Der Stolz von Anatolien

Von André Tucic
Sivasspor will die Domäne der Istanbuler Klubs in der türkischen Süper Lig durchbrechen
© Imago

Seit 25 Jahren wurde neben Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray Istanbul kein anderer Klub türkischer Meister. Sivasspor will das nun ändern.

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Sivasspor, ein Klub aus dem Osten Anatoliens, stellt die Verhältnisse in der Turkcell Süper Lig auf den Kopf.

"Uns wurde eine Mission auferlegt. Wir wollen zeigen, dass anatolische Menschen etwas erreichen können", so Bülent Uygun, 37-jähriger Trainer der Rot-Weißen.

2004: Aufstieg in die Süper Lig

Er fasst zusammen, was eine ganze Region erhofft: Endlich mal den drei großen Klubs aus Istanbul ein Bein stellen, haben die doch die Meisterschaft in den letzten 25 Jahren unter sich ausgemacht.

Einzig Trabzonspor konnte in der 50-jährigen Geschichte des türkischen Vereinsfußballs neben Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray Istanbul den Titel gewinnen, zuletzt 1984.

Nur 17 Jahre zuvor wurde in Sivas ein Fussballklub gegründet. Noch vor neun Jahren spielte man auf Amateurebene, erst 2004 gelang der Aufstieg ins Oberhaus.

Seither geht es stetig nach oben: In der ersten Saison noch Achter, wurde man ein Jahr später Siebter. Im letzten Jahr war Sivas Herbstmeister und beendete die Saison als Tabellenvierter.

Sivasspor will Geschichte schreiben

Nun erscheint der Underdog reif genug für die Sensation. Die Anatolen wurden erneut Herbstmeister, stehen im Pokal-Halbfinale und behaupten den Spitzenplatz hartnäckig.

"Die großen Spiele, die wir letztes Jahr verloren haben, gewinnen wir jetzt", schwärmt Präsident Mecnun Otyakmaz.

Neben Abwehrspieler Fabio Bilica, der 2004/05 15 Spiele für den 1. FC Köln machte, ist der dreifache Nationalstürmer Mehmet Yildiz wichtigste Stütze der Mannschaft. Der 27-jährige Kapitän erzielte bislang zwölf Saisontore.

Der Klub kann weder auf ein gefülltes Bankkonto noch auf eine ruhmreiche Historie verweisen, erfreut sich aber einer treuen Anhängerschaft. Denn Sivasspor ist der Stolz von Anatolien.

Das "4 Eylül Stadi" wird dieser Tatsache jedoch nicht gerecht, gerade einmal 15.000 Zuschauer finden Platz in dem rustikalen Stadion. Aber schon bald könnte hier türkische Fußballgeschichte geschrieben werden.

Trainer Uygun: Stehen nicht zufällig oben

Schon in der vergangenen Saison wäre es fast soweit gewesen. Ein Sieg gegen Galatasaray am vorletzten Spieltag hätte mit großer Wahrscheinlichkeit die Meisterschaft bedeutet, aber die Uygun-Schützlinge verloren in einem denkwürdigen Spiel mit 3:4 und mussten sich eine Woche später im direkten Vergleich mit Fenerbahce und Besiktas mit dem UEFA-Cup begnügen.

Dieses Jahr soll mindestens die Champions-League-Qualifikation gepackt werden, wenn nicht sogar die Meisterschaft. "Jedem ist inzwischen klar, dass wir nicht zufällig oben stehen", sagt Trainer Uygun. Ihm ist es wohl am meisten zu verdanken, dass Sivas seit gut zwei Jahren die Liga aufmischt.

Der frühere Stürmer von Fenerbahce war zunächst Manager und später Trainer der Mannschaft. Er gilt als großer Motivator, der seine Spieler öffentlich nie kritisiert.

Seine Spieler nennen ihn ehrfürchtig "General". "Wir sind seine Soldaten", sagt Kapitän Yildiz ohne mit der Wimper zu zucken. Er meint es ernst.

Hin und wieder wird Uygun mit Nationaltrainer Fatih Terim verglichen. Beide sind extrovertierte Typen, beide fußballverrückt. Terim wurde viermal mit Galatasaray Meister, Uygun will es ihm bald nachmachen.

Duell mit Trabzonspor soll Meisterstück werden

Am Sonntag kommt es zum Duell mit Trabzonspor, dem Tabellendritten der türkischen Süper Lig. "Sollten wir gewinnen, sind wir zu 80 Prozent Meister", sagt Uygun.

Wer in der vergangenen Saison noch über derartige Aussagen schmunzelte, nimmt sie nun ernst.

Vor allem die Konkurrenz aus Istanbul...

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