"Ich habe den Wechsel gebraucht"

Sebastian Prödl, amtierender Titelträger des "Fußballspruchs des Jahres"
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SPOX: Vor Ihrem Wechsel nach Watford spielten Sie sieben Jahre lang bei Werder Bremen. Wie nah ist Ihnen der Abschied gegangen?

Prödl: Der Schritt war nicht einfach, das bekannte Umfeld zu verlassen. Doch die Entscheidung, etwas Neues zu machen, war von viel Euphorie geprägt und hat mir richtig gut getan. Ich habe den Wechsel noch einmal gebraucht in meiner Karriere. Ich bin froh, dass ich noch einmal eine neue Sichtweise auf den Fußball bekommen habe. Aber auch auf das Leben selbst, auf die eigene Selbstständigkeit, die neue Sprache, die neue Stadt, die neue Kultur. Ich bin durch den Wechsel noch einmal gereift - sowohl fußballerisch als auch hinsichtlich meiner Persönlichkeit und meinem Auftreten.

SPOX: Welchen Ihrer ehemaligen Bremer Teamkollegen würden Sie als Freund fürs Leben bezeichnen?

Prödl: Vor allem Peter Niemeyer und Martin Harnik, aber auch Clemens Fritz oder Per Mertesacker. Auch abseits des Sports habe ich dort gute Freunde gefunden. Das ist eigentlich unüblich, denn als Fußballer ist man Wanderer. Bremen ist mir schon sehr ans Herz gewachsen.

SPOX: Als Sie zu Werder wechselten, spielte der Klub in der Champions League. Als Sie im Sommer gingen, überstand Bremen gerade so den Abstiegskampf.

Prödl: Durch den sportlichen Misserfolg fehlen die entsprechenden Einnahmen. Werder muss jetzt besonders kreativ sein und Spieler holen, die große Vereine nicht haben wollen. Aus diesen müssen teure Spieler werden, um sie später für gutes Geld zu verkaufen. Erst dann wird es mit dem Verein wieder bergauf gehen. In den nächsten Jahren wird es weiterhin um die unteren Tabellenplätze gehen. Der Verein durchlebt ein Tief, aber ich bin mir sicher, dass er nie vor wirklich gravierende Probleme gestellt wird.

SPOX: Thomas Schaaf hat Sie nach Bremen geholt und lange gefördert. Wie haben Sie ihn erlebt?

Prödl: Unter Schaaf hatten wir die beste Zeit. Er wollte immer schönen Fußball spielen lassen, ein Spektakel bieten. Bei Teambesprechungen hat er sich nie großartig um den Gegner gekümmert, sondern sich immer nur auf die eigenen Stärken konzentriert. Es war imponierend, mit welcher Überzeugung er trainieren ließ. Selbst im Abstiegskampf hatte man das Gefühl, jeden Gegner schlagen zu können.

SPOX: Mit der österreichischen Nationalmannschaft haben Sie sich für die EM in Frankreich qualifiziert. Wie haben Sie das entscheidende Qualifikationsspiel in Stockholm, als Schweden mit 4:1 geschlagen wurde, erlebt?

Prödl: Das war eine Gala, eine Sahnevorstellung von uns. Der Abend war gigantisch, phänomenal, Fußballvergnügen pur. Jeder war bei über 100 Prozent. Wir hätten das Spiel sogar noch höher gewinnen können. Wenn ich die Bilder heute sehe, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut.

SPOX: Wie haben Sie sich gefühlt, als der Schlusspfiff ertönte?

Prödl: Stolz! Die Stimmung der Zuschauer und später auch in der Kabine war überwältigend. Der Glaube war nicht nur in der Mannschaft, sondern auch im Land sehr groß. Wir waren danach noch in Stockholm auf einen Drink. Die Stadt war rot-weiß-rot.

SPOX: Österreich hat nun bei der Auslosung mit Portugal, Island und Ungarn eine machbare Gruppe erwischt. Da ist das Achtelfinale locker drin, oder?

Prödl: Seitdem ich Fußball spiele, benutze ich das Wort "locker" nicht mehr. Ich bin mit Werder mehrmals im Pokal gegen Drittligisten ausgeschieden. Wir haben uns sicherlich über die Auslosung gefreut, aber ich glaube, auch in Portugal, Island und Ungarn wurde gejubelt, dass Österreich aus Topf zwei gezogen wurde. Das beruht also auf Gegenseitigkeit.

SPOX: Sie duellieren sich mit Martin Hinteregger um den zweiten Innenverteidiger-Posten neben Aleksandar Dragovic. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Prödl: Die Entscheidung wird wohl erst kurz vor der EM, nach dem Trainingslager und den Testspielen fallen. Ich bin selbstbewusst genug zu sagen, dass meine Chancen nicht schlecht stehen.

SPOX: Im Oktober holte Sie Ihre Vergangenheit in Deutschland noch einmal ein, als Sie für die Aussage "München ist wie ein Zahnarztbesuch. Muss jeder mal hin. Kann ziemlich wehtun. Kann aber auch glimpflich ausgehen" den Preis zum Fußballspruch des Jahres 2015 gewonnen haben.

Prödl: Ich war überrascht. Ich dachte, die Jury würde sich für irgendeinen Deutschen wie Thomas Müller oder Jürgen Klopp entscheiden. Aber auch österreichischer Humor ist gut. (lacht) Ich habe mich darüber sehr gefreut, in meiner Karriere auch mal einen Kulturpreis gewonnen zu haben.

Sebastian Prödl im Steckbrief

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