"Das 1:0 ändert gar nichts"

Von Für SPOX in Bremen: Stefan Rommel
Bremens Per Mertesacker (l.) und Paolo Guerrero vom HSV kämpfen in der Luft um den Ball
© Getty

Trotz des Sieges im Hinspiel des UEFA-Pokal-Halbfinales sieht sich der Hamburger SV nicht im Vorteil und warnt vor dem Rückspiel vor Werder Bremen. HSV-Torhüter Rost fordert trotzdem den finalen Schritt - und damit eine Trendwende.

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Es gab mal eine Zeit, da durfte man sich nach einem Auswärtssieg im europäischen Klubwettbewerb gegenseitig auf die Schultern klopfen.

Anfang der 80er Jahre wurde die Regelung eingeführt, dass bei Torgleichheit die mehr erzielten Auswärtstore ausschlaggebend sein sollen, im Volksmund: Auswärtstore zählen doppelt. Die Flut an Verlängerungen wollte die UEFA damit eindämmen, mit durchaus beachtlichem Erfolg.

Trochowskis erster Kopfballtreffer

Seitdem sind die Vereine deshalb auf der Jagd nach dem ominösen Tor in der Fremde. Ein Tor gilt als die halbe Miete, ein Sieg gar als das sichere Weiterkommen.

Nicht bedacht haben die cleveren Planer der UEFA aber, dass irgendwann auch einmal Werder Bremen und der Hamburger SV aufeinandertreffen könnten. In der K.o.-Runde des UEFA-Cups, einen Schritt entfernt vom Finale.

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Dem HSV gelang das seltene Kunststück, tatsächlich im Bremer Weserstadion den Sieg davonzutragen. Denkbar knapp zwar, aber immerhin. Piotr Trochowskis Kopfballtreffer - der erste seiner Profikarriere überhaupt- bescherte Hamburg den 1:0-Erfolg.

HSV will vom Finale nichts hören

Das Finale von Istanbul ist im Prinzip zum Greifen nah - aber beim HSV will man davon ganz und gar nichts hören. "Die Chancen stehen nicht bei 60 zu 40 oder so. Sie stehen weiter bei 50 zu 50. Daran ändert das 1:0 gar nichts", sagte etwa Guy Demel, in einer homogenen Mannschaft der beste Hamburger.

Demel hat Recht. Wie schon vor einer Woche im DFB-Pokal-Halbfinale lieferten sich beide Teams ein Duell auf Augenhöhe, die erste Halbzeit gehörte den Gästen, die zweite den Gastgebern. Die Partie hätte auch 1:1, 0:0, 1:0 oder 2:1 ausgehen können. An der Ausgangslage für das Rückspiel kommender Woche hätte das im Grunde nichts geändert.

"Es ist alles möglich. Wir haben gesehen, zu was Bremen bei uns in der Lage ist", sagte HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer mit einer Mischung aus gesunder Vorsicht und gehörigem Respekt. Oft sind solche Aussagen nur heiße Luft. Dieses eine Mal aber steckt in ihnen so viel Wahrheit wie nie.

"Das 1:0 ist gefährlich"

Dementsprechend unaufgeregt gaben sich alle Beteiligten nach den 90 unterhaltsamen Minuten von Bremen. "Das 1:0 ist ein gutes Ergebnis, aber es ist auch gefährlich. Denn noch ist nichts entschieden", sagte Torschütze Trochowski. Alle Aussagen seiner Kollegen und der des Gegners hörten sich im Kern genauso an.

Die Hamburger Fans hatten vor dem Spiel mit kleinen "Jetzt erst recht"-Plakaten mobil gemacht, auf denen neben dem Leitspruch auch die Erinnerung an den 2:0-Sieg in Bremen aus dem Jahr 2007 als gutes Omen beschworen wurde. Damals steckte der HSV mitten im Abstiegskampf und drohte nach über 40 Jahren seinen Status als überlebender Dino der Liga zu verlieren.

Das Aus im DFB-Pokal vor heimischem Publikum hatte Hamburg hart getroffen, umso süßer war der Sieg in Bremen. Werder wurde nach Tagen des Hochs wieder auf den Boden zurückgeholt. Im Prinzip steht es jetzt in der inoffiziellen Rechnung 1:1, alles steht wieder auf Null - obwohl der HSV doch mit einem klaren Vorteil ins nächste Spiel geht.

Fast wie die mystischen Schlachten zwischen Liverpool und Chelsea

Irgendwie fühlen sich die Hanseaten-Festspiele ein wenig an wie die mystischen Schlachten zwischen Liverpool und Chelsea: Immer ausgeglichen, immer spannend. Und am Ende entscheiden nur Nuancen über Sieg oder Niederlage.

Beim Spiel im Weserstadion legte Hamburgs Trainer Martin Jol bereits den Grundstein für einen starken HSV-Auftritt. Der Niederländer lernte schnell aus dem Taktik-Fiasko des Pokal-Spiels und warf mit Jonathan Pitroipa und Trochowski zwei echte Flügelspieler ins Spiel.

Anders als noch vor Wochenfrist beherrschte der HSV dadurch über eine Stunde lang die Außenbahnen, Werders Clemens Fritz und Sebastian Boenisch kamen kaum einmal gefährlich über die Mittellinie.

Körperliche Defizite beim HSV

Der positive Nebeneffekt: Das defensive Mittelfeld mit David Jarolim und Alex Silva wurde nicht ständig aus dem Zentrum gerissen und konnte sich auf seinem Haupteinsatzgebiet um Diego, Mesut Özil und Alexandros Tziolis kümmern.

Jol meisterte die knifflige Aufgabe trotz begrenzten Personals, lediglich in der letzten halben Stunde machten sich körperliche Defizite bei den Gästen bemerkbar, die die zuvor in Stein gemeißelte Ordnung verwüsteten.

Das wiederum könnte für das Rückspiel der Ansatzpunkt für Bremens Trainer Thomas Schaaf sein. Der HSV hat viele Verletzte, wegen der dritten Gelben Karte wird auch noch der emsige Ballschlepper Paolo Guerrero fehlen. Die Hamburger Mannschaft wird sich also quasi wieder von selbst aufstellen.

Hamburger Reifeprüfung

Clemens Fritz ist das reichlich egal. Der Bremer hat jetzt schon eine einfache Rechnung für das Weiterkommen aufgestellt. "Wir haben in der letzten Woche eine starke erste Halbzeit gespielt, heute ein gute zweite. Nächste Woche gelingen uns dann bestimmt zwei gute Halbzeiten."

Nur wird sich der HSV das sicherlich nicht bieten lassen und frecherweise einfach auch zwei gute Halbzeiten spielen. Denn für die Hamburger geht es um mehr als nur den Einzug ins Finale von Istanbul. Es geht um eine Reifeprüfung.

"Bremen hat sehr viel Europapokalerfahrung und schon viele Spiele in entscheidenden Phasen noch gedreht. Damit konnte der HSV in den letzten Jahren nicht so glänzen", weiß Torhüter Frank Rost. "Vielleicht würden wir mit dem Finaleinzug diese Tür aufstoßen und in dieser Beziehung eine Wende herbeiführen, um selbst permanent international dabei zu sein, vielleicht sogar auch eine Klasse höher."

Da kennt sich Bremen nach fünf Champions-League-Teilnahmen in Folge schon bestens aus. Es ist einer der wenigen Unterschiede, die man momentan bei beiden Klubs finden kann.

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