Die Dürüm-Kebap-Krise

Von Fatih Demireli
Spürhunde der türkischen Polizei suchen nach Döner-Schmuggelware
© anadolu

ALLES SÜPER ist zurück - und das pünktlich zum Prozessauftakt im Manipulationsskandal. Doch die Gesetzlosigkeit kennt auch vor Gericht keine Grenzen: Eine Bande von Kebap-Dealern stellt den Prozess in den Schatten. Außerdem auf der Anklagebank von ALLES SÜPER: Die personifizierte Senilität des türkischen Fußballs, ein Bulgare, der alles kaputt macht und Michael Skibbe.

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Der arme Mike: ALLES SÜPER hat ja etwas Pause gemacht. Eigentlich ein Unding, wenn man bedenkt, dass Michael Skibbe monatelang in der Süper Lig sein Unwesen getrieben hat. Fragt mal die AL, wie froh sie über den Neuzugang aus Eskisehir war. Vier Spieltage lang war Skibbe Hauptdarsteller des gepflegten Bashings. Wäre auch für AS ganz toll gewesen, doch da gab's ein Problem: Der Gute war in der Türkei zu erfolgreich und damit für ALLES SÜPER zu langweilig. Wobei: Der Statistik-Hinweis der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu vom Mittwoch, wonach Skibbes Nachfolger Ersun Yanal jetzt schon genauso viele Punkte gesammelt hat wie Skibbe im selben Zeitraum, klingt dann doch nach üblem Nachtreten. Anders können wir das Abfeiern von acht Punkten in zehn Spielen nicht erklären. Jetzt lasst doch mal den armem Michael in Ruhe...

Äh? Mehmet Ali Aydinlar ist ein extrem erfolgreicher Geschäftsmann. Während normale Menschen wie Du und ich eine Supermarkt-Kette haben oder sie zumindest regelmäßig besuchen (Aldi, Anm. d. Red.), ist Aydinlar Besitzer, Chef und Godfather einer privaten Krankenhaus-Kette. Er ist quasi die türkische Version von Dr. House. Und weil Aydinlar zufällig noch weiß, wie ein Fußball aussieht, kam man im Juni 2011 auf die Idee, den Träger eines sauber frisierten Oberlippenbarts zum Verbandschef des türkischen Fußballs zu machen.

Was natürlich völlig in die Hose ging. Aydinlar bewies Konstanz, indem er sich fast wöchentlich selbst widersprach. Weil sein Plan, den Zwangsabstieg abzuschaffen, den es bei nachgewiesener Spielmanipulation geben müsste, von der Generalversammlung des türkischen Fußballs abgelehnt wurde, wollte der eingefleischte Fenerbahce-Fan Aydinlar zurücktreten, um dann am nächsten Tag per Pressemitteilung bekannt zu geben, doch im Amt bleiben zu wollen.

Gewissheit, Kontinuität, Friede, Freude, Döner mit allem. Denkste. Am nächsten Tag trat Aydinlar doch zurück, um - und jetzt festhalten - sich wieder zur Wahl zu stellen, wenn die Türken am 27. Februar ihren neuen Präsi wählen. Da fragt man sich dann schon, wie sich die Patienten in Aydinlars Krankenhäusern wohl fühlen würden, wenn ihnen mitgeteilt wird: "Glückwunsch, Sie sind kerngesund. Ah Moment, sorry, doch Krebs."

Super Klub-Vereinigung: Fast so stark wie Aydinlar präsentiert sich auch die sogenannte Klub-Vereinigung, der alle 18 Süper-Lig-Klubs angehören. "Aua" dürfte die richtige Bezeichnung sein, was die Interessenvertretung der Erstliga-Vereine erlebt. Da war dieser Vorfall während der Generalversammlung des Verbands: Weil der Präsident von Orduspor einen witzig gemeinten Spruch Richtung Fenerbahce abließ, gab ihm Manisaspors Präsident Kenan Yarali einen gepflegten Faustschlag ins Gesicht. "Außerdem drohte er mir mit dem Tod. Ich fürchte um mein Leben", so Ordus Chef Nedim Türkmen, der sich - ohne Scherz - einen Vollbart wachsen ließ. Um gefährlich auszusehen?

Da ist auch die Sache mit dem Vorsitzenden der Vereinigung: Yildirim Demirören, seines Zeichens Besiktas-Boss, wollte - trotz Veto - die Abschaffung des Zwangsabstiegs durchbringen. "Notfalls nehmen wir jahrelang nicht am Europapokal teil. Na und?", sagte Demirören. Galatasaray fordert den Rücktritt Demirörens, selbst bei Besiktas ist man mit den Aussagen des eigenen Bosses unzufrieden.

Den Gipfel gab's in der vergangenen Woche: Der Gründer der Vereinigung, der 85 Jahre alte Genclerbirligi-Boss Ilhan Cavcav, berief auf eigene Faust eine außerordentliche Sitzung ein und lud alle Istanbuler Klubs aus. "Die zanken sich hier nur, die brauchen wir nicht", sagte Cavcav. Laut offizieller Pressemitteilung entschied die Klub-Vereinigung in dieser Sitzung, nicht Aydinlar, sondern einer Person das Vertrauen zu geben, "die noch unverbraucht ist". Nur Cavcav, die personifizierte Senilität des türkischen Fußballs, bekam von der Abstimmung, die er leitete, nichts mit: "Ich kann das nicht verstehen. Sollen wir einen Ausländer zum Verbandschef wählen?" Klingt gar nicht so schlecht...

Kebap-Schmuggel: Just am Valentinstag gab's den Prozessauftakt im Manipulationsskandal. Vor dem Justizgebäude in Silivri versammelten sich hunderte Fenerbahce-Fans, um ihre Solidarität zu Präsident Aziz Yildirim zu bekunden. Selbst ein paar Galatasaray-Fans waren im Fener-Kostüm zu sehen. Einer begründete: "Mal unter uns: Ich hätte sonst meine Frau zum Essen ausführen müssen." Blöd nur, dass Romeo live im Fernsehen zu sehen war.

Die Gästeliste konnte sich auch sonst sehen lassen: Ticketverkäufer direkt vom Schwarzmarkt für das nächste Fener-Heimspiel, das eigentlich nur Frauen und Kinder besuchen dürfen. Sehr interessant war auch der Besuch einer Bande von Dürüm-Kebap-Schmugglern.

Was passiert war? Unbekannte warfen mehrere Dürüms über einen Absperrung, damit die mitallemundscharfen Freunde des türkischen Feinschmecker-Gaumens im Gerichtsgebäude auch etwas zu Dinieren hatten. Wenig überraschend, dass die Sicherheitskräfte leicht skeptisch wurden, als hoch dekorierte Anwälte und besorgte Angehörige Geldbeutel, Handy, Gürtel und eine exklusive Kebap-Kollektion aufn X-Ray legten. Das gesamte Fleischgut wurde beschlagnahmt. Die "Hürriyet" schrieb danach dramatisch von der "Dürüm-Kebap-Krise".

Junge, Junge: Ivelin Popov ist ein richtig guter Fußballer und spielt eigentlich nur bei Gaziantepspor, weil ihm einst die englischen Behörden keine Arbeitserlaubnis geben wollten und er somit nicht zu den Blackburn Rovers wechseln konnte.

Etwas Pech hatte der bulgarische Nationalspieler am Freitag beim Auswärtsspiel gegen Trabzonspor. Popov produzierte das 0:1 per Eigentor, verschuldete das 0:2 durch ein elfmeterreifes Foul, hatte zuvor allerdings selbst schon einen Elfer verballert und traf obendrein zwei Mal nur den Pfosten. Ach ja und Popov war auch einer von sieben Ausländern, die gleichzeitig auf dem Platz standen. Weil nur sechs erlaubt sind, wird das Spiel, das Trabzon 4:1 gewann, mit 4:0 gewertet.

Ein türkischer Twitterer brachte es auf den Punkt: "Hätte mich nicht mehr gewundert, wenn Popov nach dem Spiel seinem Trainer den Finger in den Arsch gesteckt hätte und abgehauen wäre..." Ob Popovs Finger tatsächlich - Achtung Wortwitz!!! - im Popo(v)-Loch landete oder Michael Skibbe als neuer Trainer und Ausländer-Zähler in Gaziantep gehandelt wird, verrät die nächste Ausgabe von ALLES SÜPER...

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