Und plötzlich ist alles anders

Von SPOX
Der FC Barcelona konnte im Santiago Bernabeu drei Punkte entführen
© getty

Der FC Barcelona hat mit seinem 3:2-Sieg im Clasico gegen Real Madrid wieder Spannung in das Titelrennen gebracht. Die Partie zeigte manchen Knackpunkt beider Vereine auf.

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Es wäre so wunderbar einfach gewesen. Real Madrid spielt Unentschieden im Clasico und behält den Abstand zu Verfolger FC Barcelona. Dieser ist in dieser Saison in den entscheidenden Momenten einfach nicht zu gebrauchen. Glücklicherweise geht Trainer Luis Enrique im Sommer.

So der Stand der letzten regulären Minute. Dann kam dieser Lionel Messi und stellte alles auf den Kopf. Plötzlich sind die Königlichen nicht mehr die Mannschaft, die auf jede Fragestellung eine Antwort findet und komme sie noch so spät. Und plötzlich ist auch Barcelona gar nicht mehr so einfach zu beurteilen.

90 Minuten und ein paar mehr haben viel verändert in Spanien. Und in Katalonien. "Hay Liga" titelt die AS am Tag nach dem Clasico etwa, was sinngemäß so viel heißen soll wie "es gibt wieder ein Titelrennen." Barca steht wieder punktgleich mit Real an der Spitze, wenngleich die Hauptstädter ein Spiel weniger aufweisen.

Angst vor der Ramos-Sperre

Und wie schon Sergio Ramos nach dem Clasico anmerkte: "Ich werde in diese Polemik nicht einsteigen. Wir müssen jetzt nach vorne schauen, wir haben schwere Tage vor uns." Ruhe bewahren ist angesagt im Lager von Real. Die Meisterschaft liegt in der eigenen Hand, gar das große Double ist möglich.

Doch geschenkt wird dem Team von Zinedine Zidane nichts. Die Spiele gegen Atletico Madrid werden Kraft kosten, selbst, wenn der Reiseweg nur sehr gering ist. Zudem stehen Spiele gegen Valencia und Sevilla an, das Nachholspiel findet bei Favoritenschreck Celta Vigo statt.

Fehlen wird Ramos nach seinem Platzverweis im Clasico mindestens gegen Deportivo La Coruna. Eher aber länger. "Ich hoffe, dass sich die Liga das Applaudieren genau ansieht", hatte Barca-Sportdirektor Robert nach dem Clasico angedeutet, was man im Hause der Königlichen befürchtet. Neymar wurde für ähnliche Szenen für drei Spiele gesperrt.

Barcelona mit leichterem Restprogramm

Wann mit Pepe und Raphael Varane die etatmäßigen Innenverteidiger aus ihrer Verletzungspause zurückkehren, ist noch offen. Wie lange Gareth Bale brauchen wird, um sich von seiner erneuten Verletzung zu erholen, steht ebenfalls noch in den Sternen. Zidane wird Lösungen finden müssen.

Das hat der Franzose in dieser Saison schon oft erfolgreich getan. Es wird an Barcelona sein, den Druck im Meisterschaftsrennen anzuziehen und nicht derart schleifen zu lassen wie in den letzten Wochen. Für die Katalanen geht es noch gegen Villarreal und ins schwierige Derby bei RCD Espanyol.

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Der Rest der Partien muss für Barcelona jedoch - eigentlich genauso wie Villarreal und Espanyol - eine Pflichtaufgabe sein. Die Belastung ist mit dem Aus in der Champions League deutlich abgefallen, das Team ist fit und hat derzeit keine entscheidenden Verletzungen zu beklagen.

Das kleine Dorf namens Barcelona

"Sie haben versucht, Barcelona die Liga zu stehlen. Aber sie haben es nicht geschafft", meint Lluis Mascaro von der katalanischen Zeitung SPORT. Er nimmt Bezug auf die, für ihn fälligen, Platzverweise gegen Casemiro und Marcelo. Auf die, für ihn, ungerechtfertigte Sperre gegen Neymar.

Barca habe derart mutig gekämpft, wie es Schutzpatron Sant Jordi gegen den Drachen einst am 23. April getan haben soll. Ganz so heroisch war es nun nicht. Und der Schiedsrichter versuchte auch nicht, Real mit seiner Güte zum Sieg zu verhelfen. Doch das Bild, das man in Barcelona malt, ist klar.

Katalonien gegen Spanien, praktisch das kleine gallische Dorf gegen das römische Reich. Das war schon immer politisches Thema im Clasico, angesichts jüngster politischer Entwicklungen aber in den letzten Jahren selten so angesagt wie in diesem Frühling 2017.

Abhängigkeit von individueller Klasse

In diese Kerbe schlug auch Gerard Pique nach dem Spiel. Unnachgiebige, eigentlich hätte er wohl gerne unparteiische gesagt, Schiedsrichter sei man eben nicht gewohnt in Madrid, so der Verteidiger im Anschluss an die Partie. Es folgten diverse Provokationen per Twitter in Richtung des Hauptstadtlagers.

All dieser Lärm täuscht allerdings über eines hinweg: Barca und Real veranstalteten auf dem Rasen des Santiago Bernabeu ein Spektakel. Ein Spektakel jedoch, das geprägt war von individueller Klasse, das von Seite zu Seite raste und nichts mehr gemein hatte mit den taktischen Leckerbissen der Ära Jose Mourinho vs. Pep Guardiola.

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Zwei der größten Mannschaft der Welt sind derzeit ausgelegt auf die individuelle Klasse ihrer Topstars. Barca verteidigte phasenweise wild, Marc-Andre ter Stegen war nicht nur einmal der Retter in höchster Not. Das Mittelfeld wurde auf beiden Seiten rasend schnell überspielt.

"Zu viele Chancen verschenkt"

Luka Modric, Toni Kroos, Andres Iniesta und Sergio Busquets konnten dem Spiel kaum ihren Stempel aufdrücken. Der Lauf von Rechtsverteidiger Sergi Roberto vor dem 3:2 durch Messi einmal quer durch das Mittelfeld sollte als Beweisführung genügen.

Das ermöglichte letztlich das Spektakel auf dem Platz, liefert aber auch eine Erklärung für die bisherige Saison von Barcelona. Und Real? Dort lieferte Zidane eine Erklärung: "Wir haben viel zu viele Chancen verschenkt. Wir hatten so viele Chancen in so vielen Spielen und sie nicht genutzt."

Real tut sich in dieser Saison oft schwer, hochkarätige Chancen herauszuspielen, gegen Barcelona war dies jedoch nicht der Fall. Sie wurden schlicht vergeben. So bedient sich Zidane letztlich einfacher Fußball-Rhetorik, um seine Männer weiter bei der Stange zu halten: "Nichts wird sich jetzt verändern. [...] Es ging nicht darum, die Liga zu entscheiden. Ob Sieg, Unentschieden oder Niederlage."

Nur keine Höhenangst

Das ist soweit richtig. Noch ist nichts passiert. Aber Barcelona hat vorerst die Grundlage gelegt, um etwas passieren zu lassen. Inwiefern das Team in den nächsten Wochen angreifen wird, wird sich zeigen. Als gesichert darf gelten, dass Trainer Luis Enrique mit dem bisherigen Verlauf seiner Abschiedstournee noch nicht zufrieden ist.

Das Finale der Copa del Rey wird er gegen Deportivo Alaves ebenso gewinnen wollen wie die Liga. Der erste Schritt dafür ist getan, nur darf nun kein Patzer mehr erfolgen. Spieltag für Spieltag muss der Druck auf den Tabellenführer bestehen bleiben.

Eben jener Tabellenführer wird sich bemühen, nicht nach unten zu sehen. Höhenangst wäre das Letzte, was das Team jetzt auf dem Weg zur 33. Meisterschaft der Vereinsgeschichte gebrauchen könnte. Der Druck ist mit Hinblick auf den letzten Triumph aus der Saison 11/12 ohnehin schon groß genug.

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