FC Barcelona - Toni Freixa im Interview: "Messis Verhalten ist enttäuschend"

Lionel Messi unterlag mit dem FC Barcelona dem FC Bayern im Viertelfinale der Champions League mit 2:8.
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Die meisten Barca-Fans hätten nichts dagegen, würde Bartomeu schon jetzt seinen Posten räumen. Wie bewerten Sie seine Leistungen als Präsident?

Freixa: Er wird als Verlierer gehen, das ist spätestens nach den jüngsten Geschehnissen unvermeidlich. Ich habe ihn aber als verantwortungsbewussten Menschen kennengelernt. Nicht alles war schlecht. Er hat die Marke FC Barcelona nachweislich gestärkt und sich sehr für die Stiftung eingesetzt, die aus meiner Sicht sehr wichtig für die Außendarstellung des Vereins ist. Man darf zudem nicht vergessen, dass die Mannschaft unter ihm mehr Titel gewann als beispielsweise unter seinem Vor-Vorgänger Joan Laporta. Viele sehen das nicht. Aber es ist ein bedeutender Verdienst Bartomeus, auch wenn man zugeben muss, dass die Mannschaft schon vor seiner Ankunft im Wesentlichen zusammengestellt wurde. Sein großer Fehler war, die Mannschaft nach dem Triple-Sieg 2015 nicht weiterzuentwickeln.

La Masia, die berühmte Talentschmiede, wurde schon seit dem Abschied von Guardiola nach und nach vernachlässigt.

Freixa: Die Leute müssen akzeptieren, dass es eine Ära wie unter Pep kein zweites Mal mehr geben wird. Das war einmalig, die glorreichste Zeit in der Geschichte von Barca. Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass in den vergangenen Jahren zu wenige Talente aus dem eigenen Nachwuchs den Durchbruch geschafft haben. Darauf gilt es in Zukunft wieder mehr Wert zu legen.

Falls Sie gewählt werden würden: Wie sähe ihr Barca aus?

Freixa: Es gefällt mir nicht, Namen zu nennen. Mein Ziel wäre, eine ähnliche Ära ins Leben zu rufen wie unter Pep. Die Vergangenheit ist zwar nicht wiederholbar, der Verein muss aber zurück zu seiner Basis. Er benötigt eine Spielphilosophie, die sowohl in den Jugendmannschaften als auch in der Profimannschaft praktiziert wird. La Masia verdient eine bedeutendere Rolle als aktuell. Der Kader muss aus Weltklassespielern bestehen und aus Spielern, die Weltklassespieler werden können. Hier kann sich Barca auch eine Scheibe vom neuen Champions-League-Sieger abschneiden.

Freixa: "Begeistert" von Kimmich, Goretzka und Werner

Inwiefern?

Freixa: Schauen Sie sich doch den Kader des FC Bayern an. Spieler wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Serge Gnabry oder Alphonso Davies stammen nicht aus der eigenen Jugend, sondern wurden rechtzeitig gescoutet und verpflichtet, bevor sie auf Top-Niveau waren. Dadurch sparte der Verein viel Geld und bekam junge, hungrige Spieler, die sich entwickeln wollten - und konnten. Wenn ich Präsident wäre, würde ich ein besonderes Augenmerk auf das Scouting und auf die Entwicklung solcher Spieler legen. Das hat bei uns mit Marc-Andre ter Stegen ja auch schon hervorragend funktioniert.

Welchen Stellenwert hat ter Stegen in Barcelona?

Freixa: Jeder liebt ihn. Er ist ja nicht nur einer der besten Torhüter, die es aktuell gibt, sondern ein ganz feiner Mensch. Ich kenne wenige ausländische Spieler, die sich so gut integriert und die Sprache gelernt haben wie er. Für mich ist er der wahre Kapitän der Mannschaft, weil er sich um seine Mitspieler kümmert und mit Leistung auf dem Platz vorangeht. Seine Verpflichtung war eine Meisterleistung von Andoni Zubizarreta, dem ehemaligen Sportdirektor. Ich kann mich noch erinnern, als wir Direktoren uns trafen, um über den Transfer zu beraten. Ter Stegen war damals sehr jung, um die 20, und wir waren natürlich ein wenig skeptisch, weil wir ihn nicht kannten. Dann zeigte uns Andoni ein Video und wir sahen, wie ausgereift sein Torwartspiel schon damals bei Borussia Mönchengladbach war. Wir hatten nach dem Treffen keine Zweifel mehr an seiner Verpflichtung. Neben seiner Klasse auf der Linie passte und passt seine Sicherheit am Ball perfekt zur Philosophie von Barca.

Welchen deutschen Spieler würden Sie noch gerne bei Barca sehen?

Freixa: Ich bin begeistert von Kimmich und dessen Spielintelligenz, aber auch von Goretzka, der mit seiner Physis und seiner Torgefahr jedes Mittelfeld der Welt weiterbringt. Man sollte sich aber keine Illusionen machen, der FC Bayern ist kein Verkaufsklub. Eine Verpflichtung von Timo Werner wäre realistischer gewesen, das hätte ich sehr interessant gefunden. Schade, dass er zum FC Chelsea gegangen ist.

Freixa: Koeman? "Einen solchen Trainer braucht es jetzt"

Was halten Sie von Ronald Koeman, dem neuen Barca-Trainer?

Freixa: Koeman ist ein Trainer mit Autorität, der sich nicht vor Veränderungen fürchtet. Einen solchen Trainer braucht es jetzt. Zumal Koeman unter den Barcelona-Fans sehr bekannt und beliebt ist, weil er uns 1992 mit seinem Tor im Wembley den ersten Europapokal beschert hat. Ich halte seine Verpflichtung für logisch und wünsche ihm, dass er seinen Vertrag mindestens erfüllt. Das würde nämlich bedeuten, dass Barca wieder Erfolg hat.

Und auf Koeman folgt dann Xavi?

Freixa: Das wäre eine Möglichkeit. Xavi macht gerade seine ersten Schritte als Trainer, er braucht noch Zeit. Die Frage ist nicht, ob er zurückkehrt, sondern wann.

Können Sie sich Guardiola noch einmal als Barca-Trainer vorstellen?

Freixa: Warum nicht? Pep hat ja einmal durchklingen lassen, dass er in Zukunft gerne die Nachwuchsakademie leiten würde, aber er wäre auch eine wunderbare Lösung für den Trainerposten der Profis. Wichtig ist, dass die Mannschaft wieder erfolgreichen und begeisternden Fußball spielt, dass nicht mehr so etwas passiert wie gegen Bayern.

Auch wenn derzeit jeder über Messi spricht, bleibt jenes 2:8 wohl noch jedem Barca-Fan lange in Erinnerung.

Freixa: Natürlich. Das Spiel hätte auch mit 14 Gegentoren enden können. Bayern hat uns über 90 Minuten entblößt, sämtliche Fehler und Versäumnisse der Mannschaft, aber noch mehr der sportlichen Führung in den vergangenen Jahren aufgezeigt. Es war das Ende vom Ende. Jetzt ist es an der Zeit für einen Neuanfang.

Der FC Barcelona in der Saison 2019/20

Spiele51
Siege32
Unentschieden10
Niederlagen9
Tore110
Gegentore57
Titel0
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