WM

Deutschland kann auch anders

Von Stefan Rommel / Thomas Gaber
EM-Finale 2008: Fernando Torres düpiert Philipp Lahm und Jens Lehmann und schießt Spaniens 1:0
© Getty
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Der Spielstil:

Deutschland

Die EM 2008 begann im klassisch-deutschen 4-4-2 mit den beiden Sechsern Ballack und Frings, davor im Sturm Gomez/Podolski und Klose. Das 1:2 gegen Kroatien im zweiten Gruppenspiel brachte Löw schon ins Grübeln, weil der Gegner mit seinem 4-5-1 die deutsche Mannschaft schlicht taktisch überrumpelt hatte und Löw darauf keine Antwort wusste.

Erst im Viertelfinale gegen Portugal dachte Löw um und sandte ebenfalls eine veränderte Formation aufs Feld. Mit Simon Rolfes und Thomas Hitzlsperger als Abräumer für Ballack, der mit vielen Freiheiten hinter der einzigen Spitze Klose ausgestattet war und auf den Seiten Podolski und Schweinsteiger.

Im Prinzip war diese Geburtsstunde des 4-5-1 auch der Auftakt zu einer schleichenden Abkehr vom 4-4-2. Vor allem in einigen wichtigen Spielen vertraute Löw immer öfter der Variante mit fünf Mittelfeldspielern, um mehr Balance zwischen Defensive und Offensive zu bekommen.

Kurz vor dem entscheidenden Qualifikationsspiel in Russland fand er dazu in Özil auch den perfekten zentralen Offensivspieler. Jetzt erst entwickelte sich aus der Rohmasse nach und nach die derzeitige Startelf.

Schweinsteigers Wechsel von der rechten Flanke ins defensive Mittelfeld bei den Bayern wiederholte Löw zum erstenmal im Testspiel gegen Argentinien im März. Dazu kam Lahms Rochade von links nach rechts.

Den Feinschliff mit Arne Friedrich in der Defensivzentrale, Müller auf rechts und Badstuber/Boateng links hinten fand Löw quasi in letzter Sekunde. Aus einem statischen 4-4-2 hat der Bundestrainer ein fließendes 4-2-3-1 gebastelt, das im Zweifelsfall auch als 4-5-1 durchgehen kann.

Vor allen Dingen hat er der Mannschaft aber fern aller Spielsysteme eine neue Idee mit auf den Weg gegeben, die in ihrer Ausrichtung sehr an Spanien als Vorbild erinnert. "Ich möchte Mannschaften haben, die guten Kombinationsfußball spielen. Da habe ich ab und zu auch mal nach Spanien geschielt", sagt Löw.

Was sehr auffällt: Löw lässt sich in seiner Spielausrichtung deutlich mehr auf den Gegner und dessen Anlage ein als früher. Gegen England und Argentinien fand er jeweils das genau richtige Rezept, ohne zu groß von seiner Grundidee abweichen zu müssen.

Deutschland ist flexibel, variabel und kreativ, weil Löw sich genau solche Spielertypen ausgesucht hat, die im Ganzen so funktionieren können - und nicht unbedingt die besten Einzelspieler. Ein wenig erinnert Deutschland schon an Spanien, auch wenn es längst nicht so viel Wert auf lange Ballbesitzzeiten legt.

Spanien

Auch hier gibt es elementare Unterschiede zum deutschen Team. Del Bosque sah keine Veranlassung, am erfolgreichen Stil etwas zu ändern. "Was nicht kaputt ist, muss man auch nicht reparieren", sagte Del Bosque nach seiner Einführung als Trainer der Furia Roja. Nach der überragenden WM-Qualifikation mit zehn Siegen in zehn Spielen sagte er: "Es war meine Absicht, dem vorgezeichneten Weg zu folgen. Natürlich habe ich meine eigene Handschrift. Aber es ging dabei nur um Details."

Ballbesitz und Spielkontrolle stehen bei Spanien seit Aragones über allem. Das Angriffsspiel basiert auf ständigen Positionswechseln im Mittelfeld und dem exzellenten Spiel ohne Ball. Das Spiel wird in die Breite gezogen und der Ball so lange in den eigenen Reihen gehalten, bis sich die entscheidende Lücke für den Pass in die Tiefe auftut.

Unter Del Bosque hat die Mannschaft das Spiel gegen den Ball verbessert. Spanien kommt bei der Balleroberung mit sehr wenigen Fouls aus.

Bei der EM 2008 spielte Spanien bis zum Halbfinale im klassischen 4-4-2 mit Xavi und Senna in der Mittelfeldzentrale, Iniesta links, Silva rechts und dem Sturmduo Villa/Torres. Im Halbfinale gegen Russland (3:0) musste Villa nach 34 Minuten verletzt ausgewechselt werden. Aragones brachte Cesc Fabregas und stellte auf 4-5-1 um.

In der Quali kehrte Spanien zum 4-4-2 zurück. Durch die Verletzung von Fernando Torres stellte Del Bosque wieder auf 4-5-1 um und baute mit Alonso und Busquets anstelle des formschwachen Senna die Doppel-Sechs ein. In diesem System spielte Spanien in einem WM-Test Frankreich an die Wand und zauberte gegen Österreich (5:1) und Polen (6:0).

In den ersten WM-Spielen fielen Silva und Backup Navas durch, was Del Bosque dazu veranlasste, den nicht fitten Torres ins Sturmzentrum zu stellen und Villa über links angreifen zu lassen. Villa macht seine Tore, aber Torres ist ein Schatten seiner selbst. Del Bosque opferte einen Mittelfeldspieler, das System geriet ins Wanken.

Spanien verlor in Südafrika seine Dominanz, die Automatismen funktionieren nicht wie gewohnt. Del Bosque hat Torres gegen alle Widerstände durchgesetzt, überlegt aber dem Anschein nach, gegen Deutschland auf ihn zu verzichten und Silva wieder ins Team zu integrieren.

Deutschland vs. Spanien: Das Personal

Deutschland vs. Spanien: Das Umfeld