Milan - Inter: Sehnsucht trifft auf Lust

Von Fatih Demireli/Christian Bernhard
Auf sie kommt es an (v.l.): Allegri, Thiago Silva, Pato, Eto'o, Sneijder und Leonardo
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Flamini vs. Sneijder

Massimiliano Allegri hat sich festgelegt, auch gegen Inter mit zwei defensivstarken Mittelfeldspielern aufzulaufen. Die Wahl trifft wohl auf Gennaro Gattuso und Mathieu Flamini. Der Franzose hat dabei wohl das knappe Rennen gegen Mark van Bommel gewonnen, der angeschlagen von der Nationalmannschaft zurückkam.

Ausschlaggebend für die Wahl Flamins sind aber andere Gründe. Zum einen hat Bayerns Leihgabe van Bommel nach anfänglich guten Leistungen zuletzt nicht immer glücklich gewirkt, war sowohl gegen Palermo als auch gegen Bari an den Gegentoren direkt beteiligt.

Flamini ist zwar nicht Milans Dauerbrenner in dieser Saison, aber seine äußerst aggressive Spielweise, die er zuletzt in der Champions League gegen Tottenham Hotspur wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellte, könnte gegen Inters überragenden Spielmacher Wesley Sneijder das richtige Mittel sein.

Sneijder, zuletzt wieder in blendender Verfassung, neigt - wie viele seiner Artgenossen - gegen aggressive, direkte Gegenspieler durchaus dazu, die Lust zu verlieren. Als beispielsweise Mark van Bommel seinen Wechsel zu Milan bekannt gab, bekundete Sneijder seine Freude.

"Er hat aber auch gesagt, dass er sich nicht auf unser Duell freut, weil er gegen Typen wie mich nicht gerne spielt", so van Bommel. Zu diesem niederländischen Duell wird es, wie eingangs beschrieben, aber wohl nicht kommen.

Doch Milan sollte nicht darauf spekulieren, Sneijder mit der nötigen Härte aus dem Spiel nehmen zu können. Sneijder ist nach seiner langen Verletzung im Winter längst wieder der Alte. Vom Trainerwechsel profitierte auch Sneijder, zumal Leonardo das Spiel im Gegensatz zu Rafa Benitez nach vorne verlagert hat.

So wirkt das Zusammenspiel mit Eto'o wieder viel harmonischer und durchdachter. Flamini muss mit Hilfe von Gattuso und auch Seedorf den Niederländer unter Kontrolle halten, sonst wird es für Milan ein schwerer Abend.

X-Faktoren des Derbys

Rechtsverteidiger: Die Offensivwaffen werden nicht nur Pato, Robinho, Sneijder oder Eto'o heißen: Beide Trainer verfügen über offensive Außenverteidiger, die das Spiel entscheidend beleben können - besonders auf der rechten Seite. Maicons unbändiger Offensivdrang ist hinlänglich bekannt. Mit sechs Assists ist Maicon Zweiter in der teaminternen Wertung und auch er gilt als Gewinner der Trainerwechsels, zumal Leonardo einen ganz anderen Draht zu den Südamerikanern gefunden hat als Benitez zuvor. In den letzten Wochen profitierte vor allem Pazzini von Maicons Flanken. Aber auch Milan hat seinen Maicon: Ignazio Abate entwickelt sich immer mehr zum Flügelflitzer, er war in den vergangenen Wochen in bestechender Form. Der gelernte Mittelfeldspieler hat die Balance gefunden.

Derby-Spieler: Es gibt sie, die ganz besonderen Derby-Helden. Sie laufen zur Galaform auf, wenn es knistert und oft sind es Spieler, die im Vorfeld keiner auf der Rechnung hatte. Bei Milan ist Gennaro Gattuso prädestiniert für die Rolle des Derby-Helden. Das Urgestein der Rossoneri lebt regelrecht für diese Spiele und avancierte in zahlreichen Stadtduellen zum Matchwinner. Trainer Allegri hat sich auch früh entschieden, Gattuso für das Derby zu nominieren. Auf Inter-Seite könnte Dejan Stankovic den Inter-Helden mimen. Gegen Milan schoss Stankovic in seiner Serie-A-Karriere schon sechs Tore: vier Mal traf er für Inter, zwei Mal für Lazio. Folgt am Samstag Tor Nummer sieben?

Trainer: Für Leonardo wird es kein einfaches Unterfangen. Dass die Milan-Legende beim Lokalrivalen Inter angeheuert hat, nehmen ihm die Rossoneri heute noch übel. Mit Spruchbändern und Sprechchören schickten die Milan-Fans in den Tagen nach dem Wechsel ihre Grüße an Leonardo. Auch am Samstag darf er sich wohl auf den einen oder anderen wütenden Fan gefasst machen.

Für Inter ist der Brasilianer dagegen ein Segen. Leonardo hat es geschafft, die Blockade zu lösen, die sich unter Rafael Benitez aufgebaut hat. "Ich muss nicht viel ändern, ich muss die Mannschaft nur daran erinnern, dass sie die beste Mannschaft der Welt ist", sagte Leonardo bei seinem Antritt. Die Mannschaft glaubt ihm. Die Lust ist zurück. Die Inter-Spieler waren große Fans von Jose Mourinho, Leonardo schickt sich an, frühzeitig eine ähnliche Rolle einzunehmen, obwohl sich beide Trainer in ihrer Art klar unterscheiden.

Auch fußballerisch hat Leonardo Inter nach vorne gebracht. Inter spielt zwar nicht den Tiqui-taka-Fußball des FC Barcelona, aber Inter spielt das, was es kann: Ein schnörkelloses Offensivspiel mit möglichst wenig Ballkontakten. Ansehnlich gestaltet sich auch das Spiel des AC Milan. Trainer Allegri hat längst alle Skeptiker besänftigt. Milan hat beste Chancen, die erste Meisterschaft seit sieben Jahren zu holen. Die Sehnsucht ist groß.

Allegris ruhige Art wird geschätzt, auch seine Spieler hat der zweimalige italienische Trainer des Jahres auf seiner Seite. Allegri hat bewiesen, dass er auch mit schwierigen Charakteren wie Robinho, Ibrahimovic oder Boateng zurechtkommt. Ein Derby-Sieg oder sogar ein Remis wäre goldwert: Milan würde nach einem 1:0-Hinspielsieg auch den direkten Vergleich für sich entscheiden und einen großen Schritt Richtung Scudetto tätigen.

Seite 1: Torhüter und Verteidiger vs. Stürmer

Milan vs. Inter: Die Bilanz

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