Benjamin Henrichs von der AS Monaco im Interview: Thierry Henry? "Ich dachte, ich träume"

Von Robin Haack
Benjamin Henrichs wechselte 2018 von Leverkusen nach Monaco.
© getty
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Wie schwer war für Sie persönlich die Umstellung, statt im Rheinland in Monaco zu leben?

Henrichs: Für mich persönlich war es ein riesiger Schritt, denn ich konnte zum Zeitpunkt des Wechsels kein Französisch und auch mit Englisch kommt man im Alltag nicht weit. Seit Sommer habe ich die Sprache deshalb sehr intensiv gelernt, sodass ich mich inzwischen gut verständigen kann. Die Ansprachen des Trainers in Französisch verstehe ich ohne Probleme. Solche Hürden zu überwinden, hat mich in meiner persönlichen Entwicklung enorm weitergebracht. Für uns als Team ist es zwar ein schweres Jahr, aber für mich persönlich läuft es gut und ich bin überzeugt, dass es der richtige Schritt war.

Rückblickend ist Ihr Ex-Trainer Thierry Henry in Monaco so etwas wie das Gesicht der sportlichen Talfahrt. Wie haben Sie reagiert, als Sie erfahren haben, dass er Ihr neuer Trainer wird?

Henrichs: Ich habe mich riesig gefreut, eine Legende wie Henry als Trainer zu bekommen. Mir hat es sehr gefallen, unter ihm zu trainieren und zu spielen. Von einer solchen Fußballpersönlichkeit kann man viel lernen.

Wie haben Sie ihn in der täglichen Arbeit erlebt?

Henrichs: Er ist ein Perfektionist und hat viel Wert darauf gelegt, dass wir jede einzelne Übung sauber ausführen. Da war er ein kleiner Fanatiker und ich glaube, er hat viel von Pep Guardiola aus seiner Zeit beim FC Barcelona mitgenommen. Er hat das Team in einer sehr schwierigen Phase übernommen, denn keiner wusste genau, wie wir mit dem Abstiegskampf umgehen sollen. Zudem waren einige Stammspieler verletzt und junge Spieler mit wenig Erfahrung mussten diese Lücken füllen. Für ihn war es sehr undankbar.

Sie sagen selbst, dass Henry für Sie eine Legende war. Sind Sie ihm in den ersten Tagen der gemeinsamen Zeit mit Ehrfurcht begegnet?

Henrichs: Nach den ersten Trainingseinheiten dachte ich kurz, ich träume. Thierry Henry war plötzlich mein Trainer. Als er bei Arsenal oder Barcelona gespielt hat, war er einer meiner größten Stars und ich habe ihm vor dem Fernseher zugejubelt. Dass er mir nun Tipps gab, wirkte fast surreal. Für mich persönlich war es eine überragende Zeit.

Gibt es eine Geschichte aus Ihrer gemeinsamen Zeit, die Sie besonders gern erzählen?

Henrichs: (lacht) Kennen Sie die alten Joga-Bonito-Videos?

Ja, ich erinnere mich.

Henrichs: Henry war eines der Gesichter der Kampagne und in einem der Spots hat er einen seiner berühmtesten Tricks gezeigt. Er stand seitlich neben dem Tor und hat sich gegen die eigene Hacke geschossen, sodass der Ball mit viel Effet noch ins Netz ging. Schon als Kind habe ich diesen Trick häufig versucht, aber nie geschafft. Nach einer Trainingseinheit habe ich ihn danach gefragt und er hat 25 Minuten lang mit mir geübt, bis es tatsächlich geklappt hat. Danach bin ich sofort in die Kabine gegangen, denn ich bin nicht sicher, ob ich es jemals wieder schaffen werde. (lacht)

Hat er bei Trainingsspielen noch seine alte Klasse aufblitzen lassen?

Henrichs: (lacht) Es ist tatsächlich genau so, wie man es sich vorstellt. Er hat regelmäßig mitgespielt und gezeigt, warum er bei Arsenal und Barcelona gespielt hat. Er hat Beinschüsse verteilt und wenn er als Stürmer gespielt hat, war es als Innenverteidiger unmöglich, an den Ball zu kommen. Man hat gesehen, dass er ein Weltklassespieler war.

War er als Trainer also eher ein lockerer Typ?

Henrichs: In solchen Momenten war er total locker und es hat großen Spaß gemacht. Doch er wusste genau, wann er den Schalter umlegen musste. In Taktikbesprechungen oder beim Trainieren von Standardsituationen war er absolut ernst und total fokussiert. Nach dem Training konnte man aber viel Spaß mit ihm haben. Henry ist für mich ein großartiger Mensch und Trainer.

Aus seiner Monaco-Zeit ging eine Pressekonferenz mit Benoit Badiashile viral. Ein strenger Blick von Henry reichte aus, um Badiashile dazu zu bringen, seinen Stuhl heranzuschieben.

Henrichs: (lacht) Wir als Mannschaft haben uns totgelacht und ihn damit aufgezogen. Ich glaube, es war die erste Pressekonferenz von Benoit und alle sprachen darüber, dass er seinen Stuhl nicht heranschiebt. Mit Henry als Trainer sollte man solche Dinge nicht vergessen.

Gerade in solchen Szenen wirkte es, als hätte Henry eine besondere Aura.

Henrichs: Jeder in der Mannschaft hatte großen Respekt vor ihm. Wir alle träumen davon, ähnliches zu erreichen wie er in seiner aktiven Karriere und wollten deshalb von ihm lernen. Wir haben alles aufgesaugt, was er uns gesagt hat.

Haben Sie nach seiner Entlassung mit ihm gelitten?

Henrichs: Auf jeden Fall. Sowohl für Trainer als auch Spieler ist eine Trainerentlassung nicht einfach. Wenn ein Trainer gehen muss, heißt es meistens, dass man auch als Mannschaft etwas falsch gemacht hat. Für ihn persönlich ist es extrem bitter, dass er nur so kurz im Amt war. Obwohl er in Monaco keinen Erfolg hatte, bin ich davon überzeugt, dass er das Potenzial hat, ein richtig guter Trainer zu werden.

In Monaco, Leverkusen und bei der Nationalmannschaft haben Sie schon mit einigen großen Spielern zusammengespielt. Welcher Ihrer ehemaligen Mitspieler hat Sie am meisten beeindruckt?

Henrichs: Bei der Nationalmannschaft habe ich immer wieder über Toni Kroos gestaunt. Was die jungen Spieler angeht, beeindruckt mich niemand mehr als Kai Havertz. Beide haben enorme Ruhe und wissen, wo der Ball hin muss, bevor sie ihn überhaupt am Fuß haben. Sie haben das Auge für den perfekten Pass. Ich bin sicher, dass Kai noch eine große Karriere vor sich hat.

Wer war Ihr bislang härtester Gegenspieler?

Henrichs: Schwere Frage. Ich habe Douglas Costa sehr unangenehm in Erinnerung, weil er extrem flink und technisch stark ist. Gegen ihn zu spielen, war verdammt hart.

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