Elfmeterbahce und andere Zoten

Von Cihan Acar
Steht in engem Kontakt mit Göztepe: Barca-Präsident Sandro Rosell
© Imago

Der Titelkampf spitzt sich zu: Fener marschiert, die Presse vermutet dahinter Verschwörungen und adligen Einfluss. Der neue Gala-Präsident verkündet einen unerwarteten Hoffnungsträger, und bei Genclerbirligi gibt es Ärger - beim Fußballtennis. Außerdem: ein türkischer Zweitligist steht in Transferverhandlungen mit dem FC Barcelona.

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Baron: Alle Krimifans und Freizeit-Detektive können aufatmen: in der Süper Lig geht das Verschwörungstheorien-Chaos weiter. Seit Wochen läuft das ja in etwa so ab: Fener gewinnt ununterbrochen, führt die Tabelle an und lacht sich einen ab, alle anderen führen die Tabelle nicht an und sind darüber nicht erfreut.

Vor allem in Trabzon sorgt die Dominanz und die lange Siegesserie von Fener (16 Siege in den letzten 17 Spielen) für viel Frust, da sie sich nicht gerade optimal mit den Meisterschaftsambitionen von Trabzonspor trifft, das zwar punktgleich mit dem Konkurrenten ist, am letzten Spieltag aber aufgrund des direkten Vergleiches auf einen Fener-Patzer hoffen muss.

Der Frust drückt sich in diesen Tagen vor allem in der Presse in Trabzon aus, die Spieltag für Spieltag wilde Verschwörungen "aufdeckt" und alles dafür gibt, den Grund für den Erfolg des Kontrahenten in einer Bevorzugung durch höhere Mächte zu finden.

Nach dem vergangenen Spieltag beschwerten sich die Tageszeitungen der Stadt daher heftig über die drei Elfmeter, die Fener beim 6:0 gegen Ankaragücü zugesprochen bekam und die Kapitän Alex alle lässig im gleichen Eck verwandelte.

"Elfmeterbahce war nicht auf unserer Rechnung", "Trabzon gewinnt auf dem Platz, verliert aber am grünen Tisch", und die besonders dramatische Version: "Wir kämpfen zwar weiter, doch die Fußball-Barone wollen Fener unbedingt zum Meister machen." Barone, sicher doch!

Die Sache mit den Elfmetern hat natürlich nichts mit der für eine Fußballmannschaft eher ungünstigen Gewohnheit der Ankara-Abwehr zu tun, die jeden gegnerischen Spieler, der es auch nur wagt, sich in den Strafraum zu begeben, sofort umholzt. Noch klarer wären die Elfer zwar nur dann gewesen, wenn irgendeiner aus der Gästeabwehr einen Baseballschläger ausgepackt hätte, aber trotzdem: Immer diese Barone!

Hoffnungsträger: Große Spannung herrschte am Sonntag bei allen Gala-Fans. Der neue Präsident Ünal Aysal, am Vorabend mit Rekordergebnis ins Amt gewählt und steinreicher Hoffnungsträger auf bessere Zeiten, sollte live im Fernsehen seine Pläne für die Zukunft des Vereins erklären.

Aysal hatte vor seinem Amtsantritt große und spektakuläre Transfers versprochen, und seit er nun der amtierende Präsident ist, schwirrt ein großer Name nach dem anderen durch die Presse.

Doch die Zuschauer, die gespannt auf die Transfer-News aus erster Hand warteten, musste sich erst einmal rund eine Stunde gedulden, in der sich Aysal allen möglichen anderen Themen widmete: seinem Werdegang ("Habe schon mal in der Schweiz studiert"), seinem Vorgänger Adnan Polat ("Wenn er seine Sache anständig gemacht hätte, wäre ich gar nicht hier"), der Gala-Basketballabteilung ("Die haben gegen Besiktas gewonnen? Freut mich!"), aber lange Zeit keinen Sensationstransfers.

Doch dann war es endlich soweit. Aysal wurde auf seine Wunschtransfers angesprochen und war bereit, Namen bekannt zu geben. Wen würde er nennen? Wer wird der neue Gala-Hoffnungsträger sein? Würde er vielleicht Didier Drogba sagen? Hamit Altintop? Die Antwort: "Elmander." Johan Elmander? "Ja. Den wollen wir sehr."

Nichts gegen Herrn Aysal und nichts gegen den 29-jährigen Schweden und seine zehn Saisontore für die Bolton Wanderers, aber einen Wundertransfer zu versprechen und dann Johan Elmander zu präsentieren ist ungefähr wie einem Kleinkind ein Eis zu versprechen und kurz darauf aufzutauchen mit den Worten: "Hier, Kleiner, Sauerkraut! Lass es Dir schmecken."

Fußballtennis: Doch genug von Verschwörungen im Meisterschaftsrennen und von vermeintlich großen Verkündungen im Fernsehen, denn wir haben natürlich nach wie vor auch ein Herz für die kleineren Teams der Liga und für das Geschehen abseits des Rampenlichts.

Werfen wir daher zur Abwechslung mal einen kurzen Blick nach Ankara, genauer zum Tabellendreizehnten Genclerbirligi, bei denen sorgt nämlich eine Auseinandersetzung im Mannschaftstraining am Sonntag für Schlagzeilen.

Zum Warmmachen spielte die Mannschaft eine lockere Runde Fußballtennis, und kurz darauf gingen die Spieler Yasin Öztürk und Orhan Sam aufeinander los. Was war passiert? Orhan hatte beim Aufschlag einen eigenen Stil entwickelt, und dieser unterschied sich anscheinend so sehr vom Stil der anderen, dass sich Yasin heftig darüber beschwerte, worauf es dann heftig zwischen den beiden knallte.

Also jetzt mal ehrlich, Männer, ihr habt Probleme. Da mach wir einen auf "Herz für kleine Teams" und gönnen euch einen kostbaren Teil unserer Kolumne und was ist die Story, die ihr liefert? Zwei sich kloppende Spieler wegen der Art und Weise eines Aufschlages beim Fußballtennis... Wir sagens gleich dem Baron!

Verhandlung: Und trotzdem gehen wir diesmal noch eine Etage tiefer, und zwar zum bisherigen Drittligisten Göztepe, der sich vor kurzem die Meisterschaft und damit den Aufstieg in die zweite Liga gesichert hat.

Doch die zweite Liga scheint nur Durchgangsstation für den ambitionierten Aufsteiger zu sein, denn aktuell beherrscht folgender Bericht über den Verein die Schlagzeilen, dessen Titel schon recht spektakulär daherkommt: "Göztepe jagt Barcelona-Spieler!"

Im Artikel, der seine Informationen übrigens aus einer offiziellen Presseerklärung des Vereins bezieht, wird berichtet, dass sich Sportdirektor Ali Gültiken zusammen mit Barca-Präsident Sandro Rosell das letzte Saisonspiel des FC Barcelona gegen Deportivo La Coruna angesehen und sich dann mit Rosell in der Halbzeit über Barca-Spieler unterhalten habe, die Göztepe verpflichten könne.

Hört sich vielleicht nach einem viel zu späten Aprilscherz an, ist aber völlig ernst gemeint, wie der letzte Satz des Berichts verrät: "Die Verhandlungen sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden." Wer also vor den weiteren Verhandlungen auf dem aktuellen Stand sein will und wissen möchte, wie die erste Verhandlung genau verlaufen ist: ALLES SÜPER war exklusiv dabei.

Gültiken (setzt sich auf der Ehrentribüne neben Rosell): Tag, Herr Rosell, schönes Spiel, nicht?

Rosell (schaut verwirrt): Wer sind Sie?

Gültiken: Ali Gültiken, Sportdirektor von Göztepe.

Rosell (tut so, als wisse er, wer oder was Göztepe ist): Ah. Freut mich.

Gültiken: Mich auch. Und, wie siehts aus, könnte ich einen von euren Spielern verpflichten?

Rosell: Bitte?

Gültiken: Der David Villa schwächelt doch ziemlich diese Saison, bei uns könnte der sich wieder Selbstvertrauen holen...Vor 3000 Zuschauern hätte er auch weniger Druck.

Rosell: (immer noch verwirrt): Und Sie kommen aus Göz...?

Gültiken: Göztepe! Wir waren 1969 im Halbfinale des Messepokals.

Rosell (tut so, als wisse er, was der Messepokal ist): Alles klar. Aber tut mir leid, keine Chance.

Gültiken: Kommen Sie schon, wir werden uns doch einigen können...(zeigt auf einen vorbeilaufenden Mann im Barca-Trainingsanzug) Wie wärs mit dem da? Der sieht doch aus wie ein echter Knipser! (Rennt zu dem Mann, schüttelt ihm die Hand und quatscht ihn voll).

Rosell: Halt, nein! Das ist unser Masseur.

 

Fortsetzung folgt...

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