Fan-Wut, Star-Kritik und UEFA-Druck: 5 Gründe für den Ausstieg der England-Elite aus der Super League

Von Dennis Melzer
The Kop: Die legendäre Tribüne an der Anfield Road.
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3. Super-League-Kritik: TV-Experte Gary Neville wird zum Sprachrohr

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Gary Nevilles Wutrede ausgerechnet im Pay-TV-Sender Sky ausgestrahlt wurde, gelten doch - gerade bei Traditionalisten - derlei Medienkonzerne als Wegbereiter der Fußball-Kommerzialisierung.

Dennoch traf der frühere englische Nationalspieler bei den Zuschauern einen Nerv, redete sich unverblümt das von der Seele, was viele Menschen dachten, als sie über die Presse von der Super League erfuhren. "Ich bin Manchester-United-Fan, ich bin das seit 40 Jahren - aber ich bin empört, total empört", sagte die Red-Devils-Legende, die seit einigen Jahren als TV-Experte für Sky tätig ist.

Er führte aus: "Das ist kriminell. Das ist ein krimineller Akt gegen die Fans! Das ist eine Schande!" Neville bewertete das Vorgehen der sechs englischen Vereine als Verrat der eigenen Werte und Geschichte. "Das ist reine Geldgier. Das sind Hochstapler", meinte Neville und forderte als Reaktion: "Das sollte verdammt werden!"

Neville erntete im Anschluss viel Lob für seine Offenheit, avancierte in nur wenigen Minuten zum Sprachrohr der Super-League-Gegner. Die Offenheit animierte später viele weitere Ex-Fußballer dazu, sich ebenfalls nicht mit ihrer Kritik zurückzuhalten. Der einstige Weltklasse-Kicker Luis Figo twitterte: "Diese sogenannte "Superleague" ist alles andere als "super." Dieser gierige und gefühllose Schritt würde eine Katastrophe für unsere Basis, den Frauenfußball und die breitere Fußballgemeinschaft bedeuten." Der Portugiese warf den involvierten Klubeigentümern außerdem vor, nur noch im eigenen Interesse zu handeln.

Podolski, Özil, Schweinsteiger: Vereint gegen die Super League

Auch ehemalige DFB-Stars schossen in Richtung der Abtrünnigen. Lukas Podolski, der in der Vergangenheit bei gleich zwei der zwölf Super-League-Gründern unter Vertrag stand (Arsenal und Inter), schrieb: "Dieses Projekt ist ekelhaft, unfair und ich bin enttäuscht, dass Klubs dabei sind, die ich repräsentiert habe." Mesut Özil, mittlerweile in Diensten von Fenerbahce, aber mit langer Vergangenheit bei Real Madrid und Arsenal, schloss sich an: "Der Genuss an den großen Spielen ist, dass es sie nur ein- oder zweimal im Jahr gibt, nicht jede Woche. Die Pläne sind für alle Fußballfans da draußen wirklich schwer nachzuvollziehen."

Selbst der sonst eher besonnene Bastian Schweinsteiger sah sich berufen, die Super League zu kritisieren: "Wenn die Super League realisiert wird, wird sie den Fußball, wie wir ihn kennen, zerstören, und das ist für mich ein sehr trauriger Gedanke", schrieb er auf Twitter.

Nur einige wenige Beispiele, die darlegen, wie groß der Sturm der Entrüstung selbst bei den Altgedienten, die selbst nicht direkt von den Plänen betroffen sind, war.

4. UEFA-Drohgebärden gegen Super League verfehlen Ziel nicht

Es wäre gänzlich vermessen, die UEFA, die soeben ihre umstrittene Champions-League-Reform durchgeboxt hat, als Gralshüter und Retter des Fußballs zu lobpreisen. Dem ist sicherlich nicht so, dennoch spielte der mächtige Verband eine wichtige Rolle dabei, die Super League zu verhindern - und durfte dabei sogar (endlich) einmal mit dem Finger auf "die Anderen" zeigen.

UEFA-Boss Aleksander Ceferin inszenierte sich als Fan-Versteher, bezeichnete die zwölf Klubs als "dreckiges Dutzend", für das die Anhänger "nur noch Konsumenten" seien. Die Quintessenz seiner Schimpftirade war: "Meiner Meinung nach müssen die Teams und Spieler von all unseren Wettbewerben ausgeschlossen werden. Es wird ihnen auch nicht mehr erlaubt sein, für ihre Nationalmannschaften aufzulaufen."

Hätte bedeutet, dass zahlreiche Stars bei künftigen Europameisterschaften und Weltmeisterschaften fehlen würden. Zusätzlich machten Gerüchte die Runde, sämtlichen zwölf Größen könnten ihre in der Vergangenheit in UEFA-Wettbewerben, wozu auch die nationalen Ligen zählen, erlangten Titel aberkannt werden, Ausschlüsse sowohl aus Premier League, Serie A und LaLiga als auch der noch laufenden Champions- und Europa-League wurden thematisiert.

UEFA drohte Super-League-Gründern mit Champions-League-Rauswurf

UEFA-Exekutivkomitee-Mitglied Jesper Moller wurde diesbezüglich sogar konkret: "Sie müssen gehen. Ich rechne damit am Freitag. Dann müssen wir uns überlegen, wie wir diese Champions-League-Saison beenden", sagte der Däne im Interview mit dem Sender DN.

Inwiefern die rechtliche Legitimation für einen Spieler-Ausschluss von Nationalmannschaften oder den Rausschmiss aus den europäischen Liga-Wettbewerben gegeben ist, wurde zunächst nicht geklärt. Dies wolle man prüfen, kommunizierte Ceferin. Gleichzeitig ließ er die UEFA-Tür für die zwischenzeitlich Davongeeilten allerdings einen Spalt offen.

Durch ebenjenen Spalt müssen die binnen 48 Stunden Gebrandmarkten nun schreiten. Es dürfte mutmaßlich nicht lange dauern, bis Ceferin, der sich vielleicht auch künftig gerne in der Rolle des Robin Hoods gesehen hätte, wieder zum Sheriff von Nottingham für die Fans wird. Seine Drohgebärden haben jedoch Wirkung gezeigt.

5. Boris Johnson vs. Super League - die Politik mischt sich ein

Boris Johnson fiel bisher nicht als großer Fußball-Aficionado auf, das wird der ehemalige deutsche Nationalspieler Maurizio Gaudino wohl bestätigen können. Bei einem Charitymatch senste der heutige britische Premierminister den früheren Frankfurter derart um, dass dieser zunächst mit schmerzverzerrtem Gesicht liegenblieb.

Johnson hat kein sonderlich ausgeprägtes Ballgefühl, als waschechter Populist hat er allerdings ein Gespür dafür, wann er den Anpacker mimen muss. Am Montag war es soweit, der wildfrisurige Stratege hatte gemerkt, dass Teile des Volkes gegen eine Entwicklung aufbegehren, die das selbsternannte Mutterland des Fußballs in eine tiefe Fußball- Krise gestürzt hätte.

"Das sind keine guten Nachrichten für Fans und auch keine guten Nachrichten für den Fußball in diesem Land", sagte Johnson bei einem Besuch in der Grafschaft Gloucestershire. Johnson weiter: "Es sind Klubs, die aus ihren Orten und Städten, aus ihren lokalen Gemeinschaften stammen. Sie sollten eine Verbindung zu diesen Fans und zur Fangemeinde in ihren Gemeinden haben." In einem Gastbeitrag für das Boulevard-Blatt The Sun legte er noch einmal nach: "Ich werde alles tun, was ich kann, um diesem lächerlichen Plan die Rote Karte zu zeigen."

Prominente Unterstützung erhielt Johnson von Prinz William, bekennender Aston-Villa-Fan. "Jetzt müssen wir mehr denn je die gesamte Fußballgemeinschaft - von der obersten Ebene bis zur Basis - und die Werte von Wettbewerb und Fairness in ihrem Kern schützen", schrieb er auf Twitter. Auch EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas schaltete sich via Twitter ein: "Wir müssen ein werteorientiertes europäisches Sportmodell verteidigen, das auf Vielfalt und Inklusivität basiert."

Eine absolute Seltenheit, dass die Politik, vor allem die wichtigsten Staatsoberhäupter, sich in solch einem Maße in eine sportliche Debatte einschaltet. Dass selbst aus dieser Richtung Gegenwind blasen würde, hatten die Super-League-Befürworter wohl überhaupt nicht auf dem Radar.

Super League: Das waren die zwölf Teilnehmer

TeamsLiga
Manchester CityPremier League
Manchester UnitedPremier League
FC LiverpoolPremier League
FC ChelseaPremier League
FC ArsenalPremier League
Tottenham HotspurPremier League
Real MadridPrimera Division
FC BarcelonaPrimera Division
Atletico MadridPrimera Division
JuventusSerie A
AC MilanSerie A
Inter MailandSerie A

 

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