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WM 2022 - Vom Amateur zum WM-Viertelfinalisten: Das Märchen von Walid Cheddira

Von Alessandro de Felice / Justin Kraft
Marokko, WM 2022, Walid Cheddira
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Vor wenigen Monaten war noch unklar, ob Walid Cheddira überhaupt der Sprung in den Profibereich gelingen wird. Jetzt steht er mit Marokko im Viertelfinale der WM 2022 in Katar. Das ist die unglaubliche Geschichte des Angreifers aus der italienischen Serie B.

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Es ist ein wahr gewordener Traum, ein echtes Fußballmärchen. Eines der wenigen, die diese Weltmeisterschaft 2022 in Katar zu bieten hat. Am Dienstag, den 6. Dezember, gab Walid Cheddira für Marokko sein WM-Debüt.

In der 82. Minute wurde der Stürmer gegen Spanien eingewechselt, anschließend spielte er auch in der Verlängerung. Der 24-Jährige steht beim SSC Bari unter Vertrag und mit den Afrikanern erreichte er das Viertelfinale der Weltmeisterschaft, doch sein Werdegang ist außergewöhnlich.

Geboren wurde Cheddira 1998 in Loreto, einer Stadt in der Region Marken, die als religiöses Ziel für das Heiligtum des Heiligen Hauses bekannt ist. Der heutige Nationalspieler wuchs dort auf und ging seine ersten Schritte auf einem Fußballplatz.

Mit 15 debütierte er für seinen Heimatklub. Sein Trainer Francesco Moriconi, ein ehemaliger Spieler von Fiorentina Primavera, setzte ihn erstmals für Loreto ein - in der sechsten italienischen Liga. "Mental war er den anderen voraus, körperlich hatte er vor nichts Angst", sagt der im Gespräch mit SPOX und GOAL. Beim "Turnier der Regionen" erzielte er in Bergamo für seine Auswahl zwei Tore, was ihm die Nominierung zum besten Spieler der Mannschaft einbrachte.

Walid Chaddira: "Das Glück eines jeden Trainers"

Weil es dem Klub finanziell nicht gut ging, bekam Trainer Moriconi vom Präsidenten ein paar unbekannte Spieler vorgestellt. Darunter Cheddira, der ihn am meisten überrascht hatte. "Ab jetzt zieht er hier nicht mehr weg", sagte er dem Präsidenten: "Ich ließ ihn sofort von Anfang an spielen."

Walid spielte auf dem Flügel, im Mittelfeld und im Sturm. "Aufopferungsgeist und Positivität - jemand wie er ist das Glück eines jeden Trainers", sagt Moriconi: "Er hatte gute technische Grundlagen, kann mit rechts und mit links schießen." Mit beeindruckenden Leistungen wurde er schnell zum Leistungsträger seiner Mannschaft.

Loreto stieg auf in die fünfte Liga, verweilte dort zwei Spielzeiten und scheiterte nur knapp am Aufstieg in die Serie D. "Auf dem Platz hat er den Unterschied gemacht", erinnert sich Luca Agostinelli bei SPOX und GOAL. Der war in der Saison 2016/17 sein Sturmpartner: "Anfang des Jahres haben wir eine Wette abgeschlossen: Wer ein Tor erzielt, muss den Dab machen." Im ersten Spiel des italienischen Pokals bereitete Cheddira einen Treffer von Agostinelli vor. "Wir haben beide die Geste von Paul Pogba nachgeahmt", erinnert sich der Torschütze.

Trainer Moriconi habe vor allem die Lernfähigkeit des Marokkaners beeindruckt: "Dank dem, was ihm beigebracht wurde, konnte er sich Tag für Tag sofort verbessern." Zwischen seiner Anfangszeit bei Loreto und seinem Transfer zu Bari in die Serie B liegt dennoch ein langer Weg der Entwicklung, der aus harter Arbeit und angeborenem Talent bestand.

Der Weg von Walid Cheddira zur WM 2022 in Katar und in das Nationalteam von Marokko war alles andere als vorgezeichnet.
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Der Weg von Walid Cheddira zur WM 2022 in Katar und in das Nationalteam von Marokko war alles andere als vorgezeichnet.

Walid Cheddira: Zukunft plötzlich unklar

Seine starken Leistungen in der fünften Liga machten Klubs aus der Serie D auf ihn aufmerksam. "Ich sagte ihm: 'Wenn du bleibst und weiterhin 15 Tore schießt, gehst du direkt in die Serie C'", erzählt Agostinelli: "Dass er der absolute Protagonist in der Serie B werden und sein Debüt in der Nationalmannschaft geben würde, hätte ich aber nicht erwartet. Seine Geschichte ist fast einzigartig, weil er von der Promozione gestartet ist."

Cheddira wechselte 2017 zu Sangiustese in die Serie D und entwickelte sich auch dort zum Stammspieler. Vor allem aber machte er dort die ersten größeren Klubs auf sich aufmerksam. In 76 Spielen traf er 21-mal und bereitete vier Tore vor. Dann kam der Anruf aus Parma und es folgte erstmals der Sprung in den Profibereich.

Doch Cheddira hatte große Probleme, sich zu behaupten. Parma verlieh ihn zweimal erfolglos nach Arezzo und Lecco. Plötzlich schien der Aufstieg des talentierten Stürmers in Gefahr zu sein. Seine dritte Leihe nach Mantua änderte die Geschichte aber. Seine neun Tore und zwei Vorlagen in 39 Partien erregten die Aufmerksamkeit von Bari.

In der Hierarchie stand er zunächst hinter erfahrenen Spielern wie Antenucci, Simeri und Paponi, doch Tag für Tag gelang es ihm, den Trainer immer mehr hinter sich zu bringen. Mit seinen sechs Treffern hatte er als zweitbester Scorer des Teams schließlich sogar großen Anteil am Aufstieg in die Serie B.

Walid Cheddira: Durchbruch in der Serie B und überraschende WM-Nominierung

Im Sommer gab es lange Verhandlungen zwischen Parma und Bari, um Cheddira nach seiner Leihe fest zu verpflichten - mit Erfolg. Der Stürmer blieb bei "San Nicola" und spielt bisher die Saison seines Lebens.

Das ermöglichte ihm auch das Debüt für Marokko am 23. September und eben die WM-Teilnahme in Katar. "Seine positive Einstellung war auffallend", erinnert sich Agostinelli: "Er lächelte immer und fiel nie durch übertriebenes Verhalten auf. Er respektierte seine Rollen und man konnte seine Persönlichkeit auf dem Platz sehen."

Als Cheddira seinen Namen auf dem Fernseher sah und Gewissheit hatte, dass er mit zur Weltmeisterschaft fahren würde, konnte er seine Emotionen kaum noch zurückhalten. Es ist ein Fußballmärchen mit Höhen und Tiefen, das seinen vorläufigen Höhepunkt beim Viertelfinaleinzug gegen Spanien bei der WM 2022 fand - und jeden Tag weitergeschrieben wird.

WM 2022: Die Viertelfinals am Samstag

Datum

Spiel

10. Dezember, 16 Uhr

Marokko vs. Portugal

10. Dezember, 20 Uhr

England vs. Frankreich
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