"Ich bin nicht von der Bildfläche verschwunden"

Von Interview: Florian Schimak
Nick Proschwitz (2.v.l.) kämpft in der englischen Championship mit Hull City um Platz zwei
© getty

Die vergangene Saison schloss Nick Proschwitz mit Überraschungsmannschaft Paderborn als Torschützenkönig der 2. Liga ab. Es folgten Angebote aus der Bundesliga für den Stürmer. Proschwitz entschied sich aber für einen Wechsel zu Hull City in Englands zweiter Spielklasse. Im Interview spricht der 26-Jährige über eine mickrige Torquote, ungeahndete Ellbogeneinsätze und ein Angebot des TSV 1860 München.

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SPOX: Herr Proschwitz, im vergangenen Sommer sind Sie als Torschützenkönig der 2. Liga vom SC Paderborn zum englischen Zweitligisten Hull City gewechselt. Mussten Sie zum Einstand ein Ständchen singen, wie es in England öfter mal vorkommt?

Nick Proschwitz: Es musste jeder ein Ständchen singen. Bei uns fand das beim ersten Auswärtsspiel statt. Ich halte das für einen guten Brauch, es war auch richtig lustig. Den Titel meines Liedes behalte ich für mich, es war aber ein deutsches. Mir war wichtig, dass es die anderen nicht verstehen. (lacht)

SPOX: Wie fällt denn Ihr bisheriges Fazit aus, wie lebt es sich in England?

Proschwitz: Ich bin von allen absolut freundlich aufgenommen worden. Es ist erstaunlich, wie hilfsbereit und nett die Leute sind. Hull ist jetzt nicht die schönste Stadt der Welt, aber es gefällt mir dort. Im Vergleich zur Schweiz, als ich für den FC Thun gespielt habe, ist die Lebensqualität hier nicht ganz so hoch. Das macht mir aber nichts aus.

SPOX: Wie sieht's als Fußballer in England aus?

Proschwitz: Das ist schon ein anderes Leben hier. Alles fühlt sich viel schnelllebiger an. Mal ist man der Held, aber im nächsten Moment kannst du der Depp sein. Das Training findet in einer größeren Gruppe statt, es sind immer zahlreiche Jugendspieler dabei. Zudem haben wir einen wahnsinnig großen Stab mit Trainern, Co-Trainern, Sportwissenschaftlern - da ist alles dabei. Dadurch ist die Nähe zum Teammanager nicht so groß wie in Deutschland und man hat automatisch viel Respekt vor ihm. In Deutschland ist die Beziehung zum Trainer persönlicher.

SPOX: Sie haben in dieser Saison 22 Partien absolviert und zwei Tore geschossen. Diese Marke liest sich im Vergleich zu Paderborner Zeiten eher mickrig.

Proschwitz: Das stimmt. Ich bin damit auch unzufrieden, keine Frage. Ich bin natürlich auch nicht glücklich damit, dass ich nicht regelmäßig spiele. Einen handfesten Grund, warum ich derzeit nicht spiele, habe ich aber leider auch nicht parat.

SPOX: Wie erklärt Ihnen Coach Steve Bruce die geringen Einsatzzeiten?

Proschwitz: Wir hatten Phasen, in denen wir acht Spiele in Folge gewonnen haben. Warum sollte der Trainer da also etwas ändern? Das ist dann auch verständlich und wird von mir akzeptiert und respektiert. Mir bleibt aktuell nicht viel mehr übrig, als mich im Training weiter anzubieten und dranzubleiben.

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SPOX: Inwiefern ist denn die Umstellung auf den englischen Fußball und die physische Komponente problematisch?

Proschwitz: Es ist schon etwas anderes, klar. Damit habe ich aber auch gerechnet. Man spielt den ganzen Winter durch und trainiert sehr intensiv. Das war im ersten Moment natürlich ungewohnt und ging an die Substanz. Es gab dann Spiele, in denen mir die nötige Frische abging und ich nicht getroffen habe. Vielleicht bin ich manchmal auch etwas zu ungeduldig, aber ich denke, das braucht einfach alles seine Zeit. Ich bin guter Dinge für die Zukunft.

SPOX: Die könnte Sie ja in die Premier League führen. Hull City steht auf Platz zwei der zweiten englischen Liga, der Aufstieg ist drin. Beschreiben Sie doch bitte einmal das Niveau der Championship.

Proschwitz: Es ist ein Tick höher als in der deutschen 2. Liga. Hier gibt es zudem deutlich mehr internationale Spieler. Alleine in Hull spielen 15 ehemalige oder aktuelle Nationalspieler. Das liegt auch daran, dass die Vereine finanziell besser aufgestellt sind. Das Spiel an sich ist zudem viel direkter. Man fragt sich auch manchmal: Hat der Schiri überhaupt eine Pfeife dabei? (lacht) Ein Ellbogeneinsatz im Luftkampf wird in der Regel nicht gepfiffen. Aber es gehört einfach hier hin, dass deutlich mehr laufen gelassen wird als in Deutschland. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, kommt es einem auch entgegen.

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SPOX: Sie hatten zahlreiche Angebote vor der Saison. Wieso fiel die Wahl auf Hull City?

Proschwitz: Das war einfach eine einzigartige Chance. Das Angebot war gut und der englische Fußball ist sehr reizvoll. England war ein Traum von mir und es ist wahnsinnig geil, dort spielen zu können. Sollten wir im Sommer aufsteigen, darf ich gegen die besten Spieler der Welt spielen. Das Gesamtpaket hat einfach gepasst, auch die Atmosphäre in den Stadien ist sehr eindrucksvoll. Ich bereue das absolut nicht.

SPOX: In Deutschland waren Sie letzten Sommer in aller Munde, nun ist es hier ruhiger um Sie geworden.

Proschwitz: Das ist normal. Es hat sich andererseits wieder ein neuer Markt eröffnet, nun haben mich die englischen Vereine auf dem Radar. Ich bin ja noch aktueller Torschützenkönig der 2. Liga, daher wird mein Name dem einen oder anderen in Deutschland noch etwas sagen. (lacht) Ich bin nicht von der Bildfläche verschwunden.

SPOX: Das stimmt, im Winter wollte Sie 1860 München haben. Wie konkret ist das damals geworden?

Proschwitz: Ich kann zugeben, dass es Gespräche gab. Mein Berater und ich haben bei Steve Bruce ausgelotet, wie die zukünftige Planung mit mir aussieht. Der Coach wollte mich aber nicht gehen lassen, weil er mich braucht und ich wichtig bin. Das war eindeutig und eine tolle Bestätigung. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte ich mich schon umgeschaut. Ich will und muss spielen.

SPOX: Schaut man sich Ihre Vita an, wäre ein Wechsel im Sommer fast "normal". Wie groß ist der Wunsch, bei einem Verein sesshaft zu werden?

Proschwitz: Der ist natürlich schon da. Ich hätte nichts dagegen, einmal mehrere Jahre beim selben Verein zu spielen. Diese Hoffnung habe ich auch jetzt hier in Hull. Es gab zuvor eben immer diverse Gründe, warum ich gewechselt bin. Bestes Beispiel ist ja das letzte Jahr: Ich spielte eine starke Runde in Paderborn und schon trudelten gute Angebote von höherklassigen Vereinen herein. Da ist es dann relativ normal, dass man zumindest darüber nachdenkt oder auch den nächsten Schritt geht.

Nick Proschwitz im Steckbrief