"Ihr könnt mich bashen, aber Pirlo ist der Beste"

SID
Alex Merkel beendete die Saison mit Udine auf Rang 5
© getty

Alexander Merkel wagte schon mit 16 Jahren einen Wechsel nach Italien, um in der Serie A seinen Durchbruch als Profi zu schaffen. Über den FC Genua und den AC Milan landete er jetzt bei Udinese Calcio. Wie das Leben als Fußballprofi in Italien ist, erklärt der 21-Jährige regelmäßig in seiner eigenen SPOX-Kolumne.

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Ciao a tutti!

Kurz vor dem Urlaub noch ein paar Zeilen von mir aus Italien. Für mein Team und mich war es ein überragendes Saisonfinale. Eines mit Gänsehaut-Feeling und Wow-Effekt!

Nachdem wir lange Zeit im Mittelfeld der Tabelle standen, haben wir genau rechtzeitig das bekommen, was man im Fußball einen Lauf nennt. Ergebnis: Die letzten acht Spiele der Saison gewonnen, Teams wie Lazio, die Roma und Inter hinter uns gelassen - und als Fünfter in die Europa League eingezogen. Geil!

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Besser geht es kaum. Zumindest für uns als Team. Für mich persönlich ist dagegen noch Luft nach oben. Und was Einsatzzeiten betrifft, ist es sogar noch jede Menge Luft. Klar, das nervt.

Ich muss Geduld haben

Aber ich versuche dies dann immer so objektiv wie möglich zu betrachten. Ich kam im Winter in ein bestehendes Mannschaftsgefüge, da ist es nie einfach, gleich ins Team zu rücken. Zumal die Jungs, die auf dem Platz standen, ihre Sache echt gut gemacht haben. Und welcher Trainer ändert schon gerne eine erfolgreiche Elf?

Außerdem hat man mir von Beginn an gesagt, dass ich Geduld haben soll. Dass es hier bei jungen Spielern völlig normal sei, dass sie langsam herangeführt werden.

Aber natürlich will ich künftig wieder regelmäßiger auf dem Platz stehen. Und da bin ich zuversichtlich. Nach dem Urlaub werde ich die erste richtige Vorbereitung mit dem Team mitmachen - und das will ich nutzen, um voll anzugreifen.

Ich bin mir sicher, dass ich dann auf meine Einsätze kommen werde. Zumal wir in der neuen Saison in drei Wettbewerben spielen dürfen. Yep, das fühlt sich jedes Mal geil an, wenn ich es erwähne!

Anti-Jugend-Wahn

Aber jetzt will ich euch nicht weiter mit meinem Einzelschicksal langweilen. Ihr wollt hier ja auch etwas aus der Liga erfahren. Und ein interessantes Thema dieser Saison war der Anti-Jugend-Wahn hier.

In der Bundesliga beenden Spieler mittlerweile mit Anfang 30 ihre Karriere. Und ich warte ja täglich darauf, dass der erste C-Jugendliche eingewechselt wird. Hier ist das alles ein wenig anders. Aber keineswegs schlechter.

Ich habe da direkten Anschauungsunterricht. Mein Teamkollege heißt Antonio di Natale. Und was Toto hier mit seinen 35 Jahren noch drauf hat, nötigt mir den größten Respekt ab. 36 Einsätze hatte er in dieser Saison, 23 Mal hat er getroffen.

Der Kerl ist vor dem Kasten so eiskalt, da bekommt jeder Gegenspieler Frostbeulen. Er taucht immer dort auf, wo ein echter Knipser eben stehen muss. Und er hat einen Schuss. Mamma mia. Ein netter Kerl ist er außerdem.

Niemand steht über Pirlo

Wo wir schon bei guten Typen sind. Juves Andrea Pirlo ist für mich noch immer der beste Mittelfeldspieler der Welt. Für die Aussage könnt ihr mich bashen, aber ich bleibe dabei. Gut, gegen Bayern hatte er zuletzt nicht seinen besten Tag.

Aber das, was der Gute hier noch regelmäßig abliefert, ist erstklassig. Für mich ist er kein Fußballer, sondern ein Dirigent. Und er hat nach wie vor sensationelle Aktionen in seinem Spiel. Und zwar nicht nur jedes Schaltjahr, sondern andauernd. Mit 34 Jahren. Hut ab.

Für Javier Zanetti sind 34-Jährige eher Jungspunde. Der Dino von Inter Mailand marschiert streng auf die 40 zu. Kürzlich hat sich der argentinische Dauerläufer einen Achillessehnenriss zugezogen. Mit tat das unheimlich leid, ganz Fußball-Italien war regelrecht geschockt - und jeder erwartete das traurige Ende einer großen Laufbahn.

Doch der Mann, den sie nicht zufällig "Traktor" rufen, zeigte sich unbeeindruckt: "Es ist doch normal, dass man nach so vielen Kilometer einfach mal die Reifen wechseln muss. Ich werde stärker als jemals zuvor zurückkommen." Ich bin überzeugt davon, denn er hat ein echtes Kämpferherz. Und ich freue mich darauf.

Totti - der König von Rom

Genesungswünsche durfte Zanetti unter anderem aus der Hauptstadt empfangen - von einem topfitten Francesco Totti. Für viele ist er eine lebende Roma-Legende, für mich schlicht und einfach der König von Rom.

In seinem 20. (!!!) Profijahr beim AS Rom gelangen dem 36-Jährigen zwölf Tore und 14 Vorlagen. Und der Weltmeister von 2006 denkt gar nicht daran, das Feld Jüngeren zu überlassen. Sein Ziel: "Ich will noch mit 40 Jahren für die Roma spielen." Ich traue es ihm zu.

Außerdem treiben hier noch zwei ehemalige Bayern-Stürmer ihr Unwesen. Luca Toni geht mittlerweile beim AC Florenz auf Torejagd. Er hat in der abgelaufenen Saison immerhin für acht Treffer und drei Vorlagen gesorgt.

Nicht schlecht für einen Mann, der am Sonntag seinen 37. Geburtstag feiert und den viele schon abgeschrieben hatten. Aber Toni lässt sich einfach nicht unterkriegen - und verlernt hat er nichts. Getreu seinem Motto: "Liebe machen und Tore schießen sind die schönsten Dinge, die Gott uns gegeben hat."

Klose mit Kultstatus bei Lazio

Tonis Ex-Sturmpartner Miroslav Klose (34) hat bei Lazio Rom schon längst Kultstatus erreicht. In seiner zweiten Saison bei Lazio schoss er 15 Tore, darunter einen Aufsehen erregenden Fünferpack gegen Bologna.

Als kleine Zugabe bereitete er in dieser Saison noch drei Treffer vor. "Mythos Miro" und "Killer-Klose" tauften ihn die italienischen Medien nach seinem "Meisterwerk". Nachdem wir mit Udinese Lazio Platz fünf weggeschnappt haben, gab es zwar auch ein wenig Kritik. Aber der deutsche Nationalstürmer kann alle wieder versöhnen. Mit ein paar Toren im Pokalfinale am Sonntag - ausgerechnet gegen den AS Rom.

Man kann zum Jugendwahn im Fußball stehen wie man will. Aber diese Jungs haben Respekt verdient. Weil sie immer noch überragende Leistungen bringen. Ich bin jedenfalls froh, mit oder gegen solche Persönlichkeiten spielen zu können.

Ich wünsche euch einen tollen Sommer. Melde mich hier zur nächsten Saison wieder zu Wort.

Viele Grüße,

Euer Alex

Alexander Merkel, geboren am 22. Februar 1992 in Pervomayskiy (Kasachstan), ist eines der größten Mittelfeldtalente Deutschlands. Er wurde in der Jugend des VfB Stuttgart ausgebildet, bevor er 2008 in die Jugend des AC Milan wechelte. Bei den Mailändern debütierte er in der Saison 2010/2011 in der Serie A. Insgesamt wurde er in Milans-Meistersaison sechs Mal eingesetzt, bevor Milan im Sommer 2011 50 Prozent seiner Transferrechte an den FC Genua abgab und er dorthin wechselte. Inzwischen spielt er bei Udinese Calcio. Merkel durchlief seit der U 15 alle deutschen Junioren-Auswahlen.

Alexander Merkel im Steckbrief