ManUnited nur noch Underdog: Wie eine 1:6-Blamage das Manchester-Derby auf den Kopf stellte

Von Jonathan Smith
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© getty

Für viele war ein Spiel vor einem Jahrzehnt der Wendepunkt der Fußballrivalität in Manchester. Edin Dzeko erzielte seinerzeit nach einem Pass von David Silva das letzte Tor der Skyblues, das zum unvergesslichen 6:1-Endstand beim spektakulären Sieg von Manchester City im Old Trafford - und der Fußball in der Stadt war nie wieder ganz derselbe.

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"Diese Stadt gehört uns", verspotten die Fans von Manchester City ihre Rivalen seither. Nachdem sie jahrzehntelang in einer Stadt leben mussten, in der die Roten dominierten und die Himmelblauen immer tiefer sanken, hatte sich City nun endlich revanchiert

In den letzten zehn Jahren haben sich die Vereine in entgegengesetzte Richtungen entwickelt. City ist auf der Jagd nach Titeln, während United immer deutlicher im Schatten des Erzrivalen steht. Die Red Devils sind seit 2014 nicht mehr vor City gelandet und abgesehen von der Saison 2015/16, als man auf den Plätzen vier und fünf nur aufgrund der Tordifferenz getrennt war, kamen sie nicht einmal in die Nähe.

Im Durchschnitt lagen die beiden Klubs in den vergangenen acht Jahren 15 Punkte auseinander und am Ende der Saison 2018/19 trennten sie unglaubliche 32 Zähler. Der 6:1-Sieg im Jahr 2011 kann dabei in gewisser Weise als ein entscheidender Moment angesehen werden.

City hatte in 37 Jahren nur ein einziges Mal in Old Trafford gewonnen und United-Boss Sir Alex Ferguson gab sich entsprechend siegessicher. Vor dem Derby wurde er gefragt, ob seine Mannschaft jemals Außenseiter sein würde. "Nicht in meinem Leben", lautete die Antwort. Nach den demütigenden 90 Minuten sah Ferguson sichtlich schockiert aus, als er die Seitenlinie hinunterging und an einem überwiegend leeren Stadion vorbeizog.

Manchester City: Der Titel 2011/12 als Wendepunkt

Den Spielern von City wurde vorgeworfen, sich nur des Geldes wegen den Skyblues angeschlossen zu haben, doch der Titelgewinn in der Saison 2011/12 unterstrich endgültig die Ambitionen des Projekts. "Wir wollten dieses Spiel gewinnen, um allen zu beweisen, dass wir es in dieser Liga ernst meinen", sagte der ehemalige Verteidiger Joleon Lescott, der beim 6:1 auf dem Platz stand.

"Wir waren als Gruppe besonders motiviert, weil uns außerhalb des Vereins niemand ernst genommen hat. Wir waren nur zusammen, weil ManCity uns mit Geld überschüttet hat - das war der Eindruck, aber das war nicht unsere wirkliche Motivation. Wir haben daran geglaubt, dass wir etwas erreichen und erfolgreich sein können", führte der 26-malige englische Nationalspieler aus.

City gewann den Titel in dieser Saison nach einem weiteren entscheidenden Derbysieg am Saisonende. Obwohl es Ferguson in seiner letzten Saison (2012/13) dann gelang, den Titel zurückzuerobern, ist es eine Tatsache, dass United seitdem in praktisch jedem Derby der Außenseiter war. Der Angstfaktor ist längst verschwunden: City hat acht seiner letzten 13 Spiele im Old Trafford gewonnen.

ManUnited: Der Optimismus ist verflogen

Einige halten den 6:1-Sieg immer noch für ein verrücktes Ergebnis, da drei Tore in der Nachspielzeit fielen und United zu diesem Zeitpunkt nur noch zu zehnt war. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass eine Wiederholung an diesem Wochenende möglich ist. Schließlich musste United im letzten Heimspiel in der Premier League gegen Liverpool (0:5) eine ähnliche Demütigung hinnehmen.

Die Heldentaten von Cristiano Ronaldo in den letzten Wochen haben zwar einigen United-Fans Hoffnung auf einen Derbysieg gemacht. Es gibt jedoch auch viele, die froh wären, wenn sich eine Blamage wie gegen die Reds vor zwei Wochen nicht wiederholen würde.

Der anfängliche Optimismus, dass Ole Gunnar Solskjaer einen längst überfälligen Angriff auf den Titel starten könnte, scheint verflogen zu sein und eine weitere schwere Niederlage würde den Druck auf den Norweger noch einmal erhöhen. Die aktuellen Probleme auf der Trainerbank sind dabei symptomatisch für die unterschiedlichen Arbeitsweisen der beiden Vereine.

Die nächste Fehlbesetzung: United klammert sich an Solskjaer

City hat mit Guardiola seine Traumverpflichtung getätigt und bereits jetzt potenzielle Nachfolger im Blick, die seinen möglichen Weggang auffangen könnten. Solskjaer ist derweil die jüngste in einer Reihe von Fehlbesetzungen - eine Klublegende, von der man sich Erfolg erhoffte, nachdem der energische Ansatz von Jose Mourinho, die taktische Zwangsjacke von Louis van Gaal und der "Auserwählte" David Moyes ohne Erfolg blieben.

Es gibt keine offensichtlichen Kandidaten für die Nachfolge, weshalb manche glauben, dass man sich an Solskjaer klammert. Ähnlich wie bei der Trainersuche verhält es sich mit Neuverpflichtungen. Nicht alle Spieler, die Guardiola verpflichtet hat, waren ein Erfolg, aber jeder von ihnen wurde gezielt ausgewählt, um eine bestimmte Rolle in seiner Strategie auszufüllen.

Für viel Geld verpflichtete Stars wie Donny van de Beek und Jadon Sancho kommen bei United hingegen nicht über einen Bankplatz hinaus und haben keine klare Rolle in der Mannschaft. Andere wie Fred und Harry Maguire wurden von City umworben und haben es seit ihrem Wechsel zum Stadtrivalen schwer. Wie anders hätten ihre Karrieren unter Guardiola verlaufen können.

Was man Solskjaer zugutehalten muss: Er hat eine Erfolgsbilanz gegen Guardiola vorzuweisen und hat mit einem denkwürdigen Sieg im Etihad die Titelfeierlichkeiten 2018 verschoben. Auch am Samstag könnte ihm ein Überraschungssieg gelingen. In den letzten zehn Jahren hat United zwar die eine oder andere Schlacht für sich entschieden, aber City hat immer wieder den Krieg gewonnen.