Der schüchterne Königstransfer

Von Andreas Lehner
Karim Benzema posiert vor den Europapokalen der Königlichen. Das Lachen wirkt noch gequält
© Imago

Am kommenden Wochenende startet die Primera Division in die neue Saison (Sa., 20 Uhr im LIVE-TICKER). Bei Real Madrid konzentriert sich alles auf die sündhaft teuren Superstars Ronaldo und Kaka. Dabei könnte Karim Benzema zum Schlüsselspieler der neuen Galaktischen werden.

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Im Estadio Santiago Bernabeu waren viele der blauen Sitzschalen frei geblieben. Nur 20.000 Fans wollten einen weiteren Neuzugang von Real Madrid sehen.

Eine vergleichsweise geringe Zahl, nimmt man die gigantischen Vorstellungsszenarien von Cristiano Ronaldo oder Kaka als Grundlage. Aber dieses Mal gab es nichts Übernatürliches zu sehen. Keinen Messias, keinen Erlöser, sondern nur Karim Benzema.

Schüchtern und zurückhaltend in Madrid

Und der Franzose menschelte bei seinem ersten Auftritt im weißen Trikot. Anders als der vor Selbstbewusstsein triefende Ronaldo betrat Benzema etwas zögerlich das nur spärlich gefüllte Stadion. Leicht gebückt blickte er verstohlen ins weite Rund. Auch das Lachen und das Winken waren verhalten.

Schüchtern auch seine ersten Sätze an die Fans. In gebrochenem Spanisch entschuldigte er sich, dass er so schlecht Spanisch spreche und sagte: "Ich bin sehr glücklich, für den besten Klub der Welt spielen zu dürfen." Er erledigte die Pflicht, schob noch ein "uno, dos, tres. Hala Madrid" hinterher und küsste das königliche Wappen. Die größte Show an diesem Abend.

Forsch in Lyon

Erstaunlich zurückhaltend für einen Mann, der vor seinem Debüt bei Olympique Lyon vor seinen damaligen Mannschaftskollegen noch mächtig aufs Gas getreten hat.

Nach einer Tradition muss jeder Spieler, der neu zum Kader kommt eine Rede halten. Als seine Mitspieler ihn mit scherzhaften Bemerkungen und Sticheleien verunsichern wollten, entgegnete der damals 17-Jährige: "Euch wird das Lachen schon noch vergehen, denn ich bin hier, um Euch den Stammplatz streitig zu machen!"

In der Kabine saßen Spieler wie Giovane Elber, Sidney Govou, Michael Essien, Florent Malouda und Mahamadou Diarra.

Antipode zu Ronaldo

Dass sein verhaltener Auftritt im Bernabeu nur ein Einzelfall war und sich diese Scheu nur auf die Präsentation und nicht auf seine Spielweise überträgt, zeigte das erste Testspiel gegen die Shamrock Rovers während des Trainingslagers in Irland.

In der Halbzeit eingewechselt, zeigte er gleich seine Fähigkeiten im Eins-gegen-Eins und im Torabschluss. Nach einem Pfostenschuss erzielte er kurz vor Schluss den Siegtreffer.

Sein Spiel ist schnörkellos und zielstrebig. Der perfekte Antipode zur Selbstinszenierung Ronaldos. Zur Ankündigung des Portugiesen in dieser Saison 30 Tore zu schießen, sagte Benzema: "Wir sind da verschieden. Ich sage solche Dinge nicht gerne voraus."

Mischung aus Trezeguet, Henry und Anelka

Die Qualität für viele Tore in Primera Division und Champions League hat er auf jeden Fall. "Die Leistungen von Benzema dürfen keinen überraschen. Er ist ein großartiger Spieler", sagt Trainer Manuel Pellegrini.

In Frankreich sehen sie in Benzema den perfekten Stürmer. Er wird in Sachen Treffsicherheit mit Trezeguet, bezüglich seiner Schnelligkeit mit Thierry Henry sowie wegen seiner Fähigkeit, sich vom Gegner zu lösen und am Spielaufbau teilzunehmen, mit Nicolas Anelka verglichen.

Benzema macht Spiel flexibler

Das Spiel von Real Madrid wird mit Benzema flexibeler, weil er mehr Fähigkeiten auf sich vereint als seine Konkurrenten und Vorgänger Gonzalo Higuain, Raul oder Ruud van Nistelrooy. Im 4-2-3-1-System von Pellegrini ist Benzema als zentraler Angreifer eingeplant. Dahinter spielen Ronaldo, Kaka und Robben oder Granero.

Das Spiel der Königlichen ist sie immer im Fluss, geprägt von vielen Positionswechseln. Auch Benzema ist viel unterwegs, weicht auf die Flügel aus und schafft so Platz für die nachrückenden Mittelfeldspieler.

Ronaldo hat in einem ähnlichen System bei Manchester United 2008 die Champions League gewonnen. Im System der Red Devils, das man als 4-2-4-0 bezeichnen kann, konnte man Mittelfeldspieler und Stürmer nicht unterscheiden. Feste Position gibt es nicht mehr, das Spiel ist in der Offensive nur schwer auszurechnen.

Benzema schwärmte von Barca

Benzema könnte also Reals Königstransfer werden, obwohl er mit 35 Millionen Euro (die Ablöse kann im Erfolgsfall auf 41 Millionen steigen) im Vergleich zu Ronaldo (94 Millionen) und Kaka (65 Millionen) ein Schnäppchen war.

Und geht es nach Florentino Perez kam auch nichts anderes als ein Wechsel nach Madrid in Frage. "Nicht jeder weiß, dass es dein Traum war, irgendwann einmal das weiße Trikot zu tragen", sagte der spendierfreudige Präsident.

Benzema bestätigte dies auf seiner ersten Pressekonferenz: "Ich hatte Angebote von Manchester, Inter und Barcelona zum Beispiel. Allerdings habe ich, seit ich 14 bin, davon geträumt, bei Real Madrid zu spielen." Die Fans hören das gerne.

Im Sommer 2008 hatte er noch von Barca und deren Stürmern Stoichkow und Romario geschwärmt. Vielleicht war er auch deshalb so schüchtern bei seinem ersten Auftritt im Bernabeu.

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