Benjamin Kirsten im Interview: "Ich hatte die Schnauze voll vom harten Geschäft"

Benjamin Kirsten hechtet nach einem gegnerischen Elfmeter.
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Benjamin Kirsten ohne Dynamo Dresden? Für viele kaum vorstellbar.

Kirsten: Meine Zeit bei Dynamo, darüber könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Ich bin stolz, dass ich diesen Verein über sieben Jahre lang mitprägen konnte. Das kann nicht jeder von sich behaupten. Das Verhältnis zum Verein ist mittlerweile wieder sehr gut. Wenn ich die Zeit habe, gehe ich und freue mich, dass ich eingeladen werde. Aber meine sportliche Aufgabe ist natürlich Lok. Ich versuche auch in Leipzig viele sportliche Events mitzunehmen und so meine Verbundenheit und meine Identifikation zu Lok und zur Stadt zu zeigen.

Da könnten Sie fast eine Art Brücke zwischen den beiden Klubs schlagen.

Kirsten: (lacht) Ich glaube, wenn ich einige Spieler von Dynamo hierherholen würde, würden sie sagen: Das ist die gleiche Situation wie in Dresden vor 15 Jahren. Ähnliche Krisensituation, ähnliche Problematiken. Ich sehe allerdings auch die Entwicklungsmöglichkeiten.

Was meinen Sie konkret?

Kirsten: Wir haben kein ordentliches Stadion, vor der neuen Kunstrasenhalle waren es nur mittelmäßige Trainingsbedingungen. Es ist alles noch ein bisschen DDR-Style. (zeigt auf Kabinentrakt) Das hat Charme und irgendwo Esprit. Um weiterzukommen, muss man aber die Strukturen schaffen, um Spieler hierher zu bekommen, die keinen Bock darauf haben, dass ihnen die Türklinke in der Hand hängt, wenn sie hier etwas runterdrücken.

Ist Lok Leipzig denn auf dem richtigen Weg?

Kirsten: Wir haben sicherlich gute Rahmenbedingungen, um ein professionelles System zu schaffen. Es ist wichtig, dass sich das Umfeld und die Infrastruktur des Vereins mit der Mannschaft mit entwickelt. Ein schlechter Platz etwa kann dich in der Saison sieben bis zehn Punkte kosten. Es braucht Strukturen, die keine Ausreden zulassen. Man darf aber nicht vergessen, dass Lok sehr viele ehrenamtliche Mitarbeiter hat, die die eigenen Interessen hinter die des Vereins anstellen.

Benjamin Kirsten: "Ich bin grundsätzlich nie zufrieden"

In dieser Saison ist Lok auf Platz sechs gelandet. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Kirsten: Wenn man bedenkt, wo wir noch im Oktober standen, haben wir eine hervorragende Position erreicht. Sieht man andererseits das ursprüngliche Saisonziel - den Aufstieg -, ist es zu wenig. Im Sachsenpokal sind wir im Halbfinale hauchdünn gescheitert. Das war unser "Spiel des Jahres", danach sind wir in ein kleines Loch gefallen. Insgesamt fällt die Bilanz gemischt aus, das müssen wir hinnehmen. Sportlicher Erfolg ist eben nur langfristig planbar.

Und ihr persönliches Fazit? Sind Sie zufrieden?

Kirsten: Ich bin grundsätzlich nie zufrieden, denn das ist Stillstand, und Stillstand ist Rücktritt. Aber insgesamt ist es für mich eine gute Saison gewesen, gerade wenn man die Verletzung zu Beginn bedenkt.

Sie hatten aufgrund einer Meniskusreizung die ersten zwölf Saisonspiele verpasst. Jetzt sind Sie schon wieder am Knie operiert worden.

Kirsten: Ja, nach einem Pressschlag hatte ich in den vergangenen Wochen Probleme. Nach einem MRT haben wir uns zu einer Spiegelung entschlossen. In vier Wochen darf ich wieder voll belasten. Es war mir wichtig, das frühzeitig anzugehen, damit mir so viel Zeit wie möglich für meine Reha und die Vorbereitung auf die neue Saison bleibt. Ich möchte eine gute Basis für die kommenden Jahre haben.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne denn aus? Noch einmal MLS? Oder irgendwann zu Dynamo zurück?

Kirsten: Man muss ehrlich sein. Ich bin jetzt 32. Dynamo spielt in der 2. Liga, die MLS hat einen europäischen Standard. Man sollte nie nie sagen, aber ich plane damit nicht, weil es unrealistisch ist. Bei Lok habe ich noch bis 2020 Vertrag, so wie alle Spieler hier. Ich habe Familie und brauche Planungssicherheit, also werde ich meine Zukunft früh klären. Aber ich weiß, was ich hier habe, fühle mich in der Mannschaft wohl. Ich sehe es als Privileg an, dass ich mit Spaß Fußball spielen kann.

Gehen Sie aktive Schritte, um sich auf die Zeit nach der Karriere vorzubereiten?

Kirsten: Die Verletzungen vor zwei Jahren haben mich ein bisschen ... "wachgerüttelt" wäre falsch. Aber es wird real. Du darfst die Zeit, die du hast, eben nicht vor der Playstation verbringen, sondern musst etwas machen, was dich weiterbringt. Das habe ich getan, aktuell schreibe ich etwa an meinem Torwartkonzept. Ich würde gern weiter im Fußball arbeiten, am liebsten als Torwarttrainer.

Welche Rolle hat das Geld in Ihrer Karriere gespielt?

Kirsten: Ich habe immer gewusst, dass Geld nicht alles ist. Natürlich ist es wichtig. Aber nicht so sehr, dass ich vier oder fünfmal den Verein gewechselt hätte, nur um ein paar tausend Euro mehr zu verdienen. Manchmal geben dir andere Dinge mehr zurück als Geld. Wenn ich durch Dresden laufe und sehe, wie die Menschen reagieren, wie respektvoll sie mit mir umgehen, auch mit meinem Abschied damals. Da muss ich sagen: Ich glaube, ich habe das Richtige getan.