Savio Nsereko: Das ewige Sorgenkind

Von Daniel Reimann
Savio Nsereko (r.) wurde mit Deutschlands U 19 im Jahr 2008 Europameister
© Getty

Florenz-Leihgabe Savio Nsereko provozierte seine fristlose Kündigung bei 1860 München. Der ehemalige 11-Millionen-Mann ist mit 21 Jahren quasi gescheitert, dabei galt er einst als großer Hoffnungsträger. Doch der Versuch eines Neuanfangs in München misslang. Was bleibt, ist Perspektivlosigkeit.

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"Ich will zeigen, was ich drauf habe und der Mannschaft helfen. Ich denke, es wird eine super Saison." So lautete der O-Ton von 1860-Leih-Neuzugang und Rückkehrer Savio Nsereko in der Sommerpause. Worte, die mittlerweile wie Hohn in den Ohren der Löwen-Fans klingen.

Denn am 9. Oktober tauchte er urplötzlich ab. Rund zwei Wochen lang hielt der 21-Jährige Mannschaft, Verantwortliche und Fans zum Narren, sogar seine Eltern wussten zeitweise nicht, wo sich ihr Sohn aufhielt. Der Anlass für sein Verschwinden war angeblich der Tod von Nserekos Halbbruder in Uganda.

Nachdem der Spieler seine Abwesenheit allerdings nicht plausibel begründen konnte, blieb dem TSV nichts anderes übrig, als ihm die fristlose Kündigung auszuhändigen. Anschließend tauchte Nsereko wieder unter, bis er vor einigen Tagen mit Ex-1860-Kollege Mate Ghvinianidze in einer Münchner Disko gesichtet wurde.

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2008: Spieler des Turniers bei U-19-EM-Sieg

"Ich möchte bei den Löwen jetzt vor allem viel Spielpraxis sammeln", kündigte er noch vor der Saison an. Das krasse Gegenteil war der Fall. "Problemlöwe" Savio hat sich gleich mehrere Türen auf einmal zugestoßen, eine Rückkehr zu 1860 wird es unter Trainer Reiner Maurer nicht geben. Auch bei anderen Klubs wird er es nun schwer haben.

Es ist der tiefe Fall eines hoch gehandelten Talents. Einst ein gefeiertes Juwel, mittlerweile ein gefeuertes Sorgenkind. Dabei begann seine Karriere so vielversprechend...

Im zarten Alter von sieben Jahren wurde sein Talent vom TSV 1860 entdeckt, fortan trainierte er bei den Münchner Löwen. Mit 16 Jahren wechselte er zum italienischen Zweitligisten Brescia und gab alsbald sein Profidebüt in der Serie B.

Ins Rampenlicht spielte sich Nsereko jedoch auf anderer Ebene: 2008 stieg die U-19-Europameisterschaft in Tschechien, Nsereko lief unter anderem zwischen den Bender-Zwillingen, Stefan Reinartz und Timo Gebhart für das DFB-Team auf.

Innerhalb von nur zwölf Tagen wurde der Triumph für Team und Spieler perfekt gemacht: Deutschland holte den Titel und Nsereko wurde als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet.

Ablösesumme a la Tevez

In der folgenden Saison kam er auch im Verein regelmäßiger zum Einsatz. Seine Tempo-Dribblings, seine Übersicht und seine Gabe für plötzliche Genie-Streiche weckten auch international Interesse.

Das Rennen um den damals 19-Jährigen machte West Ham United. Die Hammers legten satte elf Millionen Euro auf den Tisch. Eine Summe, die man dort zuvor nur für Größen wie Carlos Tevez, Craig Bellamy oder Javier Mascherano zu zahlen bereit war.

Doch der damalige Coach Gianfranco Zola versprach sich einiges vom frisch verpflichteten Rohdiamanten: "Er hat eine Menge Qualität. Glauben Sie mir: Er wird ein sehr wichtiger Spieler für uns sein."

Zunächst lief alles perfekt: Nsereko wurde regelmäßig eingewechselt und gewöhnte sich mehr und mehr an die Premier League. Höhepunkt seiner bisherigen Vereinskarriere: Die Vorlage zum entscheidenden 1:0-Siegtor gegen Manchester City. Dieser vermeintliche Durchbruch datiert vom 1. März 2009. Damals deutete noch nichts darauf hin, dass es von da an kontinuierlich bergab gehen sollte.

Vom Hoffnungsträger zum Mitläufer

Doch so kam es: Aus dem millionenschweren Hoffnungsträger wurde bald ein unzufriedener Mitläufer, der nicht über den Status eines Einwechselspielers hinaus kam und weder Fans noch Verantwortliche überzeugen konnte. Nach nur acht Monaten kehrte er enttäuscht nach Italien zurück, zum AC Florenz.

Doch weder bei der Fiorentina noch als Leihgabe beim FC Bologna fand Nsereko sein Glück. Die Krönung seiner persönlichen Pechstory wurde sein peinliches Vier-Monats-Intermezzo bei 1860. Wo auch immer er landete, Nsereko wurde über kurz oder lang zum Sorgenkind.

Schließlich war das plötzliche Verschwinden nicht der erste Aufreger um die Person Nsereko. Er galt als unzuverlässig, verschlief Trainingseinheiten und auch von feucht-fröhlichen Partynächten war die Rede. Sein divenhaftes Verhalten erschwerte die Eingewöhnung im Team zusätzlich.

Mit 21 Jahren vor verschlossenen Türen

Und jetzt? Nsereko ist erst 21 Jahre alt. Er wurde bereits für Unsummen durch Europa transferiert - und scheiterte allerorts. Er wagte den Neuanfang in München - und versagte auf der ganzen Linie.

Immerhin: Trotz der fristlosen Kündigung bei 1860 ist er nicht arbeitslos, noch hat er Vertrag bei der Fiorentina. Ein Hoffnungsschimmer? Mitnichten. Denn schon bei seinem letzten, halbjährigen Zwischenstopp in Florenz kam er auf null Einsatzminuten.

Nsereko bleibt nur sein fußballerisches Talent. Und die Hoffnung, dass ein Coach mit Händchen für hochbegabte Fußball-Diven ihm eines Tages die nächste Chance auf einen Neubeginn ermöglicht.

Brescia, West Ham, Florenz: Die Vereinslaufbahn von Savio Nsereko

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