"Weiterentwicklung bedarf Visionen"

Martin Kind ist seit knapp 17 Jahren Präsident von Hannover 96
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Martin Kind ist seit 1997 mit kurzer Unterbrechung Präsident von Hannover 96. Er ist erfolgreicher Unternehmer und erstritt vor Gericht eine Aufweichung der 50+1-Regel. Im Interview spricht er über die Veränderung der Struktur der Bundesliga, die Antipathie gegenüber Konzernklubs und Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung.

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SPOX: Herr Kind, VW und Bayer haben ihre Klubs in der Bundesliga, Red Bull baut in Leipzig gerade ein Team auf. Spielen in den nächsten zehn, 20 Jahren nur noch die Großklubs FC Bayern, Borussia Dortmund, Schalke 04 und einige Konzernklubs um die Meisterschaft?

Martin Kind: Ihre Frage ist berechtigt. Die genannten Fußballbundesligaunternehmen werden sich durchsetzen und um die internationalen Plätze spielen.

SPOX: Fußballbundesligaunternehmen ist ein interessanter Begriff. Wie viele Konzerne verträgt die Liga?

Kind: Die Veränderung der Strukturen der Bundesliga ist deutlich erkennbar. Veränderungen sind zu gestalten, entsprechende Rahmenbedingungen zu entwickeln. Hier ist insbesondere die DFL gefordert. Diese Entwicklung kann auch als Chance gesehen werden.

SPOX: Als Problem bei Konzernklubs wird immer wieder die fehlende Fan-Basis aufgrund mangelnder Historie angesprochen. Die Stadien von Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg fassen jeweils nur 30.000 Zuschauer. Spielt die Bundesliga da mit einem ihrer Alleinstellungsmerkmale - der Stadionkultur?

Kind: Aber diese drei Klubs wären sicherlich in der Lage, mit Um- oder Neubauten auf erhöhten Bedarf zu reagieren. Dies sehe ich nicht als Hindernis.

SPOX: Leverkusen und Wolfsburg sind mittlerweile akzeptiert, die Antipathie gegenüber Hoffenheim nimmt ab und verlagert sich dafür auf den nächsten Emporkömmling Leipzig. Heilt auch in diesem Bereich die Zeit alle Wunden?

Kind: Ich kann mich erinnern, dass Hoffenheim mit begeisterndem Fußball in der Hinrunde der ersten Bundesliga-Saison unter Ralf Rangnick an der Tabellenspitze stand und für attraktiven Offensiv-Fußball gefeiert wurde. Wolfsburg galt in der Meister-Saison 2009 fußballerisch als das Nonplusultra. Leverkusen war allen sympathisch, als sie 2002 ins Champions-League-Finale einzogen und die Deutsche Meisterschaft erst am letzten Spieltag in Unterhaching verspielten. Wer sportlich durch Leistung überzeugt, wird immer Anerkennung bekommen. Auch Leipzig hat eine erfolgreiche Entwicklung eingeleitet.

SPOX: Karl-Heinz Rummenigge hat angeregt, das Financial Fairplay auch auf Bundesliga-Ebene einzuführen. Halten Sie den Vorschlag für sinnvoll?

Kind: Nach meiner Einschätzung wird sich der Fußballmarkt in den nächsten Jahren deutlich verändern und er wird wachsen. Das ist natürlich per se schon eine hohe Attraktivität. Dazu ist es meine tiefe Überzeugung, dass Bundeligavereine Wirtschaftsunternehmen sind. Deshalb ist die Einführung eines Financial Fairplay in der Bundesliga sinnvoll und notwendig.

SPOX: Die Bundesliga glänzte auch immer durch ihre Ausgeglichenheit, jeder konnte jeden schlagen. Mittlerweile ist die Schere auseinandergebrochen, sagte Kölns Jörg Schmadtke. Sehen Sie das auch so?

Kind: Ein wenig. Es ist anspruchsvoll und schwierig, in der Bundesliga erfolgreich zu sein. Aber ich halte es nach wie vor für möglich, mit klugen, kreativen Transferentscheidungen eine erfolgreiche Mannschaft zu formen. Da sind in den Klubs Sportdirektor und Trainer gefragt, sinnvolle Lösungen auf dem Spielermarkt zu finden. Dabei gilt: Wer viel Geld investiert, muss das natürlich mit Zielen verbinden. Denn Weiterentwicklung bedarf immer auch gewisser Visionen. Auch Hannover 96 ist heute ein Wirtschaftsunternehmen. Doch der Profifußball ist anders aufgestellt als das normale Wirtschaftsleben: Es fehlt an Planungssicherheit. Wobei ich schon glaube, dass man auch im Sport eine Planungssicherheit von vielleicht 70 Prozent erreichen kann. Das Produkt aber ist volatil. Sie haben immer nur eine Saison Zeit, wenn sie den Abstieg vermeiden wollen oder internationale Plätze erreichen wollen. Fußball ist emotional, öffentlich und damit auch risikobehaftet.

SPOX: Wie können Mannschaften wie Hannover, Köln oder Bremen auf Dauer konkurrenzfähig bleiben?

Kind: Nur wenn Hannover 96 oder andere Klubs vergleichbarer Größe international spielen, ist die Chance, einem Umsatz von über 100 Millionen Euro zu erreichen, gegeben. Das ist eine Zielgröße, die deutlich macht, dass man dann auch notwendige und angemessene Erträge erwirtschaften kann. Die Investitionen in die Infrastruktur und die Investitionen in die Mannschaft eröffnen die Perspektive einer erfolgreichen sportlichen und wirtschaftlichen Entwicklung.

SPOX: Sie waren immer ein Gegner der 50+1-Regel und haben auch einen Erfolg erstritten, so dass Investoren, die über 20 Jahre den Verein gefördert haben, anschließend auch die Mehrheit bei einem Klub übernehmen dürfen. Ist das der einzige Weg, konkurrenzfähig zu bleiben?

Kind: Die 50+1-Regel ist eine Verbandsregel. Das Urteil ist vernünftig. Die DFL ist gefordert, die Rahmenbedingungen der Zukunft auf Basis dieses Urteils zu erarbeiten und zu entwickeln. Auf jeden Fall ist dieses Urteil ein Weg, die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten oder zu entwickeln.

SPOX: Der FC Bayern hat drei Dax-Unternehmen als strategische Partner und dafür Anteile seiner AG verkauft. Der BVB ist vor Jahren an die Börse gegangen und hat nun eine Kapitalerhöhung durchgeführt. Welcher Weg ist für andere Vereine ein mögliches Vorbild?

Kind: Bayern München und Borussia Dortmund sind in ihrer Entwicklung fortschrittlich. Sie haben jeweils drei strategische Partner als Aktionäre aufgenommen. Das sind eine deutliche Verbesserung der Eigenkapitalsituation und die Basis einer sportlich und wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklung. Respekt! Nach jetziger Einschätzung erfüllen andere Bundesligavereine diese Voraussetzungen nicht oder nur bedingt. Es sind aber auch andere Wege der Kapitalbeschaffung oder Kapitalerhöhung möglich.

SPOX: Wachsen mit dem HSV und dem VfB, die gerade an der Ausgliederung und der Akquirierung von Sponsoren arbeiten, neue Riesen heran?

Kind: Die erfolgten und geplanten Entscheidungen in Hamburg und Stuttgart zeigen die Notwendigkeit der Veränderung. Beide Vereine bieten gute Voraussetzungen mit einer angemessenen Wirtschaftskraft (Eigenkapital und Ertragspotenzial) sowie dem Fanpotenzial in Stadt und Umland eine erfolgreiche Entwicklung einzuleiten beziehunsgweise fortzusetzen.

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