"Adriano hat's nicht verstanden"

Von Florian Bogner
2005 war Adriano der vielleicht beste Stürmer der Welt, seit 2007 spielt er keine Rolle mehr
© Getty

Im MilanLab des AC Milan wird großer Wert auf die richtige Ernährung der Fußball-Profis gelegt. "Fleisch ist mein Gemüse?" So kommt heutzutage keiner mehr weit. Der Brasilianer Adriano gilt dabei als mahnendes Beispiel - auch wenn es Ausnahmen gibt.

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Dass man sich als Fußballprofi ruhig auch mal einen Ausflug ins kulinarische Paradies einer Fastfoodkette erlauben darf, stellte Borussia Dortmunds Meisterkapitän Sebastian Kehl neulich unter Beweis: Sein McDonald's-Besuch mit Meisterschale wurde via "Bild" in ganz Deutschland zum Lacher.

Natürlich wird Kehl nicht allzu oft dort Gast sein, vielleicht nur nach jeder Meisterschaft. Denn blickt man auf die Top-Klubs Europas, ist Ernährungsmoral längst zu einem wichtigen Punkt geworden. Sicher, gelegentliche Ausflüge ins Reich des Fastfoods sind auch für Bundesliga-Stars noch drin - siehe Kehl. Doch allgemein sind die Regeln und Maßgaben strenger geworden und das nicht nur in den Jugend-Internaten, sondern auch bei den hochbezahlten Profis.

Milan hat zehn Jahre Vorsprung

Vorreiter in Sachen Ernährungswissenschaft gepaart mit Fußball ist anerkannterweise der AC Milan, der nicht nur seit zehn Jahren sein eigenes Sportlabor namens "MilanLab" unterhält, sondern auch eng mit der Firma "Nutrilite" zusammenarbeitet, einem Nahrungsergänzungsmittelhersteller.

"Ernährung ist einfach ein sehr wichtiger Punkt für uns Spieler", sagt Milan-Profi Urby Emanuelson bei einem SPOX-Besuch in Mailand brav, "deswegen wird hier auch sehr genau auf alles geachtet".

Im "MilanLab" werden die Fußballer deswegen nicht zwangsläufig zu gläsernen Profis. Man weiß dort einfach nur sehr genau darüber Bescheid, in welcher Verfassung die Profis sind.

"Wir sind das einzige wissenschaftliche Forschungszentrum, das sich ausschließlich mit Fußball beschäftigt. Wir haben jetzt schon zehn Jahre Erfahrungsvorsprung, das holt so schnell keiner auf", sagt Dr. Alberto Dolci, der im Labor die biochemischen Prozesse überwacht und stets alle Werte der Spieler im Auge hat. Nach dem Motto: Das soll uns erst mal einer nachmachen.

Bis zu 13 Portionen Frisches täglich

"MilanLab - das bedeutet erst einmal einen großen Wust an Daten" erläutert Dr. Dolci. Der erste Schritt: "Durch Genetiktests stellen wir grundlegende Mangelerscheinungen fest, die wir dann durch Nahrungsergänzungsmittel so gut es geht ausgleichen." Das Labor erstellt also zuerst von jedem Fußballer ein Profil, das dann alle 40 bis 45 Tage durch Bluttests auf den neuesten Stand gebracht wird. Wer also seine Pillen nicht nimmt, sondern seiner Frau gibt, fällt Dolci sofort auf. "Was im Blut ist, lässt sich nicht verstecken", sagt der Dottore und lacht.

Der Brasilianer Adriano dient in Milan als mahnendes Beispiel. "Adriano hat es nicht verstanden, dass man ohne die richtige Ernährung nicht auf höchstem Level spielen kann", sagt Dolci.

Was für die Milan-Spieler gilt, gilt eigentlich für Jedermann. Neuesten ernährungswissenschaftlichen Ansätzen zufolge sollte jeder Mensch mindestens fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu sich nehmen, bei Hochleistungssportlern dürfen es gerne auch bis zu 13 sein.

Gerne auch Saft und Parmesan

Den Spruch "Fleisch ist mein Gemüse" hat in Milanello, dem Trainingszentrum des AC, also niemand auf den Lippen. Schon in der Kabine wird den Profis stets eine Auswahl an Früchten angeboten. Und wer nach dem Sport nicht gleich in einen Apfel beißen will, nimmt das Obst eben flüssig auf.

"Viele Spieler haben mich nach Fruchtsäften gefragt, also stellen wir zuckerfreie Säfte nun schon in der Kabine bereit, damit sie nach dem Training gleich zugreifen können", sagt Milan-Chefkoch Mirko Comparin, der in Milanello schon seit zwölf Jahren den Kochlöffel schwingt. Nett: Neben den Säften und frischen Früchten steht auch immer eine kleine Parmesan-Auswahl zur Verfügung - Italien, eben.

"70 Prozent der eigenen Gesundheit hängt von einem selbst ab", sagt "Nutrilite"-Ernährungsexperte Dr. Thomas Kurscheid, dessen Wahlspruch: "Jeder Apfel, den sie essen, verlängert ihr Leben" in Milanello zwar nicht an die Wand gepinselt steht, aber doch für ein Umdenken beim Mittagessen der Spieler gesorgt hat.

"Wir haben jetzt einfach eine viel größere Auswahl", sagt Koch Comparin, der zum gemeinsamen Lunch der Spieler seit geraumer Zeit vier, fünf verschiedene Salate, "bis zu 20 Gemüsearten roh und gekocht" und natürlich jede Menge Obst- und Gemüsesäfte anbietet. "Mathieu Flamini ist zum Beispiel ganz versessen auf diese Gemüseextrakte und unsere Brasilianer mögen einen speziellen Wassermelonensaft", verrät der Koch, in dessen Küche an einem normalen Trainingstag schon mal 50 Kilo Orangen verarbeitet werden.

Ibra und Super-Pippo schwören auf Pasta

Was die Spieler zu sich nehmen, entscheiden sie am Ende aber immer noch selbst, der Verein gibt lediglich Hilfestellung. "Natürlich essen wir viel Obst - und auch viel Pasta", sagt Emanuelson, der für die bloße Erwähnung der kohlehydratreichen Nudeln einen strengen Blick von Dr. Dolci erntet.

Was die Leibspeise angeht, sind Profis mitunter nämlich sehr eigen, weiß Koch Comparin. "Ich habe mir sagen lassen, dass Marco van Basten früher wahnsinnig viele Tomaten gegessen hat. Zlatan Ibrahimovic ist da ähnlich, er liebt Pasta mit Tomatensauce, teilweise nimmt er rohe Tomaten noch dazu."

Und Filippo Inzaghis Lieblingsessen, das er beinahe täglich zu sich nimmt, kennt in Italien jedes Kind: Pasta en bianco mit Bresaola - nackte Nudeln mit Bresaola, einem luftgetrocknetem Rinderschinken, dem Schweizer Bündnerfleisch ähnelnd. Gemüse findet man beim 38-Jährigen eher selten auf dem Teller - aber bei Super-Pippo, dem erfolgreichsten Torschützen der Europapokal-Geschichte, drückt selbst Dr. Dolci ein Auge zu.

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