FC Arsenal in der Saison 2018/19 unter Trainer Unai Emery: Willkommen im Mittelmaß

Von Jonas Rütten
Unai Emery tritt beim FC Arsenal als Trainer das Erbe von Arsene Wenger an.
© getty

Wenn der FC Arsenal am Sonntag gegen Manchester City in die neue Premier-League-Saison startet (ab 17 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER), beginnt an der Londoner Hornsey Road eine neue Zeitrechnung. Das Erbe Wengers ist dank der letzten Jahre für Unai Emery keine Hypothek, sondern vielmehr ein Privileg. Die Wahrscheinlichkeit für einen schnellen Weg aus dem Jammertal Europa League ist dennoch gering.

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Deja-vus sind im Fußball keine Seltenheit. Wie oft ertappte man sich schon bei dem Gedanken, dieses oder jenes Tor, dieses oder jenes Statement, schon mal irgendwann vorher gesehen, gehört oder gelesen zu haben? Begriffe aus der Psychologie finden gerne ihre Verwendung im Fußball, schließlich werden Spiele bekanntermaßen im Kopf entschieden.

Es kommt also nicht von ungefähr, wenn man sich am 20. April dieses Jahres dem Begriff Deja-vu nicht entziehen konnte. Als Arsene Wenger nach 22 Jahren als Teammanager des FC Arsenal seinen Rücktritt erklärte, sprach er vom "richtigen Zeitpunkt" seiner Entscheidung. Selbiges hatte auch Sir Alex Ferguson fast exakt fünf Jahre zuvor gesagt: "Es ist die richtige Zeit."

Mit diesen verhängnisvollen Worten stürzte Sir Alex im Mai 2013 Manchester United nach 27 "fetten" Jahren ungewollt in eine tiefe Krise. Ferguson legte das Amt mit dem Gewinn seiner 13. Meisterschaft nieder, in dem Glauben, eine Mannschaft zu hinterlassen, die auch in Zukunft Titel gewinnen werde.

Emery folgt auf Arsene Wenger beim FC Arsenal: Privileg statt Hypothek

Doch Ferguson irrte und die Red Devils mussten drei Jahre auf den nächsten Titel warten. In der Premier League rutschte United sogar in drei von vier Jahren aus den Top vier. Doch spätestens an dieser Stelle bricht das Deja-vu. Während der "ewige Fergie" als Meistertrainer abtrat, legte Wenger sein Amt erst dann nieder, als dem süßen Geschmack der Triumphe aus seiner ersten Trainer-Dekade bei den Gunners, schon längst eine Aura der Tristesse und Frustration gewichen war.

Das Denkmal Wenger hatte gewaltige Risse bekommen. Langsam aber sicher wurde Wengers Verantwortung als Teammanager, der die meiste Zeit seiner Karriere alle wichtigen Entscheidungen alleine getroffen hatte, von Geschäftsführer Ivan Gazidis auf mehrere Schultern umverteilt. Auch die Proteste der Fans ("Wenger out") förderten das Gefühl, dass Wenger mehr gegangen wurde, als dass es eine Entscheidung aus freien Stücken war.

Die Tatsache, dass Unai Emery nun einen FC Arsenal übernimmt, der nur noch "eine normale Mannschaft" (Ian Wright) an der Grenze zum Liga-Mittelmaß ist, erleichtert ihm auf kurze Sicht die Arbeit. Der erste Nachfolger der Vereinsikone und Trainer-Legende Wenger zu sein, ist in Emerys Fall mehr Privileg als Hypothek. Die musste beispielsweise David Moyes bei Manchester United 2013 aufnehmen und ging gnadenlos unter. Bis heute wird am Sir Matt Busby Way über dessen Amtszeit am liebsten der Mantel des Schweigens gehüllt.

Emery wird es hingegen zunächst gestattet sein, unter einer eingenordeten, realistischeren Erwartungshaltung der Fans zu arbeiten, auch wenn er selbst bei seiner Ankunft konstatierte, dass Platz sechs in der Premier League nicht der Anspruch sein könne. Die vergangene Saison hat jedoch jedem vor Augen eines klar vor Augen geführt: Der Anspruch, in der Liga oben mitspielen zu wollen, muss angesichts der Wirklichkeit der Europa-League-Qualifikation zumindest vorerst korrigiert werden.

Abschneiden des FC Arsenal in der Premier League

SaisonPlatz
2017/186
2016/175
2015/162
2014/153
2013/144

Unai Emery als Trainer von PSG: Die Zentnerlast der Champions League

Nach zwei Jahren bei Paris Saint-Germain ist das für Emery schon fast eine ungewohnte Situation. Als der 46 Jahre alte Spanier in die französische Hauptstadt kam, eilte ihm nach drei Europa-League-Titeln mit dem FC Sevilla der Ruf eines taktisch ausgefuchsten Titelgaranten auf europäischer Bühne voraus.

Nichts anderes erwartete Klub-Chef Nasser Al-Khelaifi. Dieser hatte gegenüber Le Parisien die Saison vor der Emery-Verpflichtung als "Versagen" abgestempelt. Zur Erinnerung: Damals hatte PSG zwar das nationale Triple zum zweiten Mal in Folge gewonnen, aber war im Viertelfinale der Champions League an Manchester City gescheitert. Trainer Laurent Blanc musste gehen und wurde von Emery ersetzt.

Doch auch dem Spanier lastete der Erfolgsdruck in der Stadt an der Seine zentnerschwer auf den Schultern und er zerbrach trotz zahlreicher nationaler Titel daran. Der historische Kollaps gegen den FC Barcelona und das Ausscheiden gegen Real Madrid im darauffolgenden Jahr wogen zu schwer. Dass er das nationale Triple 2017 holte, war unter dem Strich völlig nebensächlich. Seine Zeit war einfach vorbei.

Neuzugänge beim FC Arsenal im Sommer: "Bei PSG war Neymar der Chef"

Emery gab in der Folge der "einvernehmlichen Trennung" offen zu, mit dem Management einiger Spieler-Egos nicht klargekommen zu sein: "Ich hatte nie das Gefühl, dass ich das Vertrauen und den Respekt aller Spieler bei PSG hatte, auch weil ich nie die Champions League gewonnen habe", sagte er rückblickend. Das habe unmittelbar mit der Verpflichtung von Neymar zu tun gehabt: "Bei PSG war er der Chef."

Angesichts der Neuzugänge und auch mit Blick auf den Kader drängt sich beim FC Arsenal ein Hierarchie-Problem kaum auf. Vielleicht war das auch der Grund, weswegen sich Emery öffentlich bei den Verantwortlichen der Gunners bedankte: "Wir haben die Spieler geholt, die wir gebraucht haben. Der Verein hat einen großartigen Job gemacht und ich bin glücklich", beurteilte der 46-Jährige die bisherige Transferperiode seines neuen Klubs.

Die großen Namen kamen jedoch nicht an die Themse. Mit Sokratis (16 Millionen Euro), Stephan Lichtsteiner (ablösefrei) und Bernd Leno (25 Millionen Euro) sollte die anfällige Defensive (52 Gegentore) stabilisiert werden. Es sind solide Verpflichtungen, die Arsenal getätigt hat. Möglicherweise sind gerade Sokratis und Leno echte Verstärkungen. Aber eben nur möglicherweise.

FC Arsenal: Neuzugänge vor der Saison 2018/19

Spielerabgebender VereinAlterPositionAblöse
Lucas ToreiraSampdoria Genua22Defensives Mittelfeld30 Mio.
Bernd LenoBayer 04 Leverkusen26Torwart25 Mio.
SokratisBorussia Dortmund30Innenverteidigung16 Mio.
Matteo GuendouziFC Lorient19Zentrales Mittelfeld8 Mio.
Stephan LichtsteinerJuventus Turin34Rechter Verteidigerablösefrei

FC Arsenal auf dem Transfermarkt: Mittelmaß oder kalkulierter Balanceakt?

Denn angesichts der klaffenden Lücke zwischen den Gunners und den Champions-League-Plätzen, haftet den Neuzugängen auch ein Stückweit das Stigma der Mittelmäßigkeit an. Emery gilt seit seinen drei Europa-League-Titeln mit Sevilla als Trainer, der Mannschaften eine gute Balance aus Erfahrung und Talent verschafft. Davon profitieren besonders die jungen Spieler.

Dieses Konzept verfolgt er auch bei den Gunners, zumal von Calum Chambers (23), Rob Holding (22 Jahre), Hector Bellerin (23) und Alex Iwobi (22) der nächste Schritt in ihrer Entwicklung zu erwarten ist. Eine Garantie dafür gibt es jedoch auch unter Emery nicht. In Lucas Torreira holten die Gunners ein weiteres vielversprechendes Talent auf Drängen des Spaniers.

"Ein großartiger Spieler. Ich habe seine Leistungen bei Sampdoria genossen", sagte er über den 22-Jährigen, der in einem von Emery bevorzugten 4-2-3-1 neben Granit Xhaka im defensiven Mittelfeld agieren und "weiter wachsen" soll. Doch auch Toreiraist nicht der erhofft große Name, den sie bei Arsenal schon zu Wenger-Zeiten mit den "Spend Spend Spend"-Plakaten immer wieder forderten. Und das trotz seiner starken Leistungen bei der WM.

FC Arsenal vor der Saison 2018/19: Das drohende Deja-vu

Die vergangene Saison hat jedoch gezeigt, dass viel investiertes Geld nicht zwangsläufig zu Erfolg führt. Die Gunners nahmen für Pierre-Emerick Aubameyang und Alexandre Lacazette insgesamt knapp 117 Millionen Euro in die Hand, herausgekommen ist am Ende Platz sechs. Sogar die Spieler kreideten den Misserfolg dem schlechten Coaching von Wenger an. Davon zeugten nicht zuletzt Aussagen einiger Führungskräfte auf einer von Per Mertesacker einberufenen mannschaftsinternen Krisensitzung im März.

Emery hat bereits knapp zwei Monate nach seinem Amtsantritt ein gutes Standing in der Mannschaft. So soll beispielsweise Mesut Özil seinen WM-Urlaub früher abgebrochen haben und ins Training eingestiegen sein, weil Mitspieler von Emerys Arbeit schwärmten. "Er will, dass wir hoch pressen und immer in Bewegung sind", sagte Hector Bellerin vor kurzem dem Daily Mirror. Emery lege viel Wert auf absolute Disziplin, "und das ist nur eine Sache, die viele Spieler beeindruckt hat".

Die Spieler sprechen von Aufbruchstimmung nach dem traurigen Ende der Ära Wenger und einer anderen Einstellung und Stimmung in der Mannschaft. Dennoch darf und sollte man sich beim FC Arsenal nicht wundern, am Ende der Saison erneut mit dem Deja-vu Europa League konfrontiert zu werden.

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