Das Ende der Horrorvisionen

Von Andreas Lehner / Christian Bernhard
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© Imago

 München - Rudi Völler hatte es bereits Anfang der Woche verkündet: "Der deutsche Klub-Fußball hat sich in Europa zurückgemeldet." Wer zu diesem Zeitpunkt noch zweifelte, der sei nach dem UEFA-Cup-Marathon am Donnerstag eines Besseren belehrt. 

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Bis auf den todunglücklichen 1. FC Nürnberg schafften alle deutschen Vertreter den Sprung ins UEFA-Cup-Achtelfinale. Vier Bundesligisten in der Runde der letzten 16 - das gab es zuletzt in der Saison 1980/1981. Damals stand neben dem VfB Stuttgart, dem 1. FC Köln, Eintracht Frankfurt und dem Hamburger SV auch noch DDR-Oberligist Dynamo Dresden im Achtelfinale.

Diesmal heißen die "Glorreichen Vier" FC Bayern, Werder Bremen, Bayer Leverkusen und Hamburg.

Bayer sorgte dabei für den größten Paukenschlag. Die Werkself spielte nach dem 0:0 im Hinspiel mit Galatasaray Istanbul Katz und Maus und schenkte den Türken gleich fünf Stück ein (Endstand: 5:1).

Die Leverkusener Offensive um Sergej Barbarez und Stephan Kießling war den Istanbulern stets einen Schritt voraus. Die Türken konnten sich bei Kießlings Abschlussschwäche bedanken, dass der Abend nicht noch schlimmer endete.

Stevens kein Freund des deutschen Duells

Leverkusen trifft nun im Achtelfinale auf den HSV und beschert den Hanseaten somit das erste Duell mit einer deutschen Mannschaft auf europäischer Bühne. Für die Bundesliga bedeutet das schon mal einen sicheren Viertelfinalisten.

Huub Stevens sieht das allerdings eher von der negativen Seite. "Dass es jetzt im Achtelfinale zu einem deutschen Duell kommt, ist vor allem für Deutschland schade, denn eine Mannschaft wird ja ausscheiden", sagte der Coach.

Zugegeben, in der derzeitigen Form hätten beide Teams sicherlich auch bei anderen Gegnern gute Chancen aufs Viertelfinale gehabt.

Erstes deutsches Duell seit neun Jahren

Sei's drum: So erwartet die deutschen Fans das erste Aufeinandertreffen zweier deutscher Teams seit dem Champions-League-Viertelfinale 1998/99, als der FC Bayern den Meister 1. FC Kaiserslautern auf dem Weg ins Finale ausschaltete. 

In den beiden Ligaduellen (1:0 für Hamburg/1:1) lieferten sich beide Teams schon mal zwei ansehnliche Spiele auf hohem technischem Niveau, wobei beide Teams eine völlig andere Spielanlage besitzen.

Während Bayer auf schnellen, kombinationssicheren Offensivfußball setzt, spielt der HSV einen kühlen, abgeklärten Ergebnisfußball, der vor allem auf einer starken Defensive basiert. 

Hamburg spart Kräfte 

So quälte sich das Team von Huub Stevens nach dem klaren 3:1-Hinspielerfolg gegen den FC Zürich im Rückspiel zu einem 0:0. Die Hamburger taten nicht mehr als nötig und sparten Kräfte für das Top-Spiel in der Bundesliga am Sonntag bei den Bayern.

Die wiederum hatten beim 5:1 mit dem FC Aberdeen in der heimischen Allianz-Arena überhaupt keine Probleme. Anders als noch im Hinspiel (2:2) dominierten die Münchner das Spiel über die komplette Spielzeit und hätten noch höher gewinnen können.

Kein Spaziergang gegen Anderlecht

Dabei ließ Ottmar Hitzfeld mit Blick auf das Spiel gegen den HSV mal wieder rotieren und verzichtete auf Philipp Lahm, Ze Roberto und Miroslav Klose in der Startelf. Dafür zeigte Lukas Podolski mit zwei Treffern, dass er zumindest wieder Stürmer Nummer drei ist bei den Bayern.

Trotz der deutlichen Dominanz war Hitzfeld nicht zu hundert Prozent zufrieden. "Wir hatten eine Phase in der ersten Halbzeit, als wir 1:0 führten und dem Gegner eine klare Torchance ermöglichten. Das darf uns nicht passieren gegen einen Gegner, der nicht unser Format hat", rügte der Trainer.

Mit Anderlecht wartet nun ein stärkerer Gegner auf die Bayern. Immerhin warf der RSC in der Runde der letzten 32 den Tabellenzweiten der französischen Ligue A, Girondins Bordeaux, aus dem Rennen.

Dennoch sollten die Belgier für die im UEFA-Cup noch immer ungeschlagenen Bayern nur eine weitere Station auf dem Weg ins Finale nach Manchester sein.

Rangers mit Schwächen auswärts

Der mögliche dritte Viertelfinalteilnehmer aus Deutschland ist Werder Bremen. Die Mannschaft von Thomas Schaaf marschierte gegen den SC Braga mit zwei Siegen (3:0/1:0) locker und leicht ins Achtelfinale.

Dort trifft Werder auf die Glasgow Rangers, die ebenfalls als Dritter der Champions League in den UEFA-Cup rutschten. "Das wird bestimmt ein hartes Spiel",sagte Ivan Klasnic, Siegtorschütze in Braga.

Wie die beiden Spiele in der Königsklasse gegen den VfB Stuttgart (2:1/2:3) zeigten, sind die Schotten zwar zuhause eine Macht, aber auswärts durchaus verwundbar. Dass Werder das Rückspiel im Weserstadion austrägt, ist somit sicherlich ein Vorteil.

Besser als Italien

Der Aufschwung im deutschen Klubfußball schlägt sich derweil auch in der UEFA-Fünfjahreswertung nieder. "Die Horrorvisionen vom wegfallenden dritten Champions-League-Platz sind verstummt. Ich hielt sie immer für übertrieben", meinte Völler.

Platz fünf ist gefestigt - in der laufenden Spielzeit steht Deutschland mit bislang 11,071 Punkten sogar vor Frankreich und Italien auf Rang drei hinter England (12,750) und Spanien (11,625). Ein Abrutschen hinter Rumänien, Russland oder Portugal ist ferner denn je, zumal nach dieser Saison der grottenschlechte Wert der Saison 03/04 (nur 4,714 Punkte) aus der Wertung purzelt.

Vier deutsche Teams haben die Möglichkeit, die Fahne nun auch im Achtelfinale noch hoch zu halten. Und statt Horrorvisionen manifestiert sich langsam der Traum von einem deutsch-deutschen Finale in Manchester. Das gab es zuletzt vor 28 Jahren... 

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