Tretschok: "Die Spaßgesellschaft ist eine Illusion"

Von Interview: Daniel Börlein
Rene Tretschok ist seit eineinhalb Jahren Jugendtrainer beim Hertha BSC
© Imago

Rene Tretschok hat für Borussia Dortmund, den 1. FC Köln und Hertha BSC fast 200 Bundesliga-Spiele absolviert. Mit dem BVB wurde er zweimal deutscher Meister, stand im UEFA-Cup-Finale und gewann 1997 die Champions League. Seit eineinhalb Jahren arbeitet der 42-Jährige als Jugendtrainer bei Hertha BSC.

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Im Interview spricht Tretschok über Herthas Jugendarbeit, sein Credo im Umgang mit Talenten und die Zusammenarbeit mit Markus Babbel.

SPOX: Herr Tretschok, Sie wurden als Spieler deutscher Meister und Champions-League-Sieger. Machen Ihnen diese Erfolge die Arbeit als Jugendtrainer leichter?

Rene Tretschok: Das kann ich gar nicht sagen. Ich weiß auch nicht, ob es für die Jungs ein besonderer Kick ist, einen Trainer zu haben, der früher mal ein bisschen was gewonnen hat. Für mich ändert meine Vergangenheit zumindest nichts. Ich habe mich noch nie auf irgendwelchen Meriten ausgeruht. Das merken die Jungs auch, glaube ich.

SPOX: Sie haben 2002 Ihr letztes Bundesliga-Spiel absolviert. Inwieweit profitieren Sie als Trainer von Ihren über zehn Jahren Erfahrung im Profi-Fußball?

Tretschok: Ich habe eine gewisse Sichtweise vom Fußball, die sicher auch auf meine eigenen Erfahrungen zurückgeht. Diese Sichtweise versuche ich meinen Spielern zu vermitteln. Jeder muss dann für sich entscheiden, ob er das annimmt oder nicht.

SPOX: Wie sieht diese Sichtweise aus?

Tretschok: Mein Credo ist: Wenn man sich alles hart erarbeitet, dann kann man auch Spaß haben. Im Leben wird einem nichts geschenkt, und das müssen die Jungs so zeitig wie möglich begreifen und umsetzen.

SPOX: Klingt ziemlich hart.

Tretschok: Ich fördere und fordere. Das ist ganz wichtig. Denn diese Spaßgesellschaft ist nur Illusion. Aber ganz klar: Ich gebe auch Freiräume. Meine Jungs sind ja alle noch Jugendliche. Das darf man nicht vergessen. Die gehen noch zur Schule oder machen eine Ausbildung. Und in einer Stadt wie Berlin sind die Anfahrtswege auch richtig lang. Die Jungs kommen teilweise erst um neun oder zehn Uhr nach Hause. Da muss man schon auch Rücksicht nehmen und ein gewisses Fingerspitzengefühl zeigen.

SPOX: Berlin steht seit Jahren für gute Jugendarbeit. Wo liegt die Hertha im Vergleich zu anderen Klubs in Deutschland?

Tretschok: Wenn man die letzten Jahre betrachtet, dann kann man wohl schon sagen, dass Hertha zu den führenden Vereinen in Sachen Jugendarbeit in Deutschland zählt. In Berlin wurde zeitig Geld in den Nachwuchsbereich investiert, um gewisse Strukturen zu schaffen. Das wirft nun Früchte ab. Wir hatten schon einmal goldene Zeiten mit Leuten wie den Boatengs, Salihovic oder Dejagah. Und jetzt muss man eben hart daran arbeiten, dass sich das wiederholt.

SPOX: Wie stehen die Chancen?

Tretschok: Das dauert sicher eine Weile. Da musst du jedes Jahr sehr gut scouten, gezielt ausbilden und dann auch die nötige Geduld mitbringen. Momentan sind mit Marco Djuricin und Nico Schulz wieder zwei ganz Junge aus dem eigenen Nachwuchs bei den Profis dabei. Das zeigt, dass vieles richtig gemacht wird und macht uns natürlich stolz.

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SPOX: Worauf wird in Berlin in der Jugendarbeit besonders Wert gelegt?

Tretschok: Wir geben den Jungs immer mit, dass sie selbst darauf Wert legen müssen, sich auf aber auch abseits des Platzes zu entwickeln. Es ist auch so, dass wir den Jugend-Fußball nach der B-Jugend quasi abstellen. Das heißt, dass die Jungs in der A-Jugend schon so konzentriert arbeiten können und sollen, wie im Herrenbereich, damit der Übergang nach oben so schnell und einfach wie möglich funktioniert. Denn es ist sehr wichtig, dass die Jungs, wenn sie in die erste Mannschaft oder die U 23 kommen, sofort wissen, wo es lang geht.

SPOX: Dafür sind Sie als U-19-Trainer verantwortlich. Worauf müssen Sie achten?

Tretschok: Aus taktischer Sicht ist wichtig, dass die Jungs es drauf haben, in verschiedenen Pressing-Zonen zu agieren. Dass die Räume kompakt gehalten werden, dass schnell Richtung Mittellinie geschoben wird. Mir ist wichtig, dass die Jungs auf dem Platz in der Lage sind, sich gegenseitig schnell helfen zu können und das auch praktizieren. Ich will nicht, dass sich jemand auf dem Feld versteckt, ein gewisses Risiko soll jeder eingehen. Daneben ist es natürlich wichtig, gezielt im konditionellen und koordinativen Bereich zu arbeiten, damit die Jungs dann im Herrenbereich auch körperlich mithalten können.

SPOX: Wie läuft die Zusammenarbeit mit Cheftrainer Markus Babbel und der Profi-Abteilung?

Tretschok: Die schauen natürlich, welche Alternativen sich aus dem Jugendbereich auftun. Da gibt es schon einen regen Austausch. Allerdings hat die erste Mannschaft mit dem Aufstieg auch ein klares Ziel, das oberste Priorität hat. Das verstehen wir Jugendtrainer. Auf der anderen Seite haben Markus Babbel und sein Co-Trainer Rainer Widmayer auch wirklich ein großes Interesse daran, was bei uns passiert. Als wir beispielsweise Anfang des Jahres beim Mercedes-Benz Juniorcup in Sindelfingen mitgespielt haben, da haben die beiden sich das im Trainingslager in Portugal im Livestream angeschaut. Das ist für meine Jungs natürlich ein toller Ansporn.

SPOX: Markus Babbel ist wie Sie ein Ex-Profi. Er trainiert im Herrenbereich, Sie den Nachwuchs. Bleibt es dabei oder reizt es Sie auch mal, einen Profi-Klub zu übernehmen?

Tretschok: Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren Jugendtrainer in Berlin. Ich wollte das mal probieren, und es macht mir unheimlich viel Spaß, weil ich sehe, wie sich die Jungs entwickeln. Ich weiß allerdings noch nicht, wo mein Weg letztlich hingeht - ob ich Trainer bleibe oder vielleicht mal eine andere Position übernehmen möchte.

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