Frankreichs Hoffnung von der Vulkaninsel

Von Falk Landahl
Dimitri Payet (l.) feierte in der EM-Quali gegen Rumänien ein Länderspiel-Debüt nach Maß
© Imago

Frankreichs Fußball steckt spätestens seit der Weltmeisterschaft in der Krise. Mit Thierry Henry, David Trezeguet und Nicolas Anelka ist Schluss, Franck Ribery ist weiterhin verletzt. Anlass zur Hoffnung gibt ein Shootingstar vom AS Saint-Etienne: Dimitri Payet.

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Es sind noch fünf Minuten im Spiel gegen Rumänien zu spielen. Frankreichs Nationaltrainer Laurent Blanc hat genug von Karim Benzema gesehen.

Der Stürmerstar Real Madrids hat 85 Minuten lang eindrucksvoll unterstrichen, warum er nicht für die Weltmeisterschaft in Südafrika nominiert wurde und bei den Königlichen regelmäßig mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen muss.

Für ihn kommt der Shootingstar der Ligue 1 ins Spiel: Dimitri Payet. Mit 23 Jahren ist er sogar älter als Benzema, der vorher die große französische Hoffnung auf Besserung war.

Payet macht im Gegensatz zu Benzema sofort auf sich aufmerksam: Mit zwei, drei Übersteigern macht er Razvan Rat im Strafraum nass, legt zu Yoann Gourcuff ab, der trifft in der Nachspielzeit zum 2:0.

Blanc begeistert von Payet

Nicht nur Payets Kurzauftritt gegen die Rumänen begeisterte Frankreich-Trainer Blanc zuletzt: "Dimitri ist exzellent in die Saison gestartet. Wie ich es ihm auch schon gesagt habe, wird es schwierig sein, seinen Rhythmus zu halten. Wir sind sehr zufrieden, wie er sich verhalten hat und welche fußballerischen Qualitäten er mitbringt."

Payet könnte künftig eine wichtigere Rolle bei den Franzosen spielen. Seine Spielanlage passt perfekt in das 4-5-1-System. Zudem befindet sich der französische Fußball im Umbruch. Nach der verkorksten WM 2010 muss Laurent Blanc den Umbruch einleiten.

Krise in der Offensive

Gerade in der Offensive sind die Sorgen der Equipe Tricolore allgegenwärtig. Mit Thierry Henry und David Trezeguet sind zwei ehemalige Leistungsträger über ihren Zenit und haben offenbar kein großes Interesse mehr an der Nationalmannschaft.

Nicolas Anelka ist nach der Domenech-Affäre von Südafrika nicht mehr tragbar.

Auch Benzema, Andre-Pierre Gignac und Jeremy Menez drängen sich nicht gerade auf.  Das Aushängeschild der Auswahl Frankreichs, Franck Ribery, sucht seit Monaten seine Form und muss sich ständig mit Verletzungen rumplagen.

Hier tritt Payet auf dem Plan. Mit seinen flinken Beinen und dem guten Auge für seine Mitspieler könnte Payet mittelfristig sogar Riberys Platz auf der rechten Außenbahn streitig machen.

Der 23-Jährige gibt sich in der Frage aber ganz bescheiden: "Ich beanspruche nicht den Platz von Ribery. Er ist ein großartiger Spieler und ich bin noch weit von seinem Niveau entfernt."

Bei Le Havre aussortiert

Vor einem Jahr war Payet auch noch weit von der Equipe Tricolore entfernt. Und blickt man noch weiter zurück, dann hätte nicht viel gefehlt und der Mann, der von der Vulkaninsel La Reunion im Indischen Ozean stammt, wäre gar nicht erst Profi geworden.

1999 holte Le Havre Payet durch eine Partnerschaft mit dem Inselklub JS Saint-Pierroise auf das Festland und ließ ihn vier Jahre lang die Jugendmannschaften durchlaufen.

Der Verein aus der Küstenstadt aber, der namhafte Spieler wie Lassana Diarra, Steve Mandanda und Pascal Chimbonda hervorbrachte, schickte Payet zurück nach La Reunion.

Der Spieler fühle sich nicht wohl und könnte sich so nicht weiterentwickeln. Eine Rückkehr in die Heimat sei das Beste für beide Seiten, hieß es. Anders ausgedrückt: Die Jugendtrainer hatten Payets schwierigen Charakter und seine fehlende Einstellung schnell satt und setzten ihn vor die Tür.

Der Wendepunkt

Für viele junge Talente hätte das den ersten Schritt in die Bedeutungslosigkeit bedeutet. Payet hat es aber geschafft, sowohl an seinen fußballerischen Fähigkeiten als auch an seiner Einstellung zu arbeiten.

Auch ein Wendepunkt in seinem Leben half bei der Entwicklung zum echten Profi weiter: "Die Geburt meines Kindes hat mich gefestigt. Außerdem bin ich jetzt schon ein bisschen ruhiger und trainiere auch fleißiger."

Beeindruckende Form

Den größten Anteil an seinem Höhenflug schreibt Payet seinem Trainer Christophe Galtier zu. "Das unsichtbare Training macht den Unterschied. Alles, was nicht zum klassischen Training gehört. Die gemeinsamen Pausen, das Essen mit der Mannschaft - das stärkt unseren Mannschaftsgeist."

Der Wandel Payets drückt sich in beeindruckenden Zahlen aus: Obwohl zumeist als Flügelspieler oder Regisseur beim AS Saint-Etienne eingesetzt, stehen nach acht Partien schon sieben Treffer auf seinem Konto. Die Führung in der Torschützenliste inklusive.

Die Schieflage der Equipe Tricolore hat nicht nur Payet Auftrieb gegeben - auch in der Ligue 1 tut sich etwas. Stade Rennes und Saint-Etienne mischen ganz oben mit, die Nationalmannschaft lässt sich von Spielern wie Loic Remy und eben Payet zum Sieg schießen.

Wachablösung in der Ligue 1?

In der Ligue 1 mag das - ähnlich wie in der Bundesliga, wo der FSV Mainz 05 und Borussia Dortmund die Liga dominieren - nur eine Momentaufnahme sein.

Unter Blanc ist das jedoch der Weg, den man nach der Weltmeisterschaft mit der Nationalmannschaft einschlagen wollte - und musste.

Payet ist einer dieser jungen Spieler, auf die Blanc in Zukunft setzen möchte. In ihrer Karriere haben sie noch nicht viel erreicht und brennen darauf, für Frankreich aufzulaufen. Trotz seiner erst 23 Jahre ist Payet erfahren und geht mittlerweile in seine sechste Saison als Profi.

Auch wenn er seriöser und professioneller geworden ist, lässt sich Payet einen guten Spaß nicht entgehen. Beim Training der Equipe Tricolore forderte ihn der Assistenztrainer heraus - und zog klar den Kürzeren, beim Versuch aus großer Entfernung ins Fenster eines Schuppens zu treffen (zum Video).

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