Wo ist Mourinhos Dogma geblieben?

Jose Mourinho befindet sich mit dem FC Chelsea nach vier Spielen in der Krise
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Der FC Chelsea hat nach der 1:2-Niederlage gegen Crystal Palace an der heimischen Stamford Bridge nicht nur seinem Trainer Jose Mourinho das Jubiläum versaut, sondern auch den Saisonstart ordentlich in den Sand gesetzt. Die Probleme der Blues in der noch jungen Saison sind so offensichtlich wie ungewöhnlich. The Special One zeigt sich dabei selbstkritisch.

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Ein einziges Premier-League-Heimspiel hatte Jose Mourinho in seiner Zeit als Trainer des FC Chelsea verloren - am 19. April 2014 gegen den AFC Sunderland. Diese Statistik gilt seit Samstag nicht mehr.

Durch das 1:2 gegen Crystal Palace ist nicht nur der Saisonstart der Blues endgültig im Eimer; die Pleite versaute Mourinho zudem gleich zwei Jubiläen. Es war Mourinhos 200. Partie in der Premier League und sein 100. Heimspiel als Trainer der Blues.

Auch wenn die Niederlage unglücklich zustande kam, sind die Probleme der Blues offensichtlich. Es war die dritte Niederlage in den letzten fünf Spielen, in den vier Spielen in der Premier League kassierte man neun Gegentore - der schlechteste Wert seit der Saison 1971/72.

Offensichtliche Abwehrprobleme

Dabei hatte die Defensive und die Kompaktheit des Teams immer oberste Priorität in Mourinhos Fußball-Dogma. Gerade in der Abwehr aber drückt derzeit der Schuh bei Chelsea.

Als Paradebeispiel dient der in der Vergangenheit so sichere Rechtsverteidiger Branislav Ivanovic, der sich sich seit Saisonbeginn als Unsicherheitsfaktor entpuppt und nicht nur das 0:2 gegen Manchester City verschuldete, sondern auch in den folgenden Partien enttäuschte. Gary Cahill wirkte am Wochenende neben Youngster Kurt Zouma, der den gesperrten Jon Terry ersetzte, ebenso wenig souverän.

Zudem beendete Chelsea zwei Spiele mit nur zehn Mann. Torhüter Thibaut Courtois flog nach einer Notbremse gegen Swansea zum Auftakt vom Platz, wie Terry vor zwei Wochen gegen West Bromwich Albion. Den Gegnern gelingt es, die gefährlichen Bälle hinter die Abwehr zu spielen und die etwas behäbige Chelsea-Verteidigung in solche Situationen zu bringen. Diese Bälle kann Chelsea derzeit nicht verhindern, weil die Abstimmung zwischen den Mannschaftsteilen nicht passt.

Öffentliche Kritik an Hazard

Die Mannschaft verblüfft ihren Trainer - in negativem Sinn. Nach dem Spiel gegen Palace wusste Mourinho nicht so recht, ob er das gesamte Team, einzelne Spieler oder einzelne Spieler gleich mit Namen öffentlich an den Pranger stellen will.

"Ich will nicht über Einzelleistungen sprechen. Aber ich hatte keine elf Spieler, die als Team aufgetreten sind. Als ich den dritten Wechsel vollzog, fiel mir auf, dass ich eigentlich noch einen vierten vornehmen müsste. Logischerweise ist es aber schwer, als Team eine gute Leistung zu zeigen, wenn einige der Spieler nicht an ihr normales Niveau herankommen. Wenn du sechs oder sieben Spieler hast, die ihre Sache gut machen und die anderen drei oder vier auf einem nicht akzeptablen Niveau agieren, ist es nicht möglich, als Mannschaft eine konstante Leistung auf den Platz zu bringen", sagte er.

Mit Eden Hazard bekam ein Spieler dann doch explizit sein Fett weg. "Wenn du der beste Spieler in der Liga bist, sollte es doch eine Verantwortung sein, eine ähnlich gute Saison wie vergangenes Jahr zu spielen", so Mourinho. Hazard war am Ende der letzten Saison als "PFA Player of the Year" ausgezeichnet worden.

Neben dem Belgier sind aber auch andere Leistungsträger im Formtief. Cesc Fabregas kommt derzeit noch nicht an die Klasse der letzte Saison heran, als er als Lenker im Mittelfeld die Blues zum Titel führte. Der Spanier kann sich noch nicht mit seiner veränderten Rolle als zentraler Spieler hinter der Spitze anfreunden.

Einige Kritiker sehen im Gewinn der Meisterschaft das größte Problem des FC Chelsea. Die Mannschaft sei satt, so der Vorwurf. Den will sich Mourinho aber nicht gefallen lassen. "Ich für meinen Teil sehe das genau anders herum. Wenn ich gewinne, will ich doch wieder gewinnen, will ich noch mehr gewinnen - das ist doch eine fantastische Motivation. Wenn du was gewonnen hast und dann nicht mehr total heiß bist, ist das traurig."

"...dann musst du das Spiel verstehen"

Dabei hat vor allem der Coach in der bisherigen Saison mit dazu beigetragen, dass es bei den Blues genug Nebenkriegsschauplätze gibt.

So machte er indirekt Teamärztin Eva Caneiro für das Remis zum Auftakt gegen Swansea verantwortlich. Caneiro war auf den Platz geeilt, um den verletzten Hazard zu versorgen, der Belgier musste daraufhin kurzzeitig vom Feld, Chelsea spielte mit zwei Mann weniger und kassierte den Ausgleich. "Ob du Zeugwart, Arzt oder Sekretär bist: Wenn du auf der Bank bist, musst du das Spiel verstehen", ätzte Mourinho nach dem Spiel. Caneiro wurde für die darauffolgenden Spiele von der Bank verbannt.

Mourinhos nächstes Problem ist, dass nach dem schwachen Start viele Spieler in den nächsten Tagen mit ihren Nationalmannschaften unterwegs sind. "Ich würde gerne mit allen Spielern intensiv arbeiten. Leider ist das nicht möglich. Ich kann nur hoffen, dass die Spieler gesund wieder zurückkommen", so Mourinho.

Auf die Defensivprobleme hat Chelsea inzwischen reagiert und einen weiteren Abwehrspieler verpflichtet. Bis zuletzt hatte Chelsea die Hoffnung John Stones vom FC Everton loszueisen, doch die Toffees stellten sich quer. Nun kommt mit Papy Djilobodji vom FC Nantes ein Akteur, der in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld eingesetzt werden kann.

In der L'Equipe ist allerdings zu lesen, dass Mourinho bis zur Verpflichtung gar nicht wusste, wer Djilobodji überhaupt sei.

Noch nicht Game Over

Am Samstag nach dem Spiel hatte der Coach sich noch zurückhaltend in Bezug auf eventuelle Neuzugänge geäußert. "Das mag ich nicht. Ich werde jetzt sicher nicht sagen, dass ich diesen oder jenen Spieler will. Wir müssen es einfach besser machen. Meine Spieler und ich..."

Auch Mourinho gesteht inzwischen öffentlich Fehler ein. Noch vertraut er seinen Jungs. Auch wenn seine öffentlich Kritik an den eigenen Spieler eher unüblich ist, zeigt dies nur, wie unzufrieden er ist.

Der FC Chelsea steht auf Tabellenplatz 13 mit lediglich vier Punkten auf der Habenseite. Bereits acht Punkte beträgt der Rückstand auf Manchester City. "In jeder anderen Liga würde ich sagen, dass die Sache entschieden ist", berichtete Mourinho. Doch in England, wo es inzwischen viele Teams auf vergleichbarem Niveau gebe, sei die Sache noch nicht durch.

Nach der Länderspielpause reisen die Blues zum FC Everton. Und der einzige Weg, aus dieser prekären Situation herauszukommen, sei zu "arbeiten, reagieren, analysieren", wie Mourinho sagte. Etwas anderes bleibt dem Special One auch nicht übrig.

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