AC Mailand holt den Scudetto - "Milan is back": Der elegante Gegenentwurf zu Inter

Von Justin Kraft
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Milan-Trainer Pioli ist der Kopf der fußballerischen Entwicklung

Trainer Pioli hat somit gegen jede Art von Gegner unterschiedliche Spielertypen zur Verfügung, die in nahezu jeder Situation eine entsprechende Anpassung ermöglichen. Gleichzeitig ist der 56-Jährige aber selbst der Kopf der fußballerischen Entwicklung. Das ist umso bemerkenswerter, da der Italiener 2020 fast vor dem Aus stand. Ralf Rangnick galt damals als heißer Nachfolgekandidat. Zum Glück für Pioli und Milan kam alles anders.

Der Meistermacher steht für einen flexiblen Offensivfußball am Puls der Zeit. Milan spielt dynamischen, angriffslustigen und ästhetischen Fußball. Erfolgreich sind sie, weil der Trainer es schafft, die einzelnen Puzzleteile mit Blick auf die jeweiligen Gegner nahezu optimal zusammenzufügen. Das Team kann beides: Ein Spiel mit und ohne Ball kontrollieren.

Das Problem vieler ballbesitzorientierter Teams ist, dass sie gegen technisch starke Gegner die Kontrolle verlieren. Mannschaften mit deutlich ausgeprägtem Pressingfokus fehlt es nicht selten an Kreativität und Dynamik gegen tiefstehende Gegner.

Milan beherrscht den Fußball ganzheitlich - wie es sich für ein modernes Top-Team eben gehört. Pioli hat einen guten Kader, aber er holt eben auch alles aus den Spielern heraus.

Als Milan vor elf Jahren eine siebenjährige Durststrecke beendete und die Serie A gewann, ahnte niemand, welcher Absturz folgen würde. Jetzt ist es vor allem die Rückbesinnung auf die glorreiche Vergangenheit der Achtziger, Neunziger und 2000er, die die Norditaliener zurück an die Spitze der Serie A geführt hat.

AC Mailand: Der elegante Gegenentwurf zu Inter ist zurück

Besonders süß ist dieser Triumph, weil man Stadtrivale Inter auf den zweiten Platz verdrängen konnte. Milan und Inter prägten gemeinsam den italienischen Fußball auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Auf der einen Seite die Nerrazzuri, die den Catenaccio in den Sechzigern unter Trainer Helenio Herrera berühmt gemacht haben.

Der ergebnisorientierte Fußball Inters war nicht schön anzusehen, aber unglaublich erfolgreich. Mentalität, Kampfgeist, Abgezocktheit und Erfahrung sind Begriffe, die den Klub bis heute begleiten und definieren. In dieser Linie standen auch Trainer wie Giovanni Trapattoni oder Jose Mourinho.

Auf der anderen Seite die Rotschwarzen, die jahrzehntelang mit Eleganz, Leichtigkeit und taktischem Fortschritt assoziiert wurden und dafür in Europa eine hohe Anerkennung genossen. Nils Liedholm führte bei Milan in den Siebziegern die Raumdeckung ein, Arrigo Sacchi prägte Ende der Achtziger nicht nur den Klub, sondern den kompletten Weltfußball. Seine pressingstarke und ballbesitzdominante Philosophie beeinflusst noch heutige Trainergenerationen. Die beiden wohl besten Trainer der Welt, Pep Guardiola und Jürgen Klopp, ließen sich von seinen Ideen inspirieren. Auch Carlo Ancelotti prägte mit attraktivem Fußball eine Ära mit Milan.

Aus diesem Gegensatz zu Inter sowie der räumlichen Nähe zueinander entwickelte sich eine der bedeutendsten sportlichen Rivalitäten des europäischen Fußballs - die seit der letzten Saison wieder aufzuleben scheint. Dass die AC Mailand wieder einen eleganten und erfolgreichen Gegenentwurf zu Inters Philosophie darstellt, ist der Hauptgrund dafür.

Stefano Pioli hat Milan wieder zu alter Stärke geführt.
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Stefano Pioli hat Milan wieder zu alter Stärke geführt.

Milan: Keine Angst vor weiterem Verkauf

Dieser Gegensatz bereichert die Serie A. Mit jungen Spielern wie Rafael Leao. Mit einer sportlichen Leitung, die ganz offenbar weiß, was sie tut. Lange war Milan ein abschreckendes Beispiel dafür, dass viel Geld keine Garantie für sportlichen Erfolg ist. Das moderne Milan holt aus einer deutlich weniger guten finanziellen Ausgangsposition das Maximum heraus.

Es tut dem Klub womöglich gut, dass sie den Weg nach oben nicht von heute auf morgen angetreten sind. Gleichzeitig birgt das immer die Gefahr, Schlüsselspieler zu verlieren. So wird Kessie wohl ablösefrei zum FC Barcelona wechseln. Auf der anderen Seite sieht es aktuell so aus, als könne Milan den Großteil des Kaders zusammenhalten - und so auch konkurrenzfähig bleiben.

Demnächst wird es sehr wahrscheinlich wieder einen Verkauf des Klubs geben. Angesichts der kompetenten sportlichen Leitung dürfte die Vorfreude in der Modestadt aber deutlich größer sein als die Angst vor negativer Veränderung. Denn dieser Vereinsführung wird zu Recht zugetraut, dass sie damit umgehen kann.

Das ist ein Verdienst, den sich vor allem Pioli und Maldini auf die Fahne schreiben dürfen. Jung, dynamisch, modern - so haben sie Milan zurück auf Italiens Thron geführt. Jetzt aber kommt die größte Herausforderung. Kann Milan sich an der Spitze halten? Die Hoffnung ist bei den Rossoneri jedenfalls groß, dass es bis zum nächsten Scudetto nicht wieder elf Jahre dauern wird.

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