Gonzalo Higuain im Mittelpunkt bei Juventus Turin - SSC Neapel: Die Sehnsucht nach Rache

Von Julian Alexander Fischer
Im Hinspiel schoss Gonzalo Higuain das entscheidende Tor.
© getty

Während in fast allen Topligen Europas die Meisterschaft bereits zahlreiche Spieltage vor Saisonende entschieden ist, gibt es in Italien am Sonntag einen vielleicht entscheidenden Showdown zwischen Tabellenführer Juventus und dem Zweiten Neapel (20.45 Uhr live bei DAZN). Alle Augen blicken dabei auf den Verräter Gonzalo Higuain.

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Als der Argentinier im Hinspiel gegen Neapel das 1:0 für Juventus schoss, war das nicht nur ein ganz normales Tor. Es bedeutete so viel mehr. Es war nämlich der Siegtreffer gegen den Tabellenführer und bedeutete den Anschluss in der Meisterschaft.

Denn als der SSC Neapel am 8. Spieltag dieser Saison immer noch keinen Punktverlust erlitten hatte und bereits fünf Punkte vor Serienmeister Juventus lag, deutete sich bereits an, dass der siebte Scudetto in Folge für Juve in diesem Jahr kein Selbstläufer werden würde.

Trotz der Niederlage gegen Juventus konnten die Gli Azzurri die Tabellenführung bis zum 26. Spieltag behaupten, danach gewannen sie allerdings nur drei von sieben Spielen, sodass fünf Spieltage vor Schluss nun Juventus mit vier Punkten Vorsprung auf Neapel an der Tabellenspitze thront.

Eine Situation, mit der Juve-Coach Massimo Allegri gut leben kann: "Vor eineinhalb Monaten hätte ich gerne vier Punkte Vorsprung gehabt." Das Duell am Sonntag entscheidet darüber, ob Juve davonzieht oder Neapel im Rennen bleibt.

Die Tabellenkonstellation in der Serie A

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Juventus Turin3378:195985
2.SSC Neapel3370:234781
3.Lazio Rom3379:433664
4.AS Rom3352:272564
5.Inter Mailand3354:223263

Gonzalo Higuain: In Neapel ein Verräter

Besonders im Fokus stehen wird dann erneut Hinspieltorschütze Gonzalo Higuain, spielte er doch bis 2016 bei Napoli und war dort gefeierter Publikumsliebling. Den Wechsel zum Rivalen aus dem Norden hat man ihm dort aber nie verziehen, zu bitter wurden die Hoffnungen in ihn enttäuscht.

Als er in seiner letzten Saison 36 Tore in 35 Ligaspielen erzielte, kamen bei den Anhängern bereits Vergleiche mit seinem Landsmann Diego Maradona auf, der Napoli 1990 die bisher letzte Meisterschaft bescherte und dort bis heute verehrt wird.

Bei seinem Wechsel für die italienische Rekordablösesumme von 94 Millionen Euro brannten dann aber schließlich am Fuße des Vesuvs hunderte von Higuain-Trikots. Selbst Neapels Bürgermeister Luigi de Magistris kommentierte: "Es ist ein Verrat an jenen, die wie ich dem Fußball mit Leidenschaft folgen."

Neapels Klubboss Aurelio de Laurentiis versuchte sich lange gegen den Wechsel zu wehren, konnte gegen die Zahlung der festgeschriebenen Ablösesumme aber am Ende wenig unternehmen. "Manche halten diesen Wechsel für einen Verrat und das kann ich verstehen. Er hat damit seine ganze Undankbarkeit gezeigt", meinte er damals.

Jeder Treffer von Gonazalo Higuain für Neapel schmerzhaft

Und es traf Neapels Anhänger in der Folgezeit jedes Mal ins Herz, wenn es gegen Juventus ging und ausgerechnet Higuain traf. Und er traf oft. In den fünf Begegnungen seit dem Wechsel erzielte er fünf Treffer, eben auch bei Juves 1:0-Erfolg im Hinspiel.

Dass er nach dem Treffer auch noch ausgelassen jubelte, machte sowohl Neapels Fans als auch seine einstigen Mitspieler wütend. "Was ich bei dem Jubel gedacht habe? Fest steht: Was ich ihm im neapolitanischen Dialekt gesagt habe, kann ich hier nicht wiederholen. Aber er hat es verstanden", stellte Lorenzo Insigne damals klar.

Die Meisterschaft wäre daher nicht nur ein Titel in der Vitrine, es wäre auch eine Genugtuung für die Stadt, ein Triumph über den "Verräter" Higuain.

Bei Juventus Turin nicht geliebt, aber geschätzt

In Turin lieben ihn die Fans nicht so innig wie einst die Neapolitaner. Bereits bei seinem ersten Training kam der erste Spott auf, als er mit ein paar Gramm zu viel aus dem Urlaub zurückkam.

"Higuain ist aktuell nicht in bester Form, deshalb ist es nur richtig, dass er sich ausruhen und erholen darf, während andere Spieler ihre Chance bekommen", meinte Juve-Manager Beppe Marotta etwa am Anfang der Saison.

Dennoch schätzen sie seine Leistungen auch in Turin, er trifft regelmäßig und macht mittlerweile auch die wichtigen Tore, wie im Hinspiel gegen Napoli. Seine 15 Serie-A-Tore kommen zwar nicht an seine Höchstzeiten in Neapel heran, allerdings ist Juves Kader auch stärker besetzt und nicht so stark auf Higuain ausgerichtet wie einst in Neapel.

Das eigentliche Ziel, für das Higuain geholt wurde, der Gewinn der Champions League, wurde in diesem Jahr aber erneut verpasst. Umso wichtiger ist die erneute Meisterschaft.

Juventus Turin gegen Neapel im Vorteil

Beim Blick auf die die Voraussetzungen vor dem Duell scheint Juve klar im Vorteil. Ihnen reicht vor heimischer Kulisse ein Unentschieden, um Neapel auf Abstand zu halten.

"Es sind noch so viele Spiele zu spielen, und am Sonntag wartet eine fantastische Herausforderung auf uns. Wir werden dafür bereit sein", spielte Allegri die Situation etwas herunter, betonte aber auch: "Wir wissen, dass wir mit einem Sieg ganz nah am Titel sind."

Außerdem hat Juve in den letzten neun Ligaheimspielen nur ein Tor kassiert und seit 20 Spielen in der Serie A nicht verloren. Dazu kommt die Erfahrenheit einer Mannschaft, die die letzten sechs Meisterschaften gewann.

SSC Neapel: Mit drei Punkten und Sehnsucht zum Titel?

Neapel hat es dagegen deutlich schwieriger. Es musst unbedingt ein Sieg her, um bis auf einen Punkt an Juventus heranzurücken.

"Wir werden versuchen, auch ihn Turin unsere Spielphilosophie durchzuziehen", sagte Trainer Maurizio Sarri, gab aber zu: "Natürlich wird das gegen so ein starkes Team noch dazu auswärts sehr schwierig. Sie zählen zu den besten Teams in Europa."

Selbst mit einem Dreier wäre Neapel auf einen Punktverlust Juves in den letzten vier Spielen angewiesen. Immerhin: Die Turiner müssen noch gegen Inter und die Roma ran.

Dazu kommt die Neapolitaner Sehnsucht. Die Sehnsucht, nach 1990 endlich wieder in der Meisterschaft erfolgreich zu sein. Die Sehnsucht, den verhassten Norditalienern endlich wieder zu Stirn zu bieten. Und vor allem die Sehnsucht, es Gonzalo Higuain heimzuzahlen.

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