Huddersfields Schindler im Interview: Aufstiegsfeier? "Trauer hat überwogen"

Christopher Schindler nach dem gewonnen Aufstiegs-Playoff-Finale im Mai
© getty

Christopher Schindler spielte 17 Jahre lang für 1860 München, ehe er im Sommer 2016 den Schritt ins Ausland wagte - der Innenverteidiger wechselte in die zweite englische Liga zu Huddersfield Town. Während sein Ex-Klub abstürzte, stieg Schindler mit Huddersfield in die Premier League auf. Ein Gespräch über Heimweh, 1860-Investor Hasan Ismaik, huldigende T-Shirts und eine traurige Aufstiegsfeier.

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SPOX: Herr Schindler, obwohl es zuletzt einige Rückschläge gab, war Ihr Saisonstart mit Huddersfield Town erstaunlich gut. Sind Sie überrascht, dass sich die Mannschaft so schnell in der Premier League zurechtgefunden hat?

Christopher Schindler: Es ist immer die eine Sache, was von uns erwartet wird, und die andere, was wir uns selbst vornehmen. Wir sind aktuell ziemlich gut im Soll, haben aber noch viel, viel Arbeit vor uns, um das Ziel Klassenerhalt zu meistern. Die Spiele gegen die Top-Sechs-Vereine sehen wir als Bonus und alle anderen sind komplett offen.

SPOX: Sie wechselten im Sommer 2016 nach Huddersfield und sind direkt aufgestiegen.

Schindler: In den Jahren vor meiner Ankunft landete der Klub immer in den unteren Tabellenregionen der zweitklassigen Championship und wir hatten in der vergangenen Saison den viertkleinsten Etat der 24 Vereine. Das muss man sich vor Augen halten, um zu verstehen, dass wir Außergewöhnliches erreicht haben. Niemand hatte vergangenes Jahr so einen Saisonverlauf erwartet und irgendwann habe ich mir nur mehr gedacht: "Jetzt oder nie."

SPOX: Was zeichnet Ihren Trainer David Wagner aus?

Schindler: David betreibt sehr viel Aufwand bei der Gegner-Analyse und stellt uns auf unterschiedliche Gegner unterschiedlich ein. Er hat ein ganz klares Konzept und dafür braucht er richtig fitte Spieler, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen.

SPOX: Sie haben ein gutes Standing im Verein: Bei den Aufstellungsverkündungen vor den Spielen wird Ihr Name mit am lautesten bejubelt und im Fanshop des Vereins werden sogar T-Shirts mit der Aufschrift "Christopher Schindler, the greatest centre back in the world" oder "Schindler, der Meister" verkauft. Was bedeutet Ihnen das?

Schindler: Es ist schön, dass Leute solche T-Shirts produzieren und anbieten - vielleicht werden sie sogar gekauft, aber das weiß ich nicht. Sowas macht mich stolz und pusht.

SPOX: Woher kommt diese Verehrung?

Schindler: Ich habe beim Elfmeterschießen im Aufstiegs-Playoff-Finale gegen den FC Reading den entscheidenden Elfer reingehauen und deswegen ist die Wertschätzung der Fans ein bisschen besonders. Das ist schön, aber es kann auch ganz schnell wieder in die andere Richtung gehen. Man muss die Wertschätzung genießen, solange sie da ist.

SPOX: Was sind Ihre Erinnerungen an die Aufstiegsfeier im vergangenen Sommer?

Schindler: Ich konnte mich bei der großen Feier mit Autocorso durch Huddersfield überhaupt nicht freuen, weil an diesem Tag mein Ex-Klub 1860 abgestiegen ist. Es war ein unwirkliches Gefühl, aber bei mir haben Trauer und Enttäuschung überwogen. Ich hatte damals guten Kontakt zu vielen Jungs in der Mannschaft und sie haben mir unfassbar leidgetan.

SPOX: Hätten Sie es bei Ihrem Abschied 2016 für möglich gehalten, dass es mit 1860 dermaßen bergab geht?

Schindler: Nein und ich will auch einfach nicht wahrhaben, dass es so gekommen ist. Im Sommer meines Abschieds wurde erstmals wirklich Geld für neue Spieler in die Hand genommen und es ging nicht mehr nur ums Schuldenbegleichen. Die Qualität der Mannschaft war brutal hoch, aber wir hatten auch in den Jahren zuvor eine qualitativ gute Mannschaft mit guten Einzelspielern.

SPOX: Wie intensiv verfolgen Sie das Geschehen bei 1860 noch?

Schindler: Aus der Mannschaft kenne ich zwar nicht mehr so viele, aber ich fiebere mit Biero (Trainer Daniel Bierofka, Anm. d. Red.) mit. Er ist ein super Charakter, der mich geprägt und mir im Laufe meiner Karriere sehr viel geholfen hat. Nicht nur als Trainer, sondern auch schon zuvor als Mitspieler. Alleine wegen Biero kann ich es mir gar nicht erlauben, mich nicht für die Vorgänge im Klub zu interessieren. Ich versuche, jedes Spiel zu schauen.

SPOX: Nach dem Abstieg in die Regionalliga Bayern kehrte 1860 ins Grünwalder Stadion zurück. Was bedeutet das für den Verein?

Schindler: Diese Nostalgie trägt 1860. Viele Fans besuchen die Spiele gerade wegen der Rückkehr ins Grünwalder Stadion, obwohl der Verein nicht in der Liga spielt, in die er gehört. 1860 lebt von seinen Fans und sie machen den Klub erst so besonders. Die Kulissen im Grünwalder Stadion sprengen jeden Rahmen. Bei 1860 oder auch hier in Huddersfield sieht man, was möglich ist, wenn die Tribüne absolut hinter der Mannschaft steht. Das pusht einen auf dem Platz unglaublich.

SPOX: Haben Sie in dieser Saison bereits ein Spiel im Grünwalder Stadion besucht?

Schindler: Wegen unserem engen Spielplan hat es bisher leider noch nicht geklappt, einmal ist es sich um einen Tag nicht ausgegangen. Ich habe es aber auf jeden Fall vor und würde mich freuen, ein paar bekannte Gesichter wiederzusehen.

SPOX: Bei 1860 herrscht eigentlich immer Unruhe. Wie gingen Sie in Ihrer Zeit im Klub damit um?

Schindler: Als Fußballspieler haben mich diese Zusammenhänge und politischen Dinge nicht zu interessieren. Ich habe alles, was rundherum passiert ist, von mir weggehalten.

SPOX: Ein großer Streitpunkt ist seit Jahren die Rolle von Investor Hasan Ismaik.

Schindler: Als ich bei 1860 war, konnte ich immer die Standpunkte beider Seiten nachvollziehen. Wenn jemand einen Verein rettet und sehr viel Geld investiert, muss man dessen Wünsche verstehen. Andererseits muss aber auch reagiert werden, wenn es sportlich nur immer schlechter und schlechter wird.

SPOX: Hat Ismaik während Ihrer Zeit bei 1860 Kontakt zu den Spielern gesucht?

Schindler: Einmal hat er die ganze Mannschaft zum Essen eingeladen und das war eine der sehr, sehr wenigen Gelegenheiten, persönlich mit ihm zu reden. Ich bin als Kapitän sogar mit ihm an einem Tisch gesessen und haben ihm meine Sicht der Dinge erklärt. Er hat alles sehr, sehr offen und interessiert angenommen.

SPOX: Worum ging es in diesem Gespräch?

Schindler: Ein Punkt war der Zustand der Trainingsplätze, was ich als elementar wichtig erachtet habe. Nach meinem Abschied wurde dann auch tatsächlich ins Trainingsgelände investiert und das hat mich gefreut.

SPOX: Was haben Sie in diesem persönlichen Gespräch für einen Eindruck von Ismaik gewonnen?

Schindler: Ismaik ist ein fußballbegeisterter Mensch, der sich nicht nur für 1860, sondern auch für die großen Spiele und Spieler interessiert. Er hat immer gesagt, dass jeder Spieler maximalen Erfolg haben kann und keine Grenzen nach oben hat, wenn er nur hart genug arbeitet. Das hat sich bei mir eingebrannt. Er hat mit dieser Ansicht natürlich ein Stück weit Recht, aber es ist nicht ganz so einfach, denn es müssen immer auch andere Dinge passen.

SPOX: Können Sie sich eine Rückkehr zu 1860 vorstellen?

Schindler: Im Moment ist das kein Thema, aber prinzipiell natürlich schon. 1860 ist nach wie vor mein Herzensverein.

SPOX: Im Juli haben Sie Ihren Vertrag in Huddersfield bis 2020 verlängert. Sehen Sie Ihre langfristige Zukunft in England?

Schindler: Das müssen Sie meine Frau fragen. (lacht)

SPOX: Warum?

Schindler: Wir sind in München verwurzelt, waren zuvor noch nie lange von zuhause weg und haben Tage, an denen wir uns nach mehr heimatlicher Nähe sehnen. Die Familien von mir und meiner Frau wohnen in Deutschland und ich habe eine kleine Tochter, die ihre Oma und ihren Opa sehen will. Jeder weiß, dass es nirgendwo schöner ist als zuhause. Es ist nicht einfach, in einem fremden Land auf sich alleine gestellt zu sein, aber man muss einen Weg finden, damit umzugehen.

SPOX: Wie ist das Leben in Huddersfield?

Schindler: Huddersfield ist relativ klein und einfach und hinsichtlich des Stadtbilds natürlich nicht mit London, München, Berlin oder anderen großen Städten zu vergleichen. Das ist einerseits gut und hat mich auch zum Wechsel bewogen, weil man sich hier nur auf Fußball konzentrieren kann. Andererseits hat man nach zwei, drei Wochen alles gesehen und orientiert sich automatisch in Richtung der größeren Städte in der Gegend, beispielsweise Leeds oder Manchester.

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