzspieler bei Eintracht Frankfurt hatte ihm zugesetzt.

Da war Fenin längst drin, in diesem unerbittlichen Sog der Depression. Mit dem Abstand von ein paar Monaten, sagt Fenin, kapiere man erst, wie schlimm das alles war, wie viel Glück man hatte.

Schweigen über Lebenswandel und Fenstersturz

Glück hatte der junge Mann aus der tschechischen Kleinstadt Teplice vor allem bei jenem Fenstersturz, der die Hirnblutung auslöste. Doch was an diesem Oktobertag des vergangenen Jahres geschah, behält Fenin weitestgehend für sich.

"Ich kann mich ein bisschen daran erinnern, aber das weiß nur der engste Kreis. Und das soll auch so sein", betont er. In seiner Heimat hat Fenins Schicksal große Wellen geschlagen. Es passiere ja nicht jeden Tag, sagt er, das ein Fußballprofi aus dem Fenster fällt.

Auch über seinen Lebenswandel während seiner Zeit in Frankfurt - es gab immer wieder Gerüchte über Alkohol- und Medikamentenmissbrauch - will der 24-Jährige kein Wort mehr verlieren: "Ich habe Fehler gemacht, wie jeder Mensch. Aber das alles liegt hinter mir. Das ist jetzt ein Neustart."

Ein Neustart, bei dem Fenin nicht umhin kommen wird, sich mit den Begleiterscheinungen des Leistungssports auseinanderzusetzen. Das bedeutet vor allem Druck von allen Seiten: Fans, Verein, Medien. Doch damit hatte er nie ein Problem: "Ich habe mir selbst Druck gemacht. Ich war in meiner eigenen Welt und habe viel nachgedacht." Anderthalb Jahre lang habe er keinen Spaß gehabt am Fußball, am täglichen Training, am Leben.

Comeback als Knackpunkt

Gemerkt hat es keiner: "Selbst wenn ich nicht glücklich war, habe ich immer gelacht. Keiner konnte wissen, wie es mir geht." Der Schritt an die Öffentlichkeit war dann eine Erleichterung. Die Schicksale von Profis wie Robert Enke, Andreas Biermann oder Jan Simak "kann ich nun besser verstehen".

Nun ist Fenin in einer Phase, "wo es jeden Tag einen Schritt nach vorn geht". Mit einem Psychologen in Tschechien steht der Angreifer in engem Kontakt, doch den schwersten Schritt muss er allein meistern. "Man muss das erste Spiel abwarten. Ich freue mich sehr darauf, bin aber auch aufgeregt", gibt Fenin zu.

Er will etwas zurückgeben, will sein Leben wieder auf die Reihe bekommen. Er will in Cottbus Fuß fassen und wieder wie einst herrliche Tore erzielen. Große Ziele wie etwa die Rückkehr in die Nationalmannschaft setzt sich Fenin nicht: "Das kann nur schlimm sein und einen wieder zurückwerfen."

Martin Fenin im Steckbrief

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