Medien: Blanc steht vor dem Aus

Von Falk Landahl
Laurent Blanc steht nach den Rassimusvorwürfen als Nationaltrainer Frankreichs vor dem Aus
© Getty

Ein an die Öffentlichkeit gekommenes Protokoll einer Verbandssitzung bringt Nationaltrainer Laurent Blanc in große Schwierigkeiten und droht Fußball-Frankreich in zwei Lager zu spalten. Der Grund: Blanc befürwortete eine Quote für den Jugendfußball, mit der geregelt wird, wie viele Spieler mit Migrationshintergrund im Kader stehen dürfen.

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Bevor das Internetportal "Mediapart" am vergangenen Dienstag einen Artikel über Pläne einer Migrationsquote im französischen Jugendfußball veröffentlichte, war die Welt der Equipe tricolore noch in Ordnung: Nach dem Debakel bei der Weltmeisterschaft in Südafrika griffen der Verband sowie der neue Nationaltrainer Laurent Blanc hart durch und sperrten die Meuterer um Patrice Evra, Nicolas Anelka und Franck Ribery für etliche Länderspiele.

Trotz des Verzichts auf viele Leistungsträger wusste die Mannschaft zu überzeugen: Nach einer peinlichen 0:1-Heimpleite zum Start gegen Weißrussland ging es bergauf und Frankreich holte sechs Siege in Folge - vier davon in der EM-Qualifikation, wobei man kein einziges Gegentor kassierte. Mit zwölf Punkten führt die französische Nationalmannschaft inzwischen die Gruppe D souverän an und hat vier Zähler Vorsprung auf den Zweitplatzierten Weißrussland.

"L'Equipe": Entlassung oder Rücktritt

Knapp einen Monat vor dem nächsten Länderspiel steht Blanc jedoch wegen der Rassismusaffäre womöglich vor dem Ende seiner kurzen Amtszeit als Nationaltrainer Frankreichs. Die Wellen, die die Veröffentlichung von "Mediapart" schlugen, könnten kaum höher sein. Die angesehene Sportzeitung "L'Equipe" spekuliert, dass der 45-Jährige entweder gefeuert wird oder selbst zurücktritt. Zu groß seien die Anschuldigungen, zu stark die Kritik aus Sport, Politik und Gesellschaft.

Das Internetportal berichtete, dass Blanc und viele Funktionäre bei einer Sitzung eine Quote für Jugendfußballer in den U-Nationalmannschaften befürworteten: Demnach sollten höchstens 30 Prozent der Spieler in den Kadern der Jugendmannschaften eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen dürfen, damit sie sich nicht, wie der aktuell Führende der Ligue-1-Torschützenliste Moussa Sow, nach dem Durchlaufen der Jugendteams des französischen Verbands für eine andere Nationalmannschaft entscheiden können.

Blanc: Äußerungen zunächst bestritten

Blanc stritt zunächst die Vorwürfe ab ("Lüge"), auch der Verbandspräsident Fernand Duchaussoy leugnete die Vorkommnisse - bis das Protokoll der besagten Sitzung aus dem November 2010 veröffentlicht wurde und keine Ausrede mehr möglich war. Der Nationalcoach gab daraufhin gezwungenermaßen die Richtigkeit der Meldungen zu, betonte aber, dass seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen worden seien.

Nicht nur die grundsätzliche Idee einer solchen Quote und die Befürwortung sorgte für einen Sturm der Entrüstung, sondern auch einzelne Aussagen Blancs über dunkelhäutige Spieler.

Frankreich "produziere" immer die gleichen Spielertypen: groß, stämmig und stark. "Und wer ist groß, stark, stämmig? Die Schwarzen. So ist das nun mal", gab der Kapitän der Weltmeisterschaftmannschaft von 1998 zu Protokoll. Blanc zitierte auch einen spanischen Vertreter, der gesagt haben soll, dass die Iberer keine Probleme hätten, weil sie keine dunkelhäutigen Spieler haben.

Harte Kritik von Thuram und Vieira

Zu den Anführern der öffentlichen Kritik gehört ausgerechnet Blancs ehemaliger Teamkollege Lilian Thuram, der die Entlassung von Nationaltrainer und Funktionären fordert: "Alle müssen weg, Blanc hat einen Fehler gemacht".

Auch Patrick Vieira, ebenfalls mit Blanc 1998 Weltmeister geworden, spart nicht mit Kritik: "Das ist skandalös! Das sind schlimme Äußerungen. Man kann mir erzählen, was man will, aber keiner wurde bei diesem Meeting hereingelegt", sagte Vieira und fuhr fort: "Niemand wurde gezwungen, diese Worte zu sagen. Ich bin geschockt, ich hätte niemals gedacht, dass führende Kräfte in Frankreichs Fußball solche Unterhaltungen über Frankreichs Nationalmannschaften führen könnten. Niemals!".

Die Kritik von Vieira und Thuram stieß wiederum Ex-Nationalspieler Christophe Dugarry sauer auf, wodurch die Debatte eine völlig neue Ebene erhielt und Fußball-Frankreich inzwischen in zwei Lager teilt, weil sich die Kritiker nun untereinander angreifen.

"Als wir 1998 in der Kabine den WM-Titel gefeiert haben, hat Thuram irgendwann alle Dunkelhäutigen zusammengerufen und ein Erinnerungsfoto gemacht. Ich habe mir nichts dabei gedacht, aber Frank Leboeuf hat mich darauf hingewiesen, dass es wohl einen Skandal gegeben hätte, wenn wir Weißen so etwas Ähnliches gemacht hätten. Ich will damit nicht sagen, dass Thuram ein Rassist oder Faschist ist, aber mir gefällt nicht, wenn er sich als höhere Instanz aufführt", erzählte Dugarry.

Lizarazu: "Technische, keine ethnische" Diskussion für Blanc

Auch Ex-Bayern-Star Bixente Lizarazu schlägt sich auf die Seite des Nationaltrainers: "Ich garantiere mit meinem Namen, dass Laurent nie ein Rassist war. Für ihn ist die Diskussion eine rein technische, keine ethnische."

Nachdem Blanc sportlich einen guten Start hinlegte und auch im Umgang mit der Affäre von Südafrika Erfolg hatte, scheint die Lage schlimmer denn je: Auch falls Blanc in naher Zukunft nicht mehr Trainer der Equipe tricolore sein wird, kann sich die Debatte über Jugendspieler mit Migrationshintergrund noch Monate hinziehen.

Laurent Blanc im Profil

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