Die heimlichen Sieger

Von Stefan Rommel
Cristiano Ronaldo vergab in der ersten Halbzeit die größte Real-Chance des Spiels
© Getty

Der FC Barcelona hat den Clasico gegen Real Madrid gewonnen - als heimliche Sieger dürfen aber die Königlichen gelten. Wo letzte Saison noch ein überdimensionaler Abstand zwischen beiden Teams bestand, begegnen sich heute beide wieder auf Augenhöhe. Real-Torhüter Iker Casillas jedenfalls formulierte eine Kampfansage.

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Das Camp Nou ist ein Hort der Extravaganz, des Spektakels und der hohen Künste. Da bot sich der 238. Clasico doch an, den zahlreichen Episoden dieses Tempels noch eine weitere folgen zu lassen.

Letzte Saison hatte der FC Barcelona dem Rivalen aus der Hauptstadt zwei empfindliche Niederlagen beigebracht, eine davon von solch verwüstender Natur, dass das Santiago Bernaubeu beim historischen 2:6 in seinen Grundfesten erschüttert wurde.

Real mit Barca ebenbürtig

Mit dem Triple schloss Barca die Saison ab, das Kalenderjahr 2009 sogar mit fünf Titeln. Real Madrid, ohne Titel, dafür aber mit umso mehr innerbetrieblichen Problemen, war gefühlte Welten von den Blaugrana entfernt.

Also machte Real das, was es am besten kann: Einkaufen. Neue Stars, neuer Trainer, neue Ausrichtung, Rekordausgaben in Höhe von einer geschätzten Viertelmilliarde Euro.

Und trotzdem galt Barca vor dem Spiel als eindeutiger Favorit. Zwar hatten beide schwierige Wochen hinter sich, ganz besonders Real-Coach Manuel Pellegrini.

Für ihn war die Partie im Camp Nou auch eine Art persönliches Endspiel. Eine deutliche Niederlage und es wäre wieder eng geworden für den Chilenen.

Aber dann schaffte Madrid etwas, was der Mannschaft in der Form nicht viele zugetraut hätten: Real war ebenbürtig, gleichauf mit Barca. Die Gäste raubten der Angriffsmaschine des Gegners die Luft zum Atmen.

Defensivarbeit überzeugt

Völlig untypisch für das Selbstverständnis der Königlichen war es die kompakte Defensive, die dem Gegner zusetzte - und nicht die teuer zusammengekaufte Offensivabteilung.

"Wir hätten ein Remis verdient gehabt. Verstehen sie mich nicht falsch, aber im ersten Durchgang waren wir besser, haben zwei Chancen durch Cristiano und Marcelo gehabt und gut gekontert", sagte Pellegrini auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.

Und es gab nicht viele, die ihm bei dieser Ansicht widersprechen wollten. "Das Ergebnis entspricht nicht der Partie. Wir waren in allem überlegen. Das Wenigste, was wir verdient hatten, war zu verlieren."

Störung im Betriebsablauf

Es war eine ausgeglichene Partie, trotz am Ende 64 Prozent Ballbesitz für Barcelona. Aber Real hatte das Spiel und die zahllosen Offensivoptionen der Gastgeber über weite Strecken gut im Griff. Schon lange nicht mehr war ein Gegner so selbstbewusst und mit dem Anspruch der Dominanz im Camp Nou aufgetreten.

Einzig eine Unachtsamkeit von Innenverteidiger Pepe stand dem Remis im Weg. Der Portugiese war in der 56. Minute gegen den eben erst eingewechselten Zlatan brahimovic nicht im Bilde und gewährte dem Schweden das Tor des Tages.

"Barca hat ein Madrid vorgefunden, das ihnen zu gewinnen gestattet hat", formulierte es Pellegrini. Mit anderen Worten: Barcelona hat das Spiel also nicht aus eigener Kraft und der Tiefe seiner Überzeugung gewonnen - sondern nur auf Grund einer kleinen Störung im Madrider Betriebsablauf.

Also klopfte Pellegrini sich und seiner Mannschaft kräftig weiter selbst auf die Schulter: "Man darf nicht vergessen: Barca ist immer ein schwieriger Gegner auswärts, aber diesmal sind sie auf ein gutes Madrid getroffen."

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Kampfansage von Casillas

Dass dann auch Pep Guardiola den Madrilenen ehrlichen Respekt zollte, dürfte Pellegrini in seiner Meinung nur bestärkt haben. "Real ist eine große Mannschaft und das haben sie wieder einmal gezeigt. Wir mussten eine Menge investieren, um zu gewinnen."

Am Ende entschied die individuelle Stärke Ibrahimovic' das Spiel - und nicht die von Leo Messi, Cristiano Ronaldo oder Karim Benzema, die selbst dicke Gelegenheiten zu einem Treffer hatten. Die entscheidende Botschaft aber war: Im Kollektiv war Madrid dem vor einem halben Jahr noch übermächtigen Barca ebenbürtig.

Neun Punkte betrug vergangene Saison der Abstand zwischen den beiden Granden der Primera Division. Gefühlt waren es 15.

In dieser Spielzeit wird Barca nicht so leicht durchmarschieren dürfen, das hat Real Madrid spätestens am Sonntagabend allen in der Liga klargemacht.

Oder, wie Torhüter Iker Casillas es formulierte: "Heute waren wir die Dummen. Aber ich habe ein Spiel gesehen, in dem Real die bessere Mannschaft war. Das gibt mir große Zuversicht für die Zukunft. Mit uns wird wieder zu rechnen sein."

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