Lukas Raeder vom VfB Lübeck im Interview: "Ich musste meinen Müll auf meine Nachbarn verteilen"

Von Max Schrader
Lukas Raeder absolvierte für den FC Bayern zwei Bundesliga-Spiele.
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Nachdem Sie Portugal 2017 verließen, soll nach Angaben der englischen Zeitung Daily Mail Borussia Dortmund an Ihnen interessiert gewesen sein, um dort die Nachfolge von Roman Weidenfeller als Nummer zwei anzutreten. Was war da dran?

Raeder: Da stand wesentlich mehr drin, als an der Sache wirklich dran war. Ich werde doch nicht der Nachfolger von Roman Weidenfeller. Der BVB wird damals sicherlich einige Namen im Kopf gehabt haben, aber nicht meinen. Letztlich hätte man darauf auch selbst kommen können. (lacht)

Sie wechselten schließlich zu Bradford City in die dritte englische Liga.

Raeder: Es war mein Traum, einmal im Mutterland des Fußballs zu spielen - auch wenn es schön gewesen wäre, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Ich war in Regensburg und Kaiserslautern bereits zum Probetraining. Ich hatte in England aber keinerlei Anpassungsprobleme. Sportlich war es im Gegensatz zu Setubal eine andere Welt. Dort kamen in der ersten Liga rund 2000 Zuschauer im Schnitt, in England waren es 16.000. Man hat dort auch Nähe der Fans zum Spielfeld gespürt. Manchmal kamen die Kinder während des Aufwärmens zu einem und wollten ein Autogramm.

Lukas Raeder über seine kurze Zeit in Bradford

Wie viel Kick and Rush war in Bradford angesagt?

Raeder: Viel, gerade in der 3. Liga wird das dort noch oft gespielt. Deshalb war man als Torwart gefragt, um den Ball möglichst weit in die gegnerische Hälfte zu befördern. Ich weiß noch, wie ich in meiner ersten Trainingseinheit nur Abschläge mit dem Torwarttrainer geübt habe. Darauf wurde besonders geachtet. Und bei Flanken sollte man immer im Tor bleiben, das war sehr ungewohnt. Insgesamt hinkte dort der Fußball drei Stufen hinterher.

Ihr Vertrag lief zunächst nur für ein halbes Jahr, wurde aber im Winter bis zum Saisonende verlängert. Anschließend verließen Sie den Klub jedoch wieder. Weshalb?

Raeder: Weil es unbefriedigend lief. Ich kam nur dreimal zum Einsatz. Im Sommer wurde zudem ein neuer erster Torwart verpflichtet. Da wusste ich, dass man nicht mehr mit mir plant.

Es ging zurück zu Ihren Wurzeln in Ihre Geburtsstadt Essen zu RWE. Hatten Sie zwischenzeitlich die Befürchtung, dass Angebote ausbleiben könnten, nachdem Sie zuvor so selten spielten?

Raeder: Es war auf jeden Fall keine einfache Zeit. Ich bin aber lange im Geschäft und weiß, dass früher oder später Angebote kommen werden - es ist nur immer die Frage, wann genau. Wenn der Urlaub ausfällt und man nur auf einen Anruf wartet, dann ist das schon schwer. Ich habe versucht, das gar nicht an mich heran zu lassen. Mein Umfeld hat sich mehr verrückt gemacht als ich. (lacht)

Lukas Raeder: "Lübeck und ich passen sehr gut zusammen"

Zumal Sie bei RWE ohnehin schon vor der Sommerpause mittrainiert hatten.

Raeder: Genau. Die Saison in England war relativ früh vorbei und ich wollte mich fit halten. Zu dem Zeitpunkt dachte ich nicht, dass es dann auch zu einem Wechsel kommen würde. Ich hatte einige Optionen, die sich aber immer wieder zerschlugen. Diesmal wollte ich vermeiden, wie bei meinem Wechsel nach England bis zum letzten Tag der Transferperiode zu warten. Deshalb hat die Offerte von RWE gut gepasst und war auch kein Rückschritt, da ich in Bradford eben kaum zum Einsatz kam.

Lange blieben Sie jedoch auch dort nicht. Nach 19 Partien in der Regionalliga wechselten Sie mit Vertragsende zum VfB Lübeck.

Raeder: Die Anfangszeit in Essen war klasse. Ich war die Nummer eins und kam auf meine Spiele. Wir hatten aber keinen Anschluss zu den oberen Tabellenplätzen. Ich glaube, da ich einen sehr leistungsbezogenen Vertrag hatte, durfte ich dann nicht mehr spielen. Plötzlich fand ich mich auf der Tribüne wieder. Niemand hatte zu mir gesagt, dass ich die Bälle nicht mehr gut genug halten würde. Anschließend gab es für mich keine Grundlage mehr für eine weitere Zusammenarbeit.

Beim VfB unterschrieben Sie bis 2021. Dort sind Sie nun Stammkeeper und der Verein ist Tabellenführer der Regionalliga Nord. Haben sich da nun zwei gefunden oder ist auch in Lübeck ein baldiger Abgang wahrscheinlich?

Raeder: Lübeck und ich passen einfach sehr gut zusammen. Wir haben beide schon höherklassig gespielt und wollen auch wieder dort hinkommen. Wir haben sehr gute Chancen, in die 3. Liga aufzusteigen. Was darüber hinaus passiert, kann ich nicht sagen. Ich absolviere nebenbei eine Weiterbildung zum Sportfachwirt, für die es keine Präsenztage braucht. Ich habe auch keine Familie und bin dahingehend in meiner Entscheidungsfindung sehr frei. Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, noch einmal in England zu spielen. Das würde mich genauso reizen wie der Wechsel in ein Land, in dem ich noch nicht aktiv war.

Lukas Raeder spielt seit dieser Saison für den VfB Lübeck.
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Lukas Raeder spielt seit dieser Saison für den VfB Lübeck.

Lukas Raeder über seinen Umgang mit der Coronakrise

Wie gehen Sie aktuell mit der Corona-Pandemie um und wie stark sehen Sie die sportlichen Ziele des Vereins gefährdet?

Raeder: Ich versuche mich an die Vorschriften zu halten und größere Menschengruppen zu vermeiden. Natürlich muss ich auch einkaufen gehen und meinen Fitnessplan abarbeiten. Mehr Aktivitäten außerhalb der eigenen vier Wände sind aktuell aber nicht machbar. Ich verbringe die Zeit zu Hause in Essen mit der Familie. Unsere sportlichen Ziele sehe ich im Moment nicht gefährdet, denn bei fast jedem Szenario würden wir in die 3. Liga aufsteigen. Wir sind nicht nur Tabellenführer, sondern waren auch Herbstmeister. Dass die Saison abgebrochen wird, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Es ist aber selbstverständlich, dass im Moment überall Unklarheit herrscht.

Wie haben Sie die aktuellen Diskussionen über einen möglichen Gehaltsverzicht von Profis aufgenommen?

Raeder: Sollten neun oder zehn Spieltage ausfallen, wäre es selbstverständlich, über einen möglichen Gehaltsverzicht zu sprechen. Bevor ein Verein pleite geht, werden alle Angestellten versuchen, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Letztlich ist der Verein ein Arbeitgeber, in der freien Wirtschaft wird auch teilweise Kurzarbeit eingeführt. Das alles sollte man aber erst besprechen, sollte die Saison wirklich abgebrochen werden.

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