Zeit, um Prinzipien zu brechen

Luis Enrique hat beim FC Barcelona das Steuer übernommen
© getty

Der FC Barcelona geht mit Luis Enrique nicht nur in eine neue Saison, sondern will auch die beiden letzten Jahre vergessen machen. Luis Suarez und Ivan Rakitic sind dabei nur ein kleiner Teil der neuen Planung.

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Lange hat man sich in der Vorstandsriege des FC Barcelona dagegen gewehrt, doch spätestens die letzte Saison unter Gerardo Martino scheint es endlich geweckt zu haben: Das Gefühl der Unterlegenheit. Das Gefühl, das einen dazu antreibt, Änderungen vorzunehmen, die eigene Komfortzone zu verlassen und unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Zwei Jahre lang hat Barca von dem gelebt, was Pep Guardiola in seiner Zeit aufgebaut hatte. Das System, die Spieler und die Herangehensweise wurden nur geringfügig geändert. Tito Vilanova sollte und wollte wohl auch nur einfach das weiterführen, was sein Vorgänger getan hatte. Martino brachte schließlich Änderungen mit sich, die jedoch Stück für Stück wieder fallengelassen wurden.

Die Mischung gefunden

Im dritten Anlauf soll es nun klappen. In Luis Enrique sehen die Cules endlich den Mann, den man sich schon vor Beginn der abgelaufenen Saison gewünscht hatte. Jemand, der den Mut und die Ausstrahlung mitbringt, Dinge umzuwerfen und neuzugestalten. Trotz seiner Barca-Vergangenheit ist Lucho nämlich bei weitem kein typischer Trainer, der den Weg auf die Trainerbank im Camp Nou findet.

Er selbst hatte damals bei seinem Abgang von der zweiten Mannschaft klargestellt, nicht an eine Rückkehr zu glauben. Dabei könnte Enrique die perfekte Mischung sein. Wer die ersten Einheiten in der vergangen Woche beobachtet hat, weiß, warum Spieler, die einst unter ihm gespielt haben, nur in höchsten Tönen von ihm sprechen. Marc Muniesa betitelte ihn als "geborenen Kämpfer." Er ist ein ganz anderer Trainertyp als Vilanova oder Martino.

Voller Energie, laut und jederzeit bereit dazu, in das Feld zu stürmen und seine Spieler zu korrigieren, wirkt er wie das Gegenstück zu seinen ruhigen, abwartenden und oft stoisch wirkenden Vorgängern. So könnte er das Gesicht des Barcelona werden, das er in Zusammenarbeit mit dem oft und hart kritisierten Sportdirektor Andoni Zubizarreta aufbauen möchte.

Barca-DNA mit eigenen Ansichten

Ein wenig offener, ein wenig mehr wie andere Spitzenklubs. Allerdings ohne den eigenen Stil zu verlieren. Denn Enrique ist, trotz seiner Vergangenheit als Real-Spieler, erst im Trikot der Blaugrana richtig aufgegangen. Egal ob bei Celta Vigo oder in Rom, immer setzte der Spanier auf Leute, die aus La Masia stammen. Bojan kam nach Italien, nach Pontevedra folgten ihm Nolito, Andreu Fontas oder Rafinha.

Sie alle sind technisch sowie taktisch bestens ausgebildet und passen perfekt in die Idee, die Lucho verkörpert. Offensives Spiel, das den Zuschauern Freude bereitet. "Mein Team wird angreifen, attraktiv spielen und effektiven Fußball zeigen", kündigte er während seiner Vorstellung an - und war damit nur wenig von Guardiola entfernt, der an gleicher Stelle angekündigt hatte, keine Titel versprechen zu können, aber "immer für die Fans" spielen zu wollen.

Enrique ging aber bei seinen Stationen immer noch einen Schritt weiter. Er will seine Mannschaft dazu "entwickeln, den Gegner jederzeit überraschen zu können." Es ist bei weitem keine Abkehr vom gewohnten Spielstil. Der Ball bleibt flach, kurz und immer am Fuß. Aber seine Mannschaften können auch verteidigen, eine Führung über die Zeit bringen und günstige Situationen im Umschaltmoment perfekt ausspielen.

Zu später Umbruch

Dafür traut sich Enrique etwas, was sich zuletzt niemand zugetraut hatte. Gerüchten zufolge hatte bereits Pep Guardiola vor seinem Abgang gefordert, den Kader tiefgreifend umbauen zu dürfen, wurde jedoch ausgebremst. Die Zeit verging, der Umbruch wurde dringender, aber doch immer wieder aufgeschoben. Nun ist es soweit, Barcelona hat sich, mehr oder weniger freiwillig, dazu entschlossen, den größten Schritt der letzten Jahre zu machen.

Mit Victor Valdes, Carles Puyol und wohl auch Xavi Hernandez verlässt die Achse den Verein, die ihn über die letzten Jahre entscheidend geprägt hat. Führungsfiguren fallen weg, dies könnte die große Chance sein, etwas Neues zu beginnen. Enrique hat das Kapitänsamt freigegeben, erstmals seit langem wird die Binde nicht der Spieler mit den meisten Einsätzen für die erste Mannschaft tragen.

Abkehr vom 4-3-3?

Keiner dieser Spieler ist eins zu eins zu ersetzen, weshalb Änderungen vorgenommen werden. Enrique gilt als Befürworter einer, zumindest situativen, Dreierkette in der Defensive. Sowohl mit der B-Mannschaft, als auch phasenweise mit der Roma und Celta Vigo spielte er gerne ein 3-1-4-2 bei eigenem Ballbesitz.

Dies spiegelt sich bisher auch in der Kaderplanung wieder. Glaubt man den Gerüchten, sind neben Jeremy Mathieu besonders Marquinhos, Rodrigo Caio und Daley Blind in der Verlosung. Alle vier sind Spieler, die auch auf der Außenbahn spielen können und je nach Spielsituation schnell zwischen Außenverteidigung und Innenverteidigung wechseln könnten. Ein Spielertyp, wie man ihn vor zwei Jahren in Eric Abidal hatte.

Seite 1: Enrique und der lang nötige Umbruch

Seite 2: Suarez das fehlende Puzzleteil

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