Juventus: Italien ist nicht genug

Gonzalo Higuain absolvierte am Freitag den Medizincheck bei Juventus Turin
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Der Transfer von Gonzalo Higuain für 90 Millionen Euro vom SSC Neapel zu Juventus zeigt die Kräfteverhältnisse in der Serie A TIM. Die Verpflichtung ist aber mehr ein Signal an Europa denn an die nationale Konkurrenz.

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Ein bisschen mehr als zwei Zeilen, mehr war dem SSC Neapel die Verkündung des drittteuersten Transfers in der Fußballgeschichte nicht wert. Kein Wort mehr als nötig schrieb der Klub auf seine Webseite, um den Wechsel von Gonzalo Higuain zu Juventus Turin zu bestätigen.

90 Millionen Euro in zwei Raten kassiert Napoli für den Argentinier, dessen Ausstiegsklausel Juve nutzte. Aber dieses Geld kann den gekränkten Stolz nicht aufwiegen.

Kein Dank, keine guten Wünsche. Zu tief sitzt der Stachel der Enttäuschung.

Symbolfigur für Neapels Erfolg

Higuain war neben Marek Hamsik die Symbolfigur von Napolis erfolgreicher vergangener Saison. Er war der Grund, warum die Tifosi an den ersten Titelgewinn seit dem Jahr 1990 glaubten. Immerhin hat Higuain in der vergangenen Saison mit 36 Treffern den Torrekord der Serie A TIM gebrochen. Er war auf dem Weg, einen Status zu erlangen, wie ihn sein Landsmann Diego Maradona in Neapel genießt.

Und jetzt das: Higuain wechselt zu Juventus. Ausgerechnet Juventus! Der aus Napoli-Sicht schlimmste Klub aus dem verhassten Norden.

Higuain hätte in Neapel ein Heiliger werden können, jetzt ist er der Teufel. Schon vor einigen Tagen brannten Higuain-Trikots in der Stadt am Vesuv. Es ist noch gar nicht auszudenken, was passiert, wenn Higuain in der kommenden Saison ins Stadio San Paolo zurückkehrt. Das Hinspiel Ende Oktober findet in Turin statt.

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Higuain und sein künftiger Teamkollege Mandzukic im Saison-Vergleich 2015/16

Juventus und dann lange nichts

Bei Juventus, das sich in seiner offiziellen Pressemitteilung ebenso auf das Nötigste beschränkte, ist die Gefühlslage erwartungsgemäß völlig anders. Unter dem Hashtag #BienvenidoPipita konnte man am Mittwoch die Ankunft und den Medizincheck des Stürmers in Turin quasi in Echtzeit verfolgen.

Die Alte Dame hat mit dem Kauf Higuains die Lücke geschlossen, die der zu Real Madrid zurückgekehrte Alvaro Morata hinterlassen hatte und gleichzeitig die Kräfteverhältnisse noch einmal klar unter Beweis gestellt: In der Serie A TIM gibt es im Moment Juventus - und dann kommt lange nichts.

Nur eine verschwindend geringe Minderheit glaubt nicht an die sechste Meisterschaft Juventus' in Folge. Zu dominant war die Mannschaft in den letzten Jahren und zu schwach die Konkurrenz. Dass Napoli als ärgster Verfolger der Vorsaison nun seinen Top-Torjäger ersetzen muss, dürfte die Chancen auf einen anderen Champion in Italien nicht vergrößern.

Angriff auf die Champions League

Der Transfer ist aber nicht nur ein nationales, sondern vor allem ein internationales Signal. Juventus ist zehn Jahre nach dem Zwangsabstieg 2006 und dem sofortigen Wiederaufstieg endgültig wieder im Kreis der ganz Großen angekommen.

Es kam schon etwas überraschend, dass der erste Mega-Transfer dieses Sommers nicht von einem Premier-League-Klub getätigt wurde. Stattdessen wandern 90 Millionen Euro innerhalb von Italien über den Tisch, in einer Liga, die den Ablöse-Wahnsinn rund um die Jahrtausendwende zwar mit eingeleitet hatte, aber zuletzt doch weniger hohe Transferausgaben aufwies.

Juventus ist Italien in rasantem Tempo entwachsen, es orientiert sich wie andere europäische Schwergewichte am Abschneiden in der Champions League. 2015 verlor Juve im Finale gegen Barca, 2016 denkbar knapp im Achtelfinale gegen den FC Bayern.

Juventus kompensiert Abgänge

Neben Higuain konnte Trainer Max Allegri sein Team bisher mit Dani Alves (FC Barcelona), Miralem Pjanic (AS Rom), Medhi Benatia (FC Bayern) und Marko Pjaca (Dinamo Zagreb) verstärken. Auf Seiten der Abgänge wird zu Morata sehr wahrscheinlich noch Paul Pogba hinzukommen und eine Summe von über 100 Millionen Euro einbringen.

Trotz der schwerwiegenden Verluste träumt ganz Turin von der Champions League. So war es auch nicht verwunderlich, dass eine der ersten Fragen nach dem erfolgreichen Medizincheck an Higuain war, ob Juventus diese Saison die Königsklasse gewinnen werde.

Higuain, der sich stilsicher in weißem T-Shirt samt schwarzer Weste und später noch mit Juve-Schal um den Hals den euphorischen Tifosi präsentierte, meinte mit einem breiten Grinsen: "Ich hoffe es, ich hoffe es. Wir werden sehen."

Die Ansprüche sind also klar definiert. Jetzt muss Higuain nur noch die nötigen Tore liefern, nicht nur in Italien, auch in Europa.

Gonzalo Higuain im Steckbrief

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