WM

Sackgasse Cordoba

Von Christoph Köckeis
Die Helden von damals wurden in der Folgezeit zum Bremsklotz des Fußballs in Österreich
© imago
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"Wir sind nicht stehen geblieben"

Ob als TV-Experten oder Kolumnisten, sie polemisierten öffentlichkeitswirksam, potenzierten geringsten Misserfolg und zettelten Grundsatzdiskussionen an. So wurde die Demission des ungeliebten Kollegen zur Zeitfrage. Bei SPOX sagte sich Herbert Prohaska entschieden von solch Absolutheitsanspruch los.

"Ich vertrat immer meine Meinung. Und: Wir haben nie im Erfolg gebadet. Der ÖFB hatte schlicht kein Geld, um Akademien und Leistungszentren früher zu installieren. Wir sind nicht stehen geblieben, haben im Rahmen unserer Möglichkeiten gut gearbeitet."

Unter Regie des wohl mächtigsten Meinungsmachers bereiste Österreich letztmals, 1998 in Frankreich, eine Endrunde. Über die Statistenrolle konnte man sich nicht hinwegsetzen. Selbst bei der Heim-EM '08 - unter Hickersberger - sehnte man die Leistungsexplosion vergeblich herbei. Punktelos platzte der K.O.-Traum, die Hypothek Cordoba wurde abermals konserviert.

Nur war der unumstößliche Paradigmenwechsel dazumal eingeleitet. Zu lange lebte Fußball Österreich in der Vergangenheit, wurden Trends verschlafen. Um die Jahrtausendwende etwa manövrierten exzessive Shoppingtouren manch Traditionsvereine (beinahe) in den Exitus.

Hochbezahlte Legionäre mittlerer Güte überfluteten die Bundesliga, sorglos wurde das ohnehin begrenzte Reservoir an Rohdiamanten verprasst. Das kostete Österreich ganze Altersklassen.

"Das ist eine Katastrophe"

Für Willi Ruttensteiner, technischer Direktor des ÖFB, eine Bankrotterklärung: "Topnationen können es sich leisten, einen Jungen zu verlieren. Wenn uns das passiert, kommt es einer Katastrophe gleich." Der Verband reagierte auf die sportlich Misere, entwickelte mit Klubvertretern neue Förderkonzepte und implementierte auf Nachwuchsebene professionelle Strukturen.

Zwei elementare Begrifflichkeiten, die internationale Talentschmieden seit jeher beschwören, wurden dabei herausgearbeitet: Individualtraining und Persönlichkeitsentwicklung. "Wir haben mittlerweile sehr hohe Standards - von Analyse bis sportmedizinische Betreuung", betont Ruttensteiner stolz.

Widerstände gegenüber seiner Person terminierten Erfolge der Auswahlmannschaften. Wie erquicklich der Ertrag ist, pointiert ein Blick über die Landesgrenzen: Nie zuvor holten sich derart viele Azubis, verstreut über halb Europa, den Feinschliff. Dabei stieg Deutschland zum wichtigsten Entwicklungshelfer empor.

Nicht weniger als 25 Fremdarbeiter verdienen in den beiden obersten Spielklassen die Brötchen, acht davon finden sich im Kader für den Showdown am Freitag. Die Jugendabteilungen berücksichtigt, ist die Tendenz steigend. Zum Vergleich: 2007 wagten 24 Profis das Abenteuer Ausland - vier in Deutschland, keiner in der Bundesliga.

Mit Koller aus der Sackgasse

David Alaba, Vorzeigeprofi und Quadruple-Sieger, verließ im zarten Alter von 15 Jahren die Wiener Austria. Rückblickend plädiert er ohne Umschweife für den Auszug aus dem heimischen Nest: "Ich wollte mit dem Wechsel mehr erreichen, als es in Österreich möglich gewesen wäre." Bereits jetzt, mit 22, darf sich der Bayern-Star zu den erfolgreichsten Kickern aller Zeiten zählen.

So bröckelt der Nimbus Cordoba gemächlich. Mit der Teamchef-Bestellung von Marcel Koller emanzipierte sich der ÖFB 2011 gewissermaßen. Man wählte bewusst ein Ombudsmann-Modell, entschied sich gegen den aufstrebenden, qualifizierten Inländer und Ex-Spieler, Andreas Herzog. Allen Ressentiments zum Trotz.

Mit neutralem Blick schärfte der Schweizer bisweilen sein Profil. Gefährliche Strömungen in Aufgebot und Umfeld torpedierte er sanft. Der besonnene Fußballlehrer strickte um das Tafelsilber eine Philosophie. Überwunden die Rückständigkeit früherer Tage, das suggerierte Martin Harnik vor dem Hinspiel gegen den DFB.

"Ich kann Cordoba nicht mehr hören", meinte der Stuttgart-Legionär. Das C-Wort ist ein Tabuthema, ohne es zu dämonisieren. Österreich steckt, anders als es sich im Norden Wiens vermuten lässt, nicht in der Sackgasse Edi-Finger-Straße. Jene endet pikanterweise auf dem Cordobaplatz...

Hans Krankl im Steckbrief