Saufen bis in die Champions League: Der Betis-Wahnsinn in Spanien

Von Fatih Demireli
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© getty

Real Betis fristete jahrelang ein trostloses Dasein im Schatten vom Lokalrivalen Sevilla. Doch seit der Ankunft von Trainer-Veteran Manuel Pellegrini ist der Klub auf der Fußball-Karte zurück und spielt nun um die Champions League. Dabei begann alles mit einem Kater.

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Es gibt ja viele Gründe, dass ein Profi das Fußballspiel seiner Mannschaft verpasst. Verletzungen sind die häufigste Ursache, gefolgt von Sperren oder kurzfristigen Erkrankungen. Seit zwei Jahren ist leider die Quarantäne hinzugekommen. Familiären Gründen ist man auch schon oft begegnet, wenn beispielsweise die Geburt des Kindes ansteht.

Bei Joaquin Sanchez Rodriguez, den die Fußballwelt als Joaquin kennt, war es am 21. Juli 2021 ein anderer Grund, warum er das Vorbereitungsspiel von Real Betis gegen die Wolverhampton Wanderers nicht antreten konnte. Der Klub gab als Grund resaca an. Joaquin habe einen Kater.

Der Mann aus Cadiz feierte tags zuvor seinen Geburtstag mit vielen Freunden und noch mit viel mehr Drinks und da es der 40. Geburtstag von Joaquin war, musste dieser gebührend gefeiert werden und da dauert es einfach, bis man aus dem Hangover herauskommt. Die um die 40-Jährigen können dies sicher bestätigen.

Manuel Pellegrini: Höchste Siegquote der Geschichte

In vielen Fußballländern wäre das ein gefundenes Fressen, wenn bei einem Klub die Krise einsetzt und man Gründe aufzählen muss, warum das so ist. Aber nicht bei Betis: Zum einen ist Joaquin eine viel zu große Klub-Legende, dass man ihn als Krisengrund aufzählen kann und zum anderen spielt der Klub aus Andalusien eine spektakuläre Saison.

Nach 20 Spieltagen rangieren die Grün-Weißen auf Platz 3 und dürfen von der Champions League träumen. Es ist die nächste Stufe einer beachtlichen Entwicklung und es ist angebracht an dieser Stelle Manuel Pellegrini (68) ins Spiel zu bringen.

Der Chilene übernahm den Klub im Sommer 2020 - nach vielen Jahren trostlosen Daseins und einem Abstiegskampf in der Saison zuvor, brauchte es eine neue Idee für Betis. Pellegrini baute den Kader aber nur punktuell um: keine teuren Transfers, kein medienwirksamer Komplettumbau. Vielmehr vertraute er seiner Erfahrung und analysierte, was die Mannschaft benötigt, um ihre Stärken auszuspielen. Analysieren, erkennen, umsetzen. Ein echter "Ingenieur" eben, wie er seit jeher genannt wird.

Pellegrini kam bei seiner Analyse zum Ergebnis: noch mehr Mut zur Offensive. Der Südamerikaner befreite die Mannschaft aus ihren Fesseln und ließ sie nach vorne spielen. Und siehe da: Die Siegquote des Klubs unter Pellegrini steht bei 52 Prozent. So hoch wie noch nie in der Geschichte. Im Jahr 2021 gewann Betis 29 Pflichtspiele - auch das ist ein Rekord.

Pellegrini, Canales, Fekir: Die Betis-Stars verlängern

In der Vorsaison sprang ein sehr guter sechster Platz heraus, nun der Kampf um die Königsklasse. In der Europa League setzte sich Betis in der Gruppe mit Bayer Leverkusen durch - auch in der Copa del Rey ist man im Rennen. Pellegrini: "Die erste Hälfte des Jahres zeigte uns, dass wir auf dem Weg zur Europa League sind. Die zweite Hälfte des Jahres zeigt uns die Champions League. Es war ein gutes Jahr, aber wir müssen natürlich zu Ende bringen."

Pellegrini wirkt in seiner Mimik und Artikulation manchmal etwas langweilig bis schwerfällig. Der Chilene ist jedoch alles, aber keine Spaßbremse. Wie sonst würde er den Joaquin-Ausfall einfach weglächeln. Und offenbar hat auch die Mannschaft Lust auf Pellegrini und Betis. Vor dem Jahreswechsel verlängerte mit Sergio Canales ein Eckpfeiler der Mannschaft seinen Vertrag langfristig. Nabil Fekir, dessen Wechsel zu Betis 2019 die ganze Welt überraschte, hat sich nun auch langfristig an den Klub gebunden.

Die wichtigste Unterschrift erfolgte aber mit der vorzeitigen Verlängerung Pellegrinis, der bis 2025 unterschrieb. Da der Klub offenbar ahnt, dass der Erfolg Begehrlichkeiten wecken wird, baute man eine Ausstiegsklausel von knapp sechs Millionen Euro ein. Aber Pellegrini macht auch keine Anstalten zu gehen. Hier darf er in Ruhe arbeiten, die Entscheider Angel Haro, Lopez Catalan und Antonio Cordon stehen hinter ihm und machen ihren Trainer glücklich.

Bellerin ließ Datenunternehmen über Wechsel entscheiden

Auch Hector Bellerin, der zu Saisonbeginn auf Leihbasis von Arsenal kam, ist sehr glücklich. Nicht nur, weil seine Familienmitglieder knallharte Betis-Fans sind, sondern weil er ein Umfeld gefunden hat, indem er gern Fußball spielt. Dass er auch sportlich funktioniert, war im Sommer 2021 nicht dem Zufall überlassen. Bellerin beauftragte eine Datenanalysen-Unternehmen, um herauszufinden, welcher Klub zu ihm passt, wo er viele Spiele machen kann und seine Stärken am besten einsetzen kann. Das Unternehmen präsentierte ihm das Ergebnis: Real Betis. Es war gut angelegtes Geld, denn Bellerin spielt auf hohem Niveau und hilft der Mannschaft in ihrem Offensivstil als forscher Außenverteidiger.

Und Bellerin kann sich längst vorstellen, noch länger zu bleiben. "Es ist eine unfassbare Energie im Stadion, die wirklich schwer zu beschreiben ist. Es ist toll, hier in dieser Atmosphäre zu spielen. Die Fans haben großen Respekt vor den Spielern und herrscht eine große Liebe zum Klub."

Nach all den Jahren im Schatten des Stadtrivalen FC Sevilla, der nach Belieben Champions League spielte oder die Europa League gewann, ist das Selbstwertgefühl der Verdiblancos wieder hergestellt. Erreicht man zu Saisonende dann wirklich die Champions League, es wäre das erste Mal in der Geschichte, kann man sich die Feier in der Stadt gar nicht vorstellen. Nur eines ist klar. Am nächsten Tag würden sich alle abmelden: resaca.