Der Killer-Instinkt ist weg

Von Kevin Bublitz / Stefan Rommel
Klose, Bayern
© Getty

München - Mark van Bommel konnte am Ende gar nicht mehr lachen. Die zweifelhaften Wortspiele einiger Journalisten gingen dem Niederländer immer mehr auf die Nerven.

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"Das war's dann mit dem guten Riecher, was?" oder "War das 1:1 heute ein Nasenstüber?". Gar nicht witzig, wie van Bommel für sich dachte. Man sah es ihm förmlich an. Aussprechen mochte er es aber nicht.

Außerhalb des Platzes ist der 31-Jährige nämlich gar kein Aggressiv-Leader, sondern besonnen, charmant und eloquent.

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Sein Nasenbeinbruch vom Pokalfinale lieferte schon eine brauchbare Vorlage, dass sich sein bester Kumpel Miroslav Klose gegen St. Petersburg dieselbe Verletzung zuzog, machte den vermeintlich lockeren Witz nach dem Spiel zur lästigen Standardfrage.

Wo sind die Killer-Bayern?

Also umdribbelte van Bommel geschickt alle Anspielungen auf sein Sinnesorgan und konzentrierte sich auf die wesentlichen Fragen. Warum die Bayern es im Moment nicht schaffen, ein Spiel frühzeitig zu entscheiden, zum Beispiel.

"Man muss es nicht überbewerten, dass wir momentan das zweite Tor nicht schießen. Wir haben die Chancen gehabt und haben sehr gut gespielt vor der Pause", sagt er zu SPOX.com. "Außerdem kann ich mich an einige Spiele erinnern, die wir mit mehr als zwei Toren gewonnen haben. Auch an ein 6:0 vor Weihnachten."

Das stimmt durchaus. Es stimmt aber auch, dass die Bayern in der Endphase der Saison nicht mehr die Killer-Bayern sind, die sie noch zu Beginn der Spielzeit waren. Im Oktober hätten die Münchener ein Spiel wie das gegen Zenit in einem frühen Stadium der Partie, spätestens aber in der 70. Minute durch ein zweites Tor zu den Akten gelegt - und vor allem hinten zu Null gespielt.

Zu viele Gegentore

17 Gegentore haben Oliver Kahn und Michael Rensing in der Bundesliga erst kassiert. Der Uralt-Rekord von Bremens Oliver Reck mit 22 Gegentoren (Saison 1987/88) wackelt gewaltig. Seit dem 19. März aber - dem 2:0 im Pokal-Halbfinale gegen Wolfsburg - gab es in sieben Spielen bis auf das 5:0 gegen die suizidgefährdeten Lemminge aus Dortmund kein Spiel mehr ohne Gegentor.

Es hört sich abstrus an, aber die Bayern bekommen zu viele Gegentore. Oder zumindest tun die vereinzelten Gegentore richtig weh.

In der Liga mögen die Gegentreffer noch kleine Schönheitsflecken sein, in den Pokalwettbewerben können sie mitunter tödlich sein. Wie in den Heimspielen gegen Anderlecht und Getafe wurden die Bayern auch gegen St. Petersburg bestraft und mussten und müssen mehr investieren, als es zunächst den Anschein hatte.

Viele Chancen, wenig Ertrag

Womit schon das zweite Problem offenkundig wurde: Die Münchener benötigen zu viele Chancen für ein Tor, der Quotient von Aufwand und Ertrag stimmt nicht mehr. "Zu oft wollten wir den Ball ins Tor tragen. Da hat uns in einigen Szenen die Entschlossenheit gefehlt", erkannte Ottmar Hitzfeld.

Vielleicht hat neben der Entschlossenheit aber auch die nötige Frische gefehlt, geistig wie körperlich. So ließ Ze Roberto Flankengeber Fayzulin vor dem Eigentor von Lucio ungewohnt fahrlässig im Rücken unbeaufsichtigt.

Der DFB-Pokal ist schon gelaufen, die Bundesliga-Saison bei zehn Punkten Vorsprung auf Rang zwei so gut wie.

Aber im UEFA-Cup nehmen die Bayern keine Vorleistung mit und müssen in jedem Spiel wieder bei Null anfangen. Gegen die Russen, erst seit sechs Wochen im Spielbetrieb, machte sich das besonders in den letzten 20 Minuten bemerkbar. Die Bayern dagegen haben 50 Pflichtspiele in den Knochen.

"Wir spielen sehr viele Spiele, da geht einem auch manchmal die Kraft aus. Aber das ist nicht so schlimm", befand van Bommel.

Podolski und Klose abgemeldet

Besonders Franck Ribery wirkte in der zweiten Halbzeit überspielt. Der Franzose tauchte nach dem Ausgleich fast komplett ab. Gefährlich wurde es nur noch, als der beste Münchener Lucio vom Verteidiger zum Stürmer mutierte und einige Torchancen heraufbeschwor.

Vom möglichen EM-Sturm Lukas Podolski und Miroslav Klose kam herzlich wenig. Ein Torabschluss von Klose, zwei von Podolski - viel zu mager für zwei Topstürmer. Allerdings ist dieses Problem relativ leicht zu beheben: Zum Rückspiel wird Luca Toni wieder erwartet.

"Wir sind auswärts immer für ein, zwei Tore gut - und Luca Toni ist dann auch wieder da", redete sich auch Hitzfeld ein gutes Gefühl ein. Verstärkt wird dieses Gefühl durch die Tatsache, dass den wuseligen Russen im Rückspiel ihr wuseligster Spieler fehlen wird.

Zenit hat ein Personalproblem

Andrej Arschawin sah nach einem eher harmlosen Foul kurz vor Schluss seine dritte Gelbe Karte und ist damit nächste Wochen im Petrowskij-Stadion ebenso nicht dabei wie die beiden Außenverteidiger Fernando Ricksen und Radek Sirl.

"Uns fehlen da gleich fünf Spieler. Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht genau, was ich da machen soll", jammerte Coach Dick Advocaat auf der Pressekonferenz. Vielleicht sollte er sich die Videobänder vom Bayern-Spiel in Getafe besorgen. Da machten die Spanier nämlich alles richtig - bis der Italiener schraubte.

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