Die Pferdelunge von der Hinterbank

Lucas Vazquez hat gegen den FC Barcelona eine starke Vorstellung abgeliefert
© getty

In Abwesenheit des verletzten Gareth Bale hat sich bei Real Madrid nicht James Rodriguez in der ersten Elf festgespielt, sondern Lucas Vazquez. Dem Außenstürmer gelingt der Durchbruch in einem heutzutage ungewöhnlich hohen Alter.

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33 Spiele ist Real Madrid nun ungeschlagen. Doch jetzt neigt sich diese Serie dem Ende zu. Im heimischen Bernabeu liegen die Königlichen gegen Deportivo La Coruna mit 1:2 zurück. Und die Uhr tickt. Nicht einmal mehr sieben Minuten sind regulär zu spielen.

Dann schnappt sich Lucas Vazquez an der rechten Außenlinie das Leder. Er zieht vier, fünf Meter nach innen und flankt dann mit links butterweich an den Elfmeterpunkt. Dort kommt Mariano in vollem Tempo herangerauscht, gewinnt das Kopfballduell gegen Depor-Verteidiger Sidnei und bringt das Ding irgendwie halb mit der Schulter, halb mit der Stirn links im Kasten unter. Der wichtige Ausgleich.

In der 92. Minute ist es einmal mehr Sergio Ramos, dem das königliche Rampenlicht gehört. Mister Nachspielzeit köpft Real nach einer Ecke von Toni Kroos doch noch zum Sieg. Natürlich sind die Gazzetten am nächsten Morgen wieder einmal mit dem Gesicht des personifizierten Siegeswillen tapeziert. Ramos hier, Ramos da, Ramos wunderbar.

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Unbemerkt Stammspieler

Wieder einmal ein unbesungener Held des 34. Pflichtspiels ohne Niederlage ist Lucas Vazquez. Das passt ins Bild. Vazquez hat auch in den letzten Wochen selten für die ganz großen Schlagzeilen gesorgt.

Doch beinahe unbemerkt hat er sich in Abwesenheit des verletzten Weltstars Gareth Bale beim spanischen Tabellenführer festgespielt. Immer dabei und keiner wundert sich.

"Er spielt sehr gut und vor allem konstant", lobte Trainer Zinedine Zidane den Flügelstürmer zuletzt: "Immer wenn er die Gelegenheit hat zu spielen, ist er stark. Ich bin sehr zufrieden mit seiner Entwicklung."

Ein Eigengewächs tritt in die großen Fußstapfen von Gareth Bale und überzeugt. Und das nicht gegen irgendwen, sondern innerhalb kürzester Zeit in großen Spielen wie im Derbi madrileno gegen Atletico Madrid und im Clasico gegen den FC Barcelona. Eine märchenhafte Story eines kometenhaften Aufstiegs eines Youngsters. Möchte man zumindest meinen, wie über Vazquez gesprochen wird.

Kein Jungspund

Dabei stimmt allem voran der Eindruck nicht, dass es sich bei Lucas Vazquez um einen Jungspund handelt. Vielmehr steht der Rechtsaußen in einem heutzutage ungewöhnlich hohen Alter vor seinem Durchbruch: mit 25 Jahren.

Im Alter von 16 Jahren war Vazquez zu Real gewechselt, spielte bis zum Sommer 2014 jedoch nur für die Zweitvertretung. Zwar hatte er sich für höhere Aufgaben empfohlen und bei einigen Spielen der Saison 2013/2014 auf der Bank gesessen, für einen Einsatz in der A-Mannschaft hatte es noch nie gereicht.

Also machte Vazquez den Umweg über Barcelona. Ein Jahr auf Leihbasis bei Espanyol, starke Leistungen, 30 Startelf-Einsätze, dann die feste Verpflichtung bis 2019.

Blöd nur, dass Real eine Rückkaufklausel hielt und von dieser Gebrauch machte. Für den symbolischen Betrag von einer Millionen Euro holten die Königlichen Vazquez im Sommer 2015 zurück.

Karriere-Höhepunkt Champions-League-Finale

Unter Rafa Benitez nur hier und da Rotationsmasse, war die Beförderung von Zinedine Zidane wegweisend für den Außenstürmer. Von den letzten 17 Saisonspielen stand Vazquez bei 15 auf dem Platz. Sogar im Champions-League-Finale gegen Atletico durfte er 43 Minuten lang ran - und verwandelte obendrein den wichtigen ersten Elfer der Königlichen.

Am Ende stand La Undecima. Der elfte Königsklassen-Titel für Real. Mit einem Hinterbänkler in einer Hauptrolle. Das damit verbundene Rampenlicht spülte ihn in Spaniens EM-Kader - ohne dass er vorher jemals berücksichtigt worden wäre. Dank Zinedine Zidane.

Kein Wunder, dass der mittlerweile 25-Jährige in höchsten Tönen von seinem Förderer spricht: "Seine große Stärke ist es, dass er tagein tagaus arbeitet und ein enges Verhältnis zu seinen Spielern hat. Weil er selbst ein überragender Spieler war, weiß er ganz genau, worauf es ankommt. Er holt das Beste aus jedem Spieler heraus."

Atletico als Wendepunkt

Auch in der laufenden Saison könnte Atletico ein Wendepunkt für Vazquez sein. Karim Benzema wurde geschont und saß zu Beginn nur auf der Bank. Statt dem Franzosen stand nicht etwa 75-Millionen-Euro-Mann James Rodriguez in der ersten Elf, sondern Lucas Vazquez.

Und er machte seinen Job gut. So gut, dass sich zwei Wochen später beim größtmöglichen aller Saison-Highlights die Frage nach der Besetzung der rechten Außenbahn in Abwesenheit des verletzten Gareth Bale gar nicht erst stellte. Vazquez würde spielen, das war klar.

Starke Leistung im Clasico

Und er machte seinen Job wieder gut. Sehr gut sogar. Spanische Medien feierten ihn hinterher als einen der Schlüsselspieler. Mit 11,89 riss die Pferdelunge mit Abstand die meisten Kilometer aller Akteure ab. Der nächstfleißigste Spieler war Barcas Sergi Roberto mit 11,57.

Darüber hinaus brachte Vazquez 90 Prozent seiner Pässe an den Mann und lieferte mit vier Torschussvorlagen die meisten bei Real.

Auch bei zwei Schlüsselszenen des Clasico war Lucas im Mittelpunkt. Schon nach wenigen Minuten wurde er im Sechzehner durch Javier Mascherano zu Fall gebracht. Eine Szene, die eigentlich Elfmeter hätte geben müssen und weltweit diskutiert wurde. Es gab den Strafstoß nicht.

Ausgleichende Gerechtigkeit war, dass der Referee schließlich nicht abpfiff, als es Vazquez war, der bei Ramos' Last-Minute-Tor den Weg gegen Pique freisperrte.

Breitseite gegen BBC

Vazquez hat keine Angst vor großen Namen. Nicht beim Gegner, aber auch nicht im eigenen Team. Gegenüber Cadena Cope erlaubte er es sich, gegen das Traumtrio BBC aufzubegehren: "Ein Team basiert darauf, dass alle zusammenarbeiten. Bale, Benzema, Ronaldo und die zentralen Mittelfeldspieler müssen in der Defensive helfen, damit wir nicht so viele Gegentore bekommen."

Eine Aussage, die zum Arbeiter Lucas Vazquez passt. Er ist kein Zauberer wie etwa Bale. Er ist Pferdelunge, Zweikämpfer, ein unbesungener Held.

Klub-WM als Ziel - vorerst

Einer, der weitere Titel feiern will - und den ersten schon bald: "An Real Madrid herrschen immer die größtmöglichen Erwartungen. Das spürt man auch jeden Tag in der Kabine. Die Klub-WM steht vor der Türe und es ist unser kurzfristiges Ziel, diese zu gewinnen. Erst im Anschluss geht der Fokus wieder auf die anderen drei Wettbewerbe. Wir wollen sie alle gewinnen, dafür arbeiten wir jeden Tag."

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Am Donnerstag trifft Real bei der Klub-WM in Yokohama auf den mexikanischen Club America. Vazquez wird dann wohl auf dem Platz stehen.

Der Hype um den 25-Jährigen ist derzeit groß. Dabei bleibt abzuwarten, wie sich seine Einsatzzeiten entwickeln, wenn die erste Garde wieder komplett fit ist. Womöglich muss er danach wieder ein Hinterbänkler-Dasein fristen. Seine Visitenkarte hat er bei Zidane aber jedenfalls schon einmal abgegeben...

Lucas Vazquez im Steckbrief

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