"Die Welt hat ein Auge auf das Projekt"

Utz Claassen (l.) war Präsident bei RCD Mallorca
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SPOX: Die Mannschaft hat sich stabilisiert. In den ersten vier Spielen unter Soler gab es zehn Punkte, zuletzt allerdings zwei Niederlagen. Trotzdem sind die Playoffplätze noch in Reichweite, der Rückstand beträgt zwölf Spieltage vor Schluss neun Punkte.

Claassen: Die sportliche Situation hat sich insgesamt dramatisch verbessert, und wir haben eine Begeisterung in Palma und auf der ganzen Insel entfacht. In der Winterzeit haben wir vier herausragende Spieler geholt, drei davon mit Erstligaerfahrung, und mit Albert Riera sogar einen Akteur mit Champions-League-Erfahrung. Soler ist einer der angesehensten und beliebtesten Spieler der spanischen Geschichte. Er hat 504 Ligaspiele bestritten, unter anderem für Real Madrid, Barcelona, Atletico Madrid und Mallorca. Er leistet herausragende Arbeit. In der Summe haben wir in unserem Trainerstab sieben ehemalige spanische Spitzenspieler, so dass wir in der sportlichen Leitung hervorragend aufgestellt sind.

SPOX: Als Sportdirektor fungiert Miguel Angel Nadal. Wie groß ist sein Anteil am aktuellen Aufschwung?

Claassen: Sehr groß. Nadal ist der erfolgreichste und angesehenste Fußballer der Geschichte Mallorcas, er ist im Grunde der Beckenbauer Mallorcas. Das bezieht sich auf seine Leistungen, seine Kompetenz, sein Ansehen und seine Beliebtheit. Sie finden kaum einen Menschen auf Mallorca, der Nadal nicht zutiefst respektiert, mag und schätzt. An ihm lässt sich auch zeigen, wie sich die Dinge geändert haben. Wir holen heute nicht mehr Spieler per Zufall. Als wir in der Winterpause einen Mittelstürmer gesucht haben, hatten wir eine Liste von 24 Kandidaten, über die wir uns mehrfach ausgetauscht haben. Wir haben Informationen eingeholt über den Charakter und die Gesamtsituation, dann haben wir uns für einen entschieden. Die Zusammenarbeit mit Nadal ist eine Freude.

SPOX: Nadal hat acht Jahre für Barcelona gespielt, war Teil des Dream Teams von Johan Cruyff um Hristo Stoichkov, Romario und Pep Guardiola. Ist Barcas Philosophie auch ein Vorbild für Ihr Real Mallorca?

Claassen: Es geht im gesamten Verein um Professionalisierung auf allen Ebenen. Genauso wie wir im kommerziellen Bereich Finanzprofis, im Verwaltungsrat wirtschaftserfahrene und rechtserfahrene mehrsprachige Persönlichkeiten mit internationaler Expertise haben, haben wir in der sportlichen Leitung und im Team exzellente Sportler mit mallorquinischer Verankerung, die mehrheitlich eine breite Erfahrung in vielen Klubs vorweisen können. Sie alle haben eine große Strahlkraft. Ein Journalist hat mir neulich erzählt, sein Sohn spiele immer auf einem Bolzplatz. Bis vor wenigen Wochen wollten die Jungs Ronaldo, Messi oder Neymar sein. Jetzt eifern sie Xisco, Riera und Yuste, also Spielern von Real Mallorca, nach. Die Identifikation mit dem Verein hat sich bis hin zu den Kleinen geändert.

SPOX: Wir haben zu Beginn viel über Hannover 96 gesprochen. Der angesprochene Mix aus Experten im wirtschaftlichen Bereich und ehemaligen Spielern im sportlichen erinnert aus deutscher Sicht aber an den FC Bayern. Orientieren Sie sich an den Münchnern?

Claassen: Der FC Bayern ist einer der bestgeführten Vereine der Welt. Als 96er bin ich natürlich kein Bayern-Fan, habe aber tiefsten Respekt vor der Arbeit des Klubs, und mit Beckenbauer, Hoeneß und Rummenigge verbindet mich eine nette, freundschaftliche Bekanntschaft. Der FC Bayern ist ein exzellentes Beispiel, wie man altgediente Spieler zum Wohle des Klubs einbinden kann. Deshalb werden wir uns daran orientieren und das ganz ähnlich machen. Mallorca hat eine große Fußballhistorie mit großen Namen, und wir werden uns zur gegebenen Zeit bemühen, auch Spieler wie Samuel Eto'o an den Klub zu binden.

SPOX: Werden Sie bei Ihren Plänen auch auf deutsches Knowhow zurückgreifen? Sei es bei Spielern oder Trainern.

Claassen: Ich möchte für die kommende Saison einen deutschen und einen englischen Spieler verpflichten, die als Sympathieträger dienen können, weil das die Identifikation und das Interesse der Touristen stärken kann. Wir haben jährlich 13 Millionen Touristen auf der Insel, das ist ein unvorstellbares Potenzial. Wenn nur jeder 50. Urlauber ins Stadion käme, wäre jedes Spiel ausverkauft.

SPOX: Eine solch wechselnde Gesellschaft im Stadion könnte aber kontraproduktiv für die Identifikation mit dem Klub sein.

Claassen: Das Projekt verbindet mallorquinische Tradition, mallorquinische Historie, mallorquinische Fankultur mit dem riesigen Multiplikator Tourismus in einer internationalen und globalen Welt. Und diese beiden Dinge stehen in überhaupt keinem Widerspruch. Wir werden die Fankultur im 100. Jahr der Vereinsgeschichte genauso ehren und einbinden, wie wir neue Fans außerhalb der Insel dazugewinnen wollen. Vor einigen Wochen haben wir im Stadion den Kids Club eingeweiht, dort können die Kinder ab drei Jahren unter professioneller Aufsicht für die Dauer des Spiels abgegeben werden. In Palma haben wir einen neuen Fanshop direkt am Rathausplatz eingeweiht, weil wir in allen Bereichen der mallorquinischen Gesellschaft sichtbar sein wollen.

SPOX: Das Projekt funktioniert in der Primera Division sicher besser als in der Segunda, oder?

Claassen: Klar. Aber auch das sportliche Niveau der Segunda Division ist beachtlich. Es ist signifikant höher als in der wirtschaftlich stärkeren deutschen 2. Bundesliga. Die Segunda Division ist vielleicht die ausgeglichenste Liga der Welt, auf technisch erstaunlich hohem Niveau bei gleichzeitig kämpferisch hoher Intensität. Deshalb ist auch die Segunda attraktiv, aber alles, was auf Touristen und Internationalität abzielt, ist in der ersten Liga natürlich einfacher umzusetzen. Und deshalb ist für die Saison 2015/16 der Aufstieg das klare Ziel.

SPOX: Sie haben im SPOX-Interview 2010 gesagt, dass Real Mallorca eine europäische Marke und die dritte Kraft Spaniens hinter dem FC Barcelona und Real Madrid werden soll. Ist das noch immer Ihr langfristiges Ziel?

Claassen: Ja, klar. Palma ist die achtgrößte Stadt Spaniens. Von seiner kulturellen und geschichtlichen Bedeutung her zählt Palma wohl zu den fünf oder sechs bedeutendsten Städten Spaniens. Und wenn Sie sich Palma mit seinen logistischen Möglichkeiten, seiner Infrastruktur sowie seinen touristischen Potenzialen anschauen, dann liegt Palma im Herzen Europas und ist so gut vernetzt wie keine andere Stadt des Kontinents. Es gibt Direktflüge in 75 bedeutende Städte Europas, allein in 20 deutsche und fast so viel britische täglich. Das bieten nicht mal der Flughafen Frankfurt oder London Heathrow. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Palma alle infrastrukturellen Voraussetzungen hat, um langfristig einen Fußballklub zu entwickeln, der die dritte Kraft im spanischen Fußball werden kann. An dieser Einschätzung hat sich Nullkommanichts geändert. Allein: aus der zweiten Liga ist der Weg deutlich schwieriger, anstrengender und zäher als aus der ersten. Insofern haben die vier Jahre der Ära Serra Ferrer dem Klub nicht sonderlich gedient.

SPOX: Planen Sie auch die Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern, die in Ihre Pauschalreisen den Besuch eines Fußballspiels integrieren?

Claassen: Ganz eindeutig ja. Das geht aber in der Tat erst in der ersten Liga. Ein Wochenende auf Mallorca mit Messi und Neymar oder Ronaldo und Bale, verbunden mit zwei Tagen am Strand, für dieses Angebot gibt es zweifelsfrei einen Markt, und damit können Sie etliche Flieger voll machen.

Seite 1: Claassen über die Bedeutung seines Projekts und das Irrenhaus Mallorca

Seite 2: Claassen über die Ziele, Mallorcas Beckenbauer und den Vorteil Tourismus

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