Freiheit für Männer!

Von Fatih Demireli
Freiheit für Männer in türkischen Stadien, aber diese Fener-Fans dürfen auch gerne bleiben
© anadolu

Wer geglaubt hatte, ALLES SÜPER ist im Zuge des Manipulationsskandals im Knast gelandet, hat keine Ahnung. Aber was nicht ist, kann ja noch werden - mit der ersten Ausgabe der neuen Saison. Auch wenn's inzwischen verboten ist, über den Manipulationsskandal zu berichten: Wir machen's trotzdem und lassen uns auch nicht von 41.000 Frauen und Kindern einschüchtern...

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Die Sache mit den Frauen: Klischees sind blöd. Also räumen wir erst einmal auf: Nicht jeder Türke isst Döner zum Frühstück, nicht jeder verschuldete Grieche hat die Troika und die Angie im Wohnzimmer sitzen und nicht jede Frau versteht unter Abseits das Untergeschoss in einem Kaufhaus. Was haben die dämlichen Klischee-Witze vor dem Spiel Fenerbahce gegen Manisaspor genervt...

Da keine Männer ins Stadion durften und sich 41.000 Frauen und Kinder ins Sükrü-Saracoglu-Stadion drängten, hauten die Männer, die vor der Glotze sitzen mussten, einen Brüller nach dem anderen raus: "Hoffentlich fällt kein Abseitstor. Wie willst du den Schnecken erklären, dass das Ding nicht zählt?" Oder: "Habe gehört, dass sie auf der Anzeigetafel die letzten Infos der Frauenserien durchgeben wollen..."

Blöd nur, dass es genauso kam, wie es mancher Links- und Rechtsträger vorausgesagt hat: Dass das 2:1 Feners in der 90. Minute abseits war und nicht zählte, fiel nur den wenigsten weiblichen Fans auf. "Ach, es war schön. Hauptsache wir haben gewonnen", sagte eine glückliche Fener-Anhängerin nach dem Spiel. Und weil's live war, jubelten ihre Gröhl-Freundinnen im Hintergrund um die Wette. Fies dagegen Hikmet Karaman, Ex-Manisa-Trainer und TV-Experte, der sich ein herzhaft dreckiges Lächeln nicht verkneifen konnte.

Und da wäre noch die Sache mit der Serie: Wer braucht schon die Anzeigetafel? Diese Dame guckte live im Stadion ihre Lieblingssendung: eine Serie über einen Schiffskapitän, der seine Familie sitzen ließ, aber verarmt und verlassen wieder zurückkehrte. Und wem das nicht genug ist: Diese ...ähmmm... Frau war auch dabei...

Petition "Freiheit für uns Männer": Frauen im Stadion, Gleichheit für alle, lachende Kindergesichter, bauchfreie Damen (nicht bei allen schön!) und der ganze Schinken: War ja echt toll, aber wir müssen es ja jetzt nicht übertreiben. Es war einfach nicht schön anzusehen, dass umsonst gejubelt wird und dass Küsschen der Torschützen Richtung Tribünen von heiratswilligen Frauen gleich als Antrag des Spielers interpretiert wurden. Und es schadet auch der Stimmung, wenn Mütter darum bitten, mal kurz ruhig zu sein, weil ihr kleiner Murat nicht schlafen kann. Deswegen fordern wir: Freiheit für uns Männer!

Die Sache mit dem Verband: Dass nur Frauen und Kinder im Stadion hocken durften, war übrigens auf dem Mist von ein paar Vollpfosten gewachsen, die in einem Freundschaftsspiel (!) Feners gegen Schachtjor Donezk den Platz stürmten und auf der Pressetribüne ein paar Journalisten verkloppten: Das Freundschaftsspiel (!) musste abgebrochen werden. Der türkische Verband ordnete daraufhin zwei Geisterkulissen-Spiele für Fener an...

Weil aber nach dem Manipulationsskandal nur noch alles schön und toll werden soll, hob der Verband über Nacht die Stadionsperren auf und erschuf die Frauenbewegung im türkischen Fußball. Auch wenn's fast schon zu schön war, stellte man sich doch die Frage:

War das die "Strafe" für Fener? Muss man künftig einfach ein paar Schreiberlinge auf die Fresse hauen, um hinterher weltweit für positive Schlagzeilen sorgen zu dürfen? Zieht man das gegenseitige Schulterklopfen im türkischen Verband in Betracht, heißt die Antwort: Ja, macht mal...

Die Sache mit dem "Da-war-doch-nix": Es ist ja schön, dass in der Türkei wieder Fußball gespielt wird. Wegen des Manipulationsskandals darf erst seit dem 10. September wieder gekickt werden: Dass im Juli und August über nichts anderes gesprochen wurde als über den Manipulationsskandal und dass beispielsweise der türkische Meister nicht in die Champions League durfte, wird inzwischen im Kollektiv verschwiegen.

Zum einen, weil der türkische Fußballverband vor Gericht ein Berichterstattungs-Verbot über den Manipulationsskandal erwirken konnte, und zum anderen, weil ja eigentlich nichts passiert ist. Das versuchen zumindest ein paar Klub-Bosse so zu verkaufen. "Ab sofort redet nur noch der Fußball", heißt das Motto von Verband, Klubs und Pay-TV-Sender, dem die Kunden in Scharen davonliefen.

An einer Aufklärung der Sache ist keiner mehr so richtig interessiert - und wenn schon, Strafen soll es auch keine geben: "Wir sind dafür, dass es keine Zwangsabstiege gibt, auch wenn die Klubs manipuliert haben", sagt Genclerbirligis 76 Jahre alter Präsi Ilhan Cavcav. Und jeder, der eine andere Meinung darüber habe, "sei der Todfeind des türkischen Fußballs." Ach ja, und Cavcav bat die Fans doch darum, ein Pay-TV-Abo abzuschließen, weil die Klubs Geld brauchen. Geht klar, Boss!

SÜPER-Man des Monats: Tolunay Kafkas. Der Gaziantepspor-Trainer brachte es fertig, innerhalb von einer Woche zwei Mal zurückzutreten. Nach dem 0:2 gegen Kayseri sagte der Kahlkopf: "Ich kann der Mannschaft nicht mehr helfen. Eine Blutauffrischung wird dem Klub gut tun." Und damit es alle glauben, sagte Kafkas noch: "Ich bin kein Wortbrecher, meine Entscheidung steht."

Nur Klub-Präsi Ibrahim Kizil hatte keine Lust, einen neuen Trainer zu suchen, und lehnte den Rücktritt ab. Gaziantep verlor aber auch gegen Mersin Idman Yurdu mit 0:2. Rücktritt? Nö: "Wir sind in einer verzwickten Situation, aber wir werden unseren Weg fortführen und weiterarbeiten", sagte Kafkas. Alles klar? Nö. Einen Tag später trudelte eine persönliche Pressemitteilung ein: "Ich trete zurück..."

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