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WM-Vergabe an Katar "ein Fehler"

SID
Sepp Blatter gesteht einen Fehler bei der WM-Vergabe ein
© getty

Joseph S. Blatter hat die Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar nach jahrelanger Kritik erstmals selbst als "Fehler" bezeichnet. Über naheliegende Konsequenzen aus seiner späten Einsicht sprach der FIFA-Chef nicht - und über die Hintergründe seines vermutlich rein politisch-taktischen Manövers sowieso nicht.

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"Strippenzieher" Joseph S. Blatter lässt mal wieder die Puppen tanzen: Erstmals bezeichnete der Boss des Fußball-Weltverbandes FIFA die umstrittene Vergabe der WM-Endrunde 2022 nach Katar als "Fehler" - und öffnete damit Spekulationen Tür und Tor.

Zwar blieben die politischen Beweggründe des taktisch gewieften Schweizers für seine weitere Distanzierung von dem Skandalbeschluss "seiner" Exekutive zunächst noch im Dunkeln; zweifellos aber dürften die Scheichs nach ihrer Desavouierung durch Blatter trotz aller Imagepflege besonders beim Thema Arbeitsbedingungen erheblich um ihr Prestige-Objekt bangen.

Temperaturen im Sommer zu hoch

"Sicher war es ein Fehler! Aber wissen Sie, man macht viele Fehler im Leben", sagte Blatter vier Wochen vor Beginn des WM-Turniers in Brasilien in einem Exklusiv-Interview mit dem Schweizer Fernsehsender RTS. Erneut bestätigte der 78-Jährige, dass die FIFA-Exekutive im Winter 2010 in Kenntnis von Expertenwarnungen vor dem Wüstenklima für Katar gestimmt habe: "Es war in einer Expertise klar angezeigt worden, dass die Temperaturen im Sommer zu hoch sein würden. Dieser Umstand hat das Exekutivkomitee der FIFA jedoch nicht davon abgehalten, die WM mit einer großen Mehrheit an das Emirat zu vergeben."

Ungeniert führte Blatter Katars Wahl zum wiederholten Male auf "politische Kräfte" besonders aus Deutschland und Frankreich zurück: "Jeder weiß, dass große französische und deutsche Firmen in Katar vertreten sind und dort nicht nur für die WM arbeiten", sagte Blatter.

Jedoch nur mit Hinweis auf das schon lange bekannte Treffen von Frankreichs damaligem Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy mit dem französischen UEFA-Chef und bekennenden Katar-Wähler Michel Platini im Pariser Elysee-Palast. Informationen über Einflüsse aus Deutschland auf die WM-Wahl 2022 indes blieb Blatter trotz seiner neuerlichen Vorwürfe schuldig.

Absicht erscheint unklar

Blatters Absicht bei seinen keinesfalls versehentlich starken Worten erscheint auf den ersten Blick unklar, zumal der FIFA-Chef bezüglich einer Verschiebung des Termins für die WM 2022 erneut den Winter favorisierte. Indem Blatter Katar jedoch seine unmittelbare Unterstützung nunmehr offiziell entzogen hat und seine Exekutivkomitee-Kollegen erneut indirekt der Bestechlichkeit bezichtigte, könnte Blatter einer Neuvergabe der WM 2022 den Weg ebnen wollen und dennoch nicht als "Totengräber" von Katars WM-Traum dastehen müssen.

Jedenfalls erscheint nahezu undenkbar, dass Blatter ohne jegliches Kalkül die nächste Stufe der Distanzierung von Katar gezündet haben sollte. Nannte der Eidgenosse die Katar-Wahl bislang "möglicherweise einen Fehler", dürften nur neue Fakten oder neue Absichten den Ausschlag für die schärfere Wortwahl gegeben haben.

Katar-Trip abgesagt

Zu Blatters Distanz zu Katar könnte nachträglich auch die Absage seiner für diese Tage geplanten Reise ins Emirat passen: Offiziell soll die Verschiebung des Trips, den Blatter mit seinem deutschen Katar-Sonderbeauftragten Theo Zwanziger antreten sollte, den Kataris die Möglichkeit zur Umsetzung der in einem neuen Report empfohlenen Abschaffung des arbeiterfeindlichen Kafala-Systems geben. Allerdings legt Blatters RTS-Interview auch die Vermutung nahe, dass der Schweizer negative Publicity durch einen Katar-Aufenthalt unbedingt vermeiden möchte.

Dass Blatter den Daumen über Katar senkt, ist allerdings schon lange überfällig. Außer den klimatisch unzumutbaren Bedingungen im ursprünglichen WM-Zeitraum von bis zu 50 Grad stellen anhaltende Bestechungsvorwürfe und zahlreiche Berichte über menschenunwürdige Zustände auf den Baustellen in Katar mit WM-Zusammenhang die FIFA und das WM-Spektakel dauerhaft in ein schlechtes Licht.

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