Scott McTominay bei Manchester United: Der Anti-Pogba

Scott McTominay spielt seit er fünf Jahre alt ist bei Manchester United.
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Scott McTominay galt zunächst als zu klein und dann als Mourinho-Spieler. Mittlerweile hat sich der 22-jährige zentrale Mittelfeldspieler aber auch unter dem neuen Manchester-United-Trainer Ole Gunnar Solskjaer durchgesetzt. Beim 3:1-Sieg im Achtelfinalrückspiel der Champions League bei Paris Saint-Germain glänzte er als Abräumer - und war somit mitverantwortlich für den Viertelfinaleinzug seines Klubs. Dort geht es gegen den FC Barcelona (21 Uhr im LIVETICKER).

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Es wirkte damals Ende Februar 2018 ein bisschen so, als suche Jose Mourinho nach der ultimativen Demütigung für seinen ultimativen Star. Als wolle er allen zeigen: Er, der große Mourinho, ist der Boss bei Manchester United! Nur er! Nicht dieser Paul Pogba, der ehemals teuerste Fußballer des Planeten, von dessen Startum Mourinho zunehmend genervt gewesen sein soll.

Also setzte Mourinho Pogba beim bis dahin wichtigsten Saisonspiel, dem Achtelfinalhinspiel der Champions League beim FC Sevilla, einfach auf die Bank. Stattdessen lief im zentralen Mittelfeld Scott McTominay auf. Ein 21-jähriger Schotte, der bis dahin genau 197 Minuten in der Premier League gespielt hatte.

Er machte seine Sache gegen Sevilla zwar ordentlich und United holte ein respektables 0:0, aber das Thema war danach natürlich Pogba. Was mit Pogba denn nicht stimme, wurde Mourinho gefragt. Aber ein Mourinho beantwortet lieber Fragen, die er sich selbst stellt. "Wenn ich einer von euch Journalisten wäre, würde ich fragen, ob der Trainer von Manchester United zustimmen würde, dass McTominay eine fantastische Leistung gezeigt hat", erklärte Mourinho, "und meine Antwort wäre: ja, er hat eine fantastische Leistung gezeigt."

McTominay, das war fortan natürlich klar, ist ein Mourinho-Spieler.

Jose Mourinho verhalt McTominay zu seinen ersten Einsätzen für die Profimannschaft von Manchester United.
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Jose Mourinho verhalt McTominay zu seinen ersten Einsätzen für die Profimannschaft von Manchester United.

Mourinho stellte sich stets vor McTominay

Viele United-Fans sahen in McTominay aber nicht, was Mourinho in ihm sah. Gut, er kann ganz gut passen. Er kann auch ganz gut zweikämpfen. Aber was ist es, was seinen Startplatz bei United rechtfertigt? Was ist das Besondere an McTominay? So ganz klar wurde das damals nicht.

Genauso wenig wie sich Mourinho aber von Journalisten oder Pogbas beeinflussen lässt, lässt er sich von Fans beeinflussen. Also bot er McTominay fortan regelmäßig auf und es wirkte fast, als würde ihm das gerade wegen der Ablehnung besonders viel Spaß bereiten. Bei einem 2:1-Sieg gegen den FC Liverpool schließlich wurde McTominay nach einem Rückpass von den eigenen Fans ausgebuht. "Diese Reaktion hat mich wütend gemacht", sagte Mourinho.

Mourinho stellte sich stets vor McTominay. "Er verdient mehr Anerkennung, als er bekommt", sagte er mal. In der Hinrunde dieser Saison spielte McTominay zwar immer noch, aber weniger. Manchmal lief er sogar in ungewohnter Rolle als äußeres Glied einer Abwehrdreierkette auf. Doch dann wurde Mourinho im vergangenen Dezember entlassen. Wer soll sich jetzt vor McTominay stellen? Wer soll Anerkennung für ihn einfordern?

McTominays größte Nacht im Parc des Princes

Während der neue Trainer Ole Gunnar Solskjaer Pogba, Marcus Rashford, Anthony Martial und all die anderen unter Mourinho so lustlosen Kicker zum Lächeln animierte, sie wieder spielen statt arbeiten ließ, tauchte McTominay unter. Beziehungsweise: wurde McTominay untergetaucht. In den acht Premier-League-Spielen nach dem Trainerwechsel fehlte er sieben Mal im Kader. Stattdessen spielte er für die vereinseigene U23.

Dann aber verletzte sich der bisherige Stammspieler Nemanja Matic. Ende Februar gegen den FC Liverpool stand daraufhin McTominay in der Premier League erstmals unter Solskjaer in der Startelf. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Spiel in Sevilla. Wie er Mourinho überzeugt hatte, überzeugte er nun auch Solskjaer und lief in den folgenden Spielen erneut auf.

Seine bisher größte Nacht erlebte McTominay im Parc des Princes. Er war der heimliche General dieser Abwehrschlacht im Achtelfinalrückspiel der Champions League gegen Paris Saint-Germain, die United letztlich wie und warum auch immer mit 3:1 gewann. McTominays Aufgabe war es, zu zerstören. Pässe zu verhindern, abzufangen. Bälle zu erobern. Und vor allem: Marco Verratti aus dem Spiel zu nehmen. Verratti jedenfalls spielte nicht mit obwohl er mitspielte und Solskjaer verwendete für McTominay das selbe Adjektiv, das Mourinho einst ungefragt nach dem Spiel gegen Sevilla verwendet hatte: "Fantastisch!"

Am 23. März 2018 debütierte McTominay bei einem Freundschaftsspiel gegen Costa Rica für die schottische Nationalmannschaft.
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Am 23. März 2018 debütierte McTominay bei einem Freundschaftsspiel gegen Costa Rica für die schottische Nationalmannschaft.

Wachstumsschub für das Fußball-Gehirn

Am vergangenen Spieltag gegen die Wolverhampton Wanderers gelang McTominay sein erstes Pflichtspieltor für United. "Er ist ein Fußball-Gehirn", lobte bei ESPN neulich Pat Crerand, der bei Uniteds Sieg im Europapokal der Landesmeister 1968 im Mittelfeld spielte. Ein Fußball-Gehirn, das mittlerweile einen Körper besitzt, der seine Ideen auch umsetzen kann. "Er ist groß und stark. Inzwischen kann er auf sich selbst aufpassen und sogar die Gegner einzuschüchtern." Das war nicht immer so.

Mit fünf Jahren kam McTominay, rund 80 Kilometer nördlich von Manchester als Sohn schottischer Eltern geboren, in die Nachwuchsabteilung von United und kämpfte sich durch alle Altersstufen. Während er aber älter wurde und aufstieg, wuchs er nicht. In der U18 hatte er keinen Stammplatz, weil er zu klein war. Thema für Juniorennationalmannschaften war er nie. Weder in England, noch in Schottland.

Dann aber ging es schnell und hoch hinaus: McTominay wuchs innerhalb von rund zwei Jahren 35 Zentimeter. Bald war er 1,92 Meter groß. Er wurde zum Mourinho-Spieler, er wurde zum schottischen Nationalspieler, er wurde unter Solskjaer zum Stammspieler. Aber irgendwie blieb er trotzdem immer im Hintergrund. "Vielleicht liegt das daran, was für ein Typ er ist", sagte Mourinho mal. "Normale Frisur, keine Tattoos, keine großen Autos, keine großen Uhren, immer bescheiden."

McTominay ist somit das Gegenstück zu dem, den er einst verdrängte und der jetzt sein Partner im zentralen Mittelfeld ist. Er ist der Anti-Pogba.