Die Wunschliste der Scheichs

SID
Geld ist für Manchester City kein Problem. Der Klub will im Sommer ganz groß einkaufen
© Imago

Ein Teilziel haben die ambitionierten Eigentümer aus Abu Dhabi knapp drei Monate nach der 250 Millionen teuren Übernahme schon erreicht. Manchester City ist mit seinen theoretisch unbegrenzten Transfermöglichkeiten heute das, was Chelsea noch vor kurzem war: der Verein, der ganz unabhängig von den Ergebnissen die Schlagzeilen auf der Insel monopolisiert. Raphael Honigstein analysiert Schalkes UEFA-Cup-Gegner. Für SPOX berichtet er jeden Donnerstag aus London über die Premier League.

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Die Gerüchteküche bei ManCity brodelt wie sonst nirgends

Ganz aktuell sollen die Scheichs mit Ashley Cole (Chelsea) liebäugeln, in der vergangenen Woche haben sie angeblich 60 - vielleicht auch 600? - Millionen Euro für Gianluigi Buffon, den Torwart von Juventus, geboten, und ein bisschen weniger für Chelsea-Kapitän John Terry. Kaka würden sie selbstverständlich auch noch gerne vom AC Milan in den Nordwesten Englands locken.

An keiner Geschichte ist etwas Konkretes dran - und doch stimmen sie alle. Denn es gibt, wie ein englischer Spielerberater Premier League Inside bestätigt, wirklich eine offizielle Wunschliste, auf der zwei Dutzend prominente Namen stehen.

Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger vom FC Bayern gehören mit Spaniens EM-Held David Villa (Valencia) dazu. Stuttgarts Stürmer Mario Gomez, Dimitar Berbatov (Spurs/Man United), Fernando Torres (Liverpool) und Ruud van Nistelrooy (Real Madrid) hatten schon am 1. September lukrative Angebote von City ausgeschlagen.

Von Transferausgaben von mindestens 120 Millionen Euro im Januar geht selbst der seriöse "Daily Telegraph" aus.

Citys Eigentümer, die in dem Golfemirat regierende Al-Nahyan Familie, besitzt nach Schätzungen ein Vermögen von knapp 700 Milliarden Euro. Weder der billige Ölpreis noch die Finanzkrise schlagen dort wirklich ins Kontor. Falls Oberhaupt Mansour Bin Zayed Al-Nayhan im Winter ernst macht, könnten sich die Machtverhältnisse in England und Europa grundlegend ändern.

Coach Mark Hughes steht vor einer Herkules-Aufgabe

Die Frage ist nur, wie schnell ManCity wachsen kann - und will. Trainer Mark Hughes hat zwar nach der Übernahme am 1. September gesagt, "Weihnachten, Ostern und Geburtstag" seien für ihn zusammen gefallen, doch dem 45-Jährigen scheinen die ehrgeizigen Ideen der Eigentümer nicht so ganz geheuer.

Bei den Blackburn Rovers ließ er gut organisierten Zermürbungsfußball spielen und hatte damit (relativen) Erfolg. Jetzt soll er einen aufgeblasenen Kader voller Offensivspieler in die Champions League führen, obwohl knapp die Hälfte der Kicker fürchten muss, demnächst durch prominentere Neuzugänge ersetzt zu werden. Eine schwierige Konstellation, selbst für einen Mann mit Erfahrung.

Große Namen = Werbeeinnahmen

Die Scheichs setzen ganz auf große Namen wie 40-Millionen-Euro-Mann Robinho, allein schon wegen des Werbeeffekts: Geschäftsführer Gary Cook hat erklärt, aus dem in der Vergangenheit meist belächelten Nachbarn von Manchester United eine internationale Marke mit eigenen Restaurants, Autos und Limonaden machen zu wollen. "Dafür braucht man Stars", sagte Cook, "denn bei allem Respekt geht den Leuten in Bangkok der Name Richard Dunne (Citys Old School-Kapitän in der Abwehr, Anm. d. Verf.)  nicht so leicht von den Lippen."

Hughes dagegen hätte lieber weitere Spieler mit Premier-League-Erfahrung zur Verfügung. Zum Beispiel bemüht er sich um den in England tatsächlich zum Torjäger  - bitte nicht lachen, Bayern-Fans - avancierten Roque Santa Cruz. Ob er sich mit diesen Wünschen durchsetzen kann, scheint fraglich.

Seine Position ist nach dem eher bescheidenen Saisonbeginn geschwächt; City dümpelt im grauen Mittelmaß der Liga, auf Platz elf. Die zum zweiten Mal binnen zwei Spielzeiten radikal umgebaute Mannschaft kann eben noch keine funktionierende Einheit sein.

City trotz allem nur Mittelmaß

Schon der frühere Besitzer Thaksin Shinawatra hatte, bevor er den Verein aus Geldmangel an die Scheichs verkaufen musste, vorwiegend Angreifer verpflichtet; diesen Sommer kamen noch die Brasilianer Jo (ZSKA Moskau) und Robinho (Real Madrid) für insgesamt 65 Millionen Euro hinzu. Ähnlich unausgewogen wie der Kader waren auch die Ergebnisse. In den vergangenen zwölf Spielen kassierten die Citizens zehn Mal zwei Gegentore. 17 Punkte aus 14 Spielen sind bestenfalls Durchschnitt.

Ein überzeugendes 3:0 gegen den FC Arsenal am vergangenen Samstag hat die aufkeimende Trainerdiskussion vorerst etwas leiser werden lassen, insgesamt aber hinkt die sportliche Entwicklung den irrsinnig hohen Ansprüchen zwangsläufig hinterher. 

Als der ehemalige United-Stürmer neulich zu einem Gespräch in die Wüste flog, spekulierten einige Blätter, ob die Besitzer ihm denn auch einen Rückflug gebucht hätten. Hughes kam wieder, braucht aber dringend Resultate. Am kommenden Sonntag bietet sich beim Derby gegen ManUnited die Gelegenheit, zumindest einen Prestige-Erfolg zu feiern.

Hughes wird genau wissen, wie die offiziellen Treuebekundungen seiner Arbeitgeber  - "wir wollen hier eine Dynastie gründen und wissen, dass man Geduld haben muss", so Klub-Präsident Khaldoon Al-Mubarak - zu werten sind.

Wer wie die Scheichs bereit ist, schon am ersten Tag eine Handvoll Spitzenkräfte zu verpflichten, wird sicher bald darüber nachdenken, ob man nicht vielleicht auch für den Platz auf der Bank einen echten Superstar holen sollte.

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Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 15 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungiert Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 34-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.

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