Hauptdarsteller im falschen Film

Von Fatih Demireli
Darius Vassell spielte 17 Mal für die englische Nationalmannschaft
© Imago

Darius Vassell ist vor der Saison etwas überraschend von England in die Türkei gewechselt. Dort wurde er wie ein Volksheld empfangen. Doch bisher war sein Gastspiel geprägt von Turbulenzen und Kuriositäten. In seinem Blog schreibt der Ex-Nationalspieler Englands über seine bedenkliche Gefühlslage.

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"Ich fühle mich wie im Film. Ich bin der Hauptdarsteller, der von seiner Familie in den Krieg verabschiedet wird. Im Hintergrund läuft traurige Musik, die Zuschauer essen Popcorn."

Die Preisfrage bei "Jeopardy" würde in diesem Fall "wie fühlt sich Darius Vassell bei Ankaragücü?" lauten.

In Ankara geht nichts mehr

Sein Wechsel zu Saisonbeginn von Manchester City zum türkischen Hauptstadtklub überraschte nicht nur in England die Experten. Die Fans in Ankara gerieten in Ekstase, als ihr Verein, der seit Jahren ein trostloses Dasein in der Süperlig fristete, die Verpflichtung eines Ex-Nationalspielers aus England bekannt gab.

Bevor Vassell überhaupt einen Fuß auf türkischen Boden setzte, gab es schon Fanlieder, Webseiten und Utensilien rund um den 29-Jährigen. Als Vassell nach langem Hin und Her dann wirklich in Ankara landete, ging in der Hauptstadt überhaupt nichts mehr.

300 Autos verfolgen Vassell

Über 3.000 Fans empfingen ihren neuen Superstar am Flughafen. Die anderen Passagiere, die aus England in die türkische Hauptstadt reisten, mussten an einem gesonderten Ausgang auschecken, Vassell selbst konnte nur mit extremer Verzögerung zum wartenden Auto des Präsidenten gebracht werden.

Auf dem Weg zum Klubgelände bildeten die Fans kurzerhand einen 300 Autos starken Konvoi - an diesem Tag kam der Straßenverkehr im sonst eher beschaulichen Ankara komplett zum Erliegen. Und heute, wenige Monate später? Die Antwort gibt es ganz oben - es ist ein aktueller Eintrag aus dem Blog Vassells.

Chaos bei Ankaragücü

Darius Vassell ist zwar immer noch Everbody's Darling, aber die Chaostage bei seinem Klub haben Spuren hinterlassen. Dass Vassell seit Juli zwei Vorstände, drei Trainer und 38 Teamkollegen kennenlernen durfte, sagt viel über das Unheil aus.

Schon vor der Saison ging es los. Die Chefs von Ankaraspor, Oberbürgermeister Melih Gökcek und Sohn Ahmet wollten sich mit Ankaragücü, das im Gegensatz zu Ankaraspor Tradition und Fans zu bieten hat, zusammenschließen.

Die halbe Mannschaft wechselt

Der Verband lehnte aufgrund der Kurzfristigkeit ab, dennoch ließ sich Ahmet Gökcek zum neuen Präsidenten Ankaragücüs wählen, obwohl er bei Ankaraspor noch als Sportchef im Amt war.

Der Verband sperrte Gökcek daraufhin für fünf Monate und warf Ankaraspor aus der Liga. Zu einem Zusammenschluss kam es quasi aber doch noch. Ankaragücü verpflichtete fast die halbe Mannschaft des Lokalrivalen. Dazu Personal, Funktionäre - bis hin zum Chauffeur.

Raus aus dem Hotel

Das Tagesgeschäft geriet dabei in den Hintergrund. Da der Klub es vergessen hatte, die Rechnung zu bezahlen, warf ein Hotel Vassell einfach raus. Das Bild, als Vassell mit einem Atatürk-Porträt und einem Rollkoffer ratlos vor dem Hotel stand, ist fast schon legendär. Sportlich lief es nicht besser, Vassell brachte es gerade Mal auf drei Saisontore.

Zum Trainingsauftakt in Antalya war Vassell nicht erschienen. Spekulationen, wonach der Engländer nicht mehr zurückkehren will, geisterten durch Ankara. Vielmehr stellte sich aber heraus, dass Vassell wegen privater Probleme in die Heimat musste.

Wogen glätten sich

Die Rückkehr soll bald erfolgen. "Man kann nicht sagen, dass Darius wirklich glücklich ist, aber er wird zurückkehren und dann hoffentlich einen Neuanfang starten. Wir mögen ihn sehr", sagt Ankaragücüs neuer Sportdirektor Ender Yurtgüven.

Die Wogen beim Klub, der in diesem Jahr sein Hundertjähriges feiert und zuletzt auch Ex-Chelsea-Profi Nijtap Geremi verpflichtet hat, haben sich geglättet. Die neue sportliche Führung um Gökcek, der nun endgültig Präsident des Klubs ist, hat für Ruhe gesorgt. Gute Voraussetzungen für einen Aufschwung bei Ankaragücü. Und damit bei Vassell...

Wieder ein Blog-Eintrag

Ein Eintrag in seinem Blog lässt aber Zweifel übrig: "Das kalte Wetter in London erinnert mich daran, dass ich in der Türkei meinen Ankaragücü-Schal tragen sollte. Doch sobald ich ihn trage, kommt er mir zu fest vor. Ist das eine Metapher oder bin ich zu empfindlich?"

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