Three Lions: Wer tut sich das Chaos an?

Von Christian Bernhard
Fabio Capello (r.) trat aufgrund der Degradierung von Kapitän John Terry zurück
© Getty

Der Rücktritt von Fabio Capello als englischer Nationaltrainer zeigt auch die Macht der Medien. Der Verband will schnellstmöglich einen prominenten Nachfolger präsentieren. Sogar die Politik schaltet sich ein. Doch der Topkandidat will von nichts wissen.

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Die Chronologie der Ereignisse: Am Mittwochabend warf Fabio Capello nach einem Treffen mit der FA die Brocken hin. Vier Jahre und zwei Monate hatte der Italiener die Three Lions angeführt, am Ende zog er aus Degradierung seines Kapitäns John Terry die Konsequenzen. Ein konsequenter Schritt, Capello wollte ohne gerichtliche Verurteilung in keinster Weise von seinem Kapitän abweichen.

Ein 14-köpfiges FA-Komitee hatte Terry wegen der angeblichen Beleidigungen des Gegenspielers Anton Ferdinand ohne Rücksprache mit Capello die Kapitänsbinde entzogen. Capello hatte daraufhin in einem Interview mit dem italienischen Staatsfernsehen "Rai" gesagt: "Ich bin der Meinung, dass kein Mensch verurteilt werden darf, bis ihn ein Gericht schuldig gesprochen hat." In der englischen Presse wurde ihm der Satz "Terry ist weiter mein Kapitän" zugeschrieben - diesen hatte Capello aber nie von sich gegeben.

"Wir haben Fabio am Donnerstagabend über unsere Entscheidung in Sachen Terry informiert", sagte der FA-Vorsitzende David Bernstein am Donnerstag. "Er war nicht glücklich darüber, hat es aber akzeptiert. Am Sonntag hat er dieses Interview gegeben, das Spekulationen und öffentliche Debatten hervorgerufen hat."

Prominente Trainerkollegen wie Alex Ferguson, Carlo Ancelotti und Andre Villas-Boas hatten Capello zuvor den Rücken gestärkt. "Es ist nichts falsch daran, eine Meinung zu haben", sagte ManUtd-Coach Ferguson.

Das Verhältnis zwischen Capello und der FA war ohne Frage angespannt, zudem hatte die englische Presse den Italiener schon einige Zeit ins Visier genommen. So hatte es am Ende den Anschein, man würde nur darauf warten, dass die Ehe in die Brüche geht. Eindeutiges Indiz dafür: die Aussagen von Bernstein nach Bekanntgabe des Rücktritts. "Wir akzeptieren den Rücktritt und sind uns einig, dass es die richtige Entscheidung ist", so Bernstein.

Dementsprechend fielen die Reaktionen der englischen Presse auf den Rücktritt am Donnerstag aus. "A Fab day for England", titelte der "Daily Mirror". Die "Times" schrieb von einem "Abschied ohne großes Bedauern."

Entzündet hatte sich die Auseinandersetzung zwischen Capello und dem englischen Verband, nachdem Terry vorgeworfen wurde, in einem Meisterschaftsspiel seinen Gegenspieler Anton Ferdinand rassistisch beleidigt zu haben. Terry bestreitet die Vorwürfe, dennoch muss sich der 72-malige Nationalspieler vor Gericht verantworten. Die Verhandlung des Falls wurde allerdings auf die Zeit nach der EM verlegt - zu spät für die FA, die einen unbelasteten Kapitän beim kontinentalen Wettbewerb im kommenden Sommer auf dem Spielfeld sehen möchte und den 31-Jährigen deswegen von seinem Amt entbunden hat.

Capello hatte am Mittwochabend keinen Kommentar abgegeben und gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur "Ansa" lediglich darauf hingewiesen, dass angebliche Zitate seinerseits, die im Umlauf waren, falsch seien.

Am Donnerstag bedankte sich Capello in einem Schreiben bei seinen Spielern, den Mitarbeitern und der FA: "Ein spezieller Gruß geht an die Fans, die immer hinter uns standen. Ich wünsche allen den größtmöglichen Erfolg."

Capellos Bilanz: 28 Siege in 42 Spielen: Kein englischer Nationaltrainer war statistisch besser als Capello. Die souveräne Qualifikation für die WM 2010 hatte in England eine große Euphorie entfacht, die durch das 1:4 im Achtelfinale gegen Deutschland aber ein abruptes Ende fand. Diese Niederlage schwebte in der Folge wie ein Damoklesschwert über Capello, die bissige Presse auf der Insel verzieh ihm diese Pleite nie.

Auch die ordentliche Qualifikation für die EM 2012 konnte das angespannte Verhältnis nicht komplett kitten. Immer wieder wurde auch Capellos Gehalt von angeblich rund sieben Millionen Euro pro Jahr thematisiert. Die Terry-Entmachtung brachte die Bombe schließlich zum Platzen.

Speziell im Ausland gab es während der Ära Capello auch Kritik an der Spielweise der Three Lions. "Was ich in dieser Begegnung gesehen habe, hatte nicht viel mit Fußball zu tun. Es war ein Rückfall in die alte, schlechte Zeit des Kick and Rush", hatte Franz Beckenbauer nach Englands 1:1 gegen die USA bei der WM 2010 in einer Kolumne geschrieben.

Auf der anderen Seite baute Capello gerade in den letzten Monaten den relativ alten Kader konsequent um und verhalf Talenten, wie Phil Jones, Danny Welbeck und Kyle Walker zum Debüt. "Diese jungen Leute werden bei der EM eine wichtige Rolle spielen. Sie haben Herz und Selbstvertrauen gezeigt", sagte Capello nach dem überraschenden 1:0-Sieg gegen Spanien im November.

Die Honigstein-Kolumne: Welbeck, Young, Jones: Three Lions reloaded

Wer wird Capellos Nachfolger? Geht es nach der öffentlichen Meinung, kann es nur einen geben: Harry Redknapp. Der Tottenham-Coach steht laut Gareth Southgate, Nachwuchskoordinator der FA, "ganz oben auf der Liste." Wayne Ronney setzte sich so wie andere Spieler für Redknapp ein. "Er muss englisch sein. Für mich Harry Redknapp", twitterte der ManUtd-Stürmer.

Redknapp selbst will davon (noch) nichts wissen. "Ich weiß nichts über den England-Job", sagte er am Donnerstag gegenüber "Sky Sports News". "Ich habe noch nicht mal darüber nachgedacht. Mein Fokus liegt einzig und allein auf Tottenham." Die "Daily Mail" fragte: "Wieso soll sich Redknapp in dieses Chaos hineinziehen lassen?"

In einer Pressekonferenz verkündete die FA am Donnerstag, U-21-Coach Stuart Pearce werde im Testspiel gegen die Niederlande Ende Februar interimsmäßig auf der Bank sitzen. Der Verband will sich ab Freitag mit der Kandidatenliste auseinandersetzen und würde einen Engländer bevorzugen.

Komplett ausschließen wollte der FA-Vorsitzende David Bernstein einen ausländischen Trainer aber nicht: "Er wird nicht definitiv Engländer sein, aber wir haben eine klare Präferenz dafür." Weitere Namen, die zirkulieren: Martin O'Neill, Roy Hodgson, Alan Pardew, Guus Hiddink, Jose Mourinho, Arsene Wenger, Rafa Benitez und eine langfristige Anstellung von Pierce.

Eines ist jetzt schon klar - egal wer das Rennen macht: Der Druck im Mutterland des Fußballs auf die Nationalmannschaft wird auch in Zukunft enorm groß sein. "Ich bin mir sicher, dass wir einen tüchtigen Mann finden werden und dass wir gut spielen werden, wenn es so weit ist", sagte David Cameron, Englands Premierminister.

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