Premier League: Erst skrupellos, dann traumhaft

SID
Mit 21 Jahren ist Cesc Fabregas (M.) beim FC Arsenal fast schon ein alter Hase
© Getty

Arsene Wenger, der vor ein paar Jahren von Alex Ferguson mal als "altes Essiggesicht" verspottet wurde, ging für seine Verhältnisse gelassen mit der Niederlage um.

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"Wir werden nächste Woche ein ganz anderes Arsenal sehen", sagte er im Pressesaal von Old Trafford, und als Premier League Inside (PLI) leicht unverschämt nachfragte, ob seine junge Truppe dem mentalen Druck wirklich standhalten könne, sprach der Elsässer eine Einladung aus. "Kommen Sie nächste Woche zur Pressekonferenz ins Emirates, dann werden wir uns wieder sehen". Merci, Arsene - PLI wird da sein.

Der Arsenal-Trainer hatte sich schon vom Podest erhoben, da brachte ein englischer Reporter die Fundamentalkritik von Karl-Heinz Rummenigge ins Spiel. Der Bayern-Vize hat Wenger in der "Sport-Bild" "Kinderhandel" und eine Art von "Kidnapping" vorgeworfen, weil dieser zum Beispiel im Fall von Cesc Fabregas eine Lücke im spanischen Arbeitsrecht für sich ausgenutzt hatte.

Teenager können in Spanien keine Profiverträge unterzeichnen. Als die Gunners mit einem relativ üppigen Gehaltsangebot kamen, musste Barca den in der eigenen La Cantera-Akademie ("Der Steinbruch") umsonst ziehen lassen. Cesc kam zwar nicht, wie von Rummenigge behauptet, mit 15 Jahren nach London - er war bereits 16 - aber das ändert nichts an der zumindest etwas fragwürdigen Praxis.

Wenger: "Wie alt war Santa Cruz?"

"Das ist eine alte Klage (von Rummenigge)", winkte Wenger am Mittwochabend ab. "Fragen Sie ihn mal, wie alt Santa Cruz war, als er zu Bayern kam. Dann haben sie ihre Antwort." Diese fiel allerdings nicht wirklich eindeutig aus. Roque kam mit 17 von Oilimpia Asuncion nach München, und ganz sicher nicht ablösefrei: die Zeitungen berichteten damals (1999) von einer Transfersumme im zweistelligen DM-Millionenbereich.

Im Grunde geht die Diskussion sowieso ein wenig am eigentlichen Thema vorbei. Die Premier League mag äußerst skrupellos sein, was die Verpflichtung von internationalen Talenten angeht. Aber wenn die Jungs erst einmal auf der Insel sind, finden sie dort Bedingungen vor, von denen andere nur träumen können.

Cesc, man sollte es nicht vergessen, verließ Barcelona auch, weil er längst zu gut für die zweite Mannschaft geworden war, aber dort nicht mit der ersten Elf trainieren durfte.

Bei Arsenal und den meisten Premier-League-Vereinen ist das anders. Dort können sich die Jungs tagtäglich mit den etablierten Stammspielern messen, und sie bekommen auch sehr viel früher eine Chance, sich auf dem Platz zu beweisen.

Viele Stars schon früh im Einsatz

Vier der besten Teenager aller Zeiten in der Prem standen allein am Mittwochabend wieder auf den Platz, wenn auch mittlerweile im fortgeschrittenen Alter. Der angesprochene Cesc ist mit 21 Jahren (!) Kapitän bei den Gunners und beinahe schon ein Veteran.

Kollege Theo Walcott hat mit 20 auch schon drei volle Spielzeiten bei den Gunners auf dem Buckel, davon die letzten beiden als Stammspieler.

Auf der anderen Seite wuselte der ehemalige Everton-Stürmer Wayne Rooney, 23, der einst fünf Tage vor seinem 17. Geburtstag mit einem sensationellen Tor gegen Arsenal ganz England verzückte. Routinier Ryan Giggs gab mit 17 Jahren schon sein Debüt bei den Red Devils und wurde mit 18 zum Stammspieler.

Viele der heute tragenden Figuren in der Liga durften schon sehr früh gegen den Ball treten. Steven Gerrard bekam mit 18 Jahren 18 Einsätze in seiner ersten Profisaison beim FC Liverpool, wo der etwas ältere Michael Owen zur gleichen Zeit schon als Jahrhunderttalent gefeiert wurde. Frank Lampard war im Vergleich ein Spätstarter: er wurde bei West Ham "erst" mit 20 zum Stammspieler, weil er eine Saison wegen einem Beinbruch komplett verpasst hatte.

Hitzlsperger: "Man vertraut jungen Menschen auf der Insel mehr"

"Man vertraut jungen Menschen auf der Insel mehr", hat Thomas Hitzlsperger erzählt, der mit 18 nach Aston Villa wechselte, weil er dort mehr Chancen auf Einsätze bei den Profis sah als bei den Bayern. "Das ist nicht nur im Fußball so. Viele beenden dort mit 16 die Schule und stehen mit Anfang 20 schon voll im Berufsleben. Man ist es einfach gewöhnt, dass junge Leute mehr Verantwortung tragen."

Wengers "Jugendwahn" (Rummenigge) ist natürlich auch Kalkül. Nur weil Arsenal den Großteil seiner Spieler für kleines Geld selbst ausbildet, kann man mit finanzkräftigeren Vereinen im In- und Ausland überhaupt mithalten.

Am Freitag stellt Raphael Honigstein seine zehn Top-Talente der Premier League vor.

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Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 15 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungiert Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 34-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.

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