WM

"Shaqiri ist unser Messi"

Ludovic Magnin stand für die Schweiz 57 Mal auf dem Platz
© getty
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SPOX: Neben Gomez hatten Sie eine besonders enge Beziehung zu Khedira. Wie kam es?

Magnin: Sie waren meine Lehrlinge. Ich verkörperte früher ja ein Niveau, das noch höher war als die Champions League - aber leider nur im Blödsinnmachen. So schnell mich Mario und Sami fußballerisch komplett überholt haben, beim Sprüchereißen hatten sie keine Chance und mussten bei mir in die Ausbildung. Im Ernst: Selten sah ich so viel Qualität bei einem jungen Spieler wie Sami. Daher war ich immer überzeugt. Als Mario damals nach München wechselte, war Sami wirklich traurig. Ich sagte zu ihm: "Mach' dir keine Sorgen, du gehst in ein paar Jahren eh zu Real Madrid!" Dass es wirklich so kommt, konnte ich nicht ahnen, aber es sollte zeigen, wie viel ich von ihm halte. Wir sind immer noch befreundet. Sami ist ein super Kerl, der immer auf dem Boden bleibt, obwohl er eine so großartige Karriere hinlegt. Und ich bin mir sicher: Sein Weg ist noch lange nicht am Ende.

SPOX: Was man bei Ihnen bei allem Spaß nicht vergessen sollte: Sie waren nicht nur einer der amüsantesten, aber auch charakterstärksten Spieler der Bundesliga. Sie wagten in Stuttgart als Einziger, offen Jens Lehmann wegen seiner Sonder-Privilegien zu kritisieren.

Magnin: In der Mannschaft wurde über alles hoch und runter diskutiert. Natürlich auch über die Geschichte von Jens, dass er mit dem Helikopter zum Training kommen dufte und extra freie Tage bekam. Das Problem ist nur, dass viele Spieler Feiglinge sind ohne Cojones und sich nur trauen, hinter dem Rücken der betreffenden Person Dinge anzusprechen. Ich war immer anders und ich hatte das Gefühl, dass ich durch die Erfahrung und das Standing im Team die Verantwortung habe, ihm das ins Gesicht zu sagen. Dass seine Extra-Würste nicht gehen und dass es alle anderen sehr stört. Ich stand zu meiner Kritik, daher sagte ich das auch öffentlich. Als Dank dafür widmete mir Jens ein paar schöne Zeilen in seinem Buch. Weil darin sonst nur große Spieler auftauchen, nehme ich meine Erwähnung als Kompliment - auch wenn seine Aussagen über mich vielleicht negativ gemeint waren. (lacht)

SPOX: Was gleichfalls typisch für Sie war: Sie verzichteten auf ein Platzhirsch-Gehabe und lobten sogar Ihre direkten Konkurrenten wie Wolfsburgs Ricardo Rodriguez, Ihren Nachfolger als Schweizer Linksverteidiger.

Magnin: Ich beharre immer noch darauf: Seit ich nicht mehr da bin, hat die Schweiz ein eklatantes Problem auf der linken Seite. Nein, das dürfte selbst für meine Verhältnisse ein schlechter Witz gewesen sein: Ricki war erst 18 Jahre jung, als er mich leistungsmäßig in die Tasche gesteckt hat. Das kam nicht von ungefähr. Er besitzt alles, was einen Weltklassemann auszeichnet. Meine einzige Sorge für die Nationalmannschaft: Er ist so gut, dass wir richtige Probleme bekommen, wenn er ausfällt.

SPOX: Wie stark ist die Schweizer Nationalmannschaft?

Magnin: Das Team ist stärker als unsere Mannschaft bei der WM 2006 in Deutschland, wo wir immerhin ins Achtelfinale kamen und unglücklich ausschieden, obwohl wir kein Gegnetor kassiert hatten. Wir verfügen über außerirdische Spieler wie Xherdan Shaqiri, der unser Messi ist. Aber ich weiß nur zur gut, wie entscheidend Zufälle bei einer WM sind: Die Schiedsrichter, die wie immer bei einer WM schlecht pfeifen. Ein Tor, das drin ist, aber nicht gegeben wird. Wenn jedoch alles normal läuft, glaube ich sogar daran, dass wir den Rekord knacken und nach 60 Jahren endlich wieder das WM-Viertelfinale erreichen.

SPOX: Was ist mit dem notorisch schwachen Sturm?

Magnin: Fakt ist, dass unsere Stürmer in der Nati zu selten treffen. Bei Eren Derdiyok finde ich es schade: Wenn er die Schraube im Kopf richtig drehen würde, könnte er seine außergewöhnlichen Fähigkeiten zeigen. Doch wir sollten nicht zu negativ sein: Josip Drmic ist ein hervorragender Stürmer, Admir Mehmedi hat in der Bundesliga ebenfalls einen guten Job erledigt. Sie sind noch jung, aber da kommt etwas nach.

SPOX: Vorzeigbar ist vor allem das zentrale Mittelfeld der Schweiz. Verstehen Sie, dass es selbst ein Pirmin Schwegler nicht in den Kader schaffte?

Magnin: Als ich noch aktiv war und mit Pirmin trainierte, war er immer einer der Besten. Ein fantastischer Spieler, der aber wenige Chancen bekommt, weil andere den Vorzug erhalten. Aber so enttäuschend es für ihn ist, ich kann die Trainerentscheidung nachvollziehen. Wir haben im zentralen Mittelfeld Gökhan Inler, Granit Xhaka, Valon Behrami, Blerim Dzemaili oder Gelson Fernandes - und diese Spieler führten Schweiz souverän zur WM. Trotzdem bin ich mir sicher, dass Pirmin zukünftig eine wichtige Rolle bekommt. Es ist unglaublich, dass die Schweiz ein Luxusproblem im Fußball hat. Wer hätte das je gedacht? (lacht)

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