Owen: Letzte Chance bei ManUnited

Von Carsten Germann
Michael Owen sucht nach 287 Spielen und 144 Toren in der Premier League eine neue Chance
© Getty

Michael Owen kämpft nach seinem Wechsel zu Manchester United um seine Rückkehr auf die große Fußballbühne. SPOX beleuchtet die Entwicklung des ehemaligen Wunderstürmers.

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Sein Blick sagt vieles aus. Aus den braunen Augen von Michael Owen (29) sprechen Verunsicherung und Trotz. Wenn der einstige Wunderknabe des englischen Fußballs derzeit vor die Mikrofone tritt, wirkt er verkrampft und schmallippig.

Der Stürmer ist um Souveränität bemüht und wirbt für sich und seinen sportlichen Neustart bei Manchester United. Ein Überflieger auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

"Die Mannschaft hat mir einen perfekten Einstand beschert", so Michael Owen gegenüber SPOX, "es war wirklich einfach für mich, ich bin hungrig auf Manchester und ich habe den Mut für einen Neuanfang bei diesem großen Verein."

Keine Angst vor der "magischen" Sieben

Stimmt. Bei ManUtd haben sie alles getan, damit sich Owen wohlfühlt. Sogar das Trikot mit der in Old Trafford als "magisch" geltenden Rückennummer Sieben, welches zuvor schon George Best, Eric Cantona, David Beckham und Cristiano Ronaldo trugen, haben sie für Owen reserviert.

Bedenken, wonach das in ManUtd-Fankreisen als legendär geltende Jersey für Owen eine Nummer zu groß sein könnte, wischte United-Trainer Sir Alex Ferguson frühzeitig vom Tisch: "Einige Spieler würden mit dieser Herausforderung nicht klarkommen. Michael Owen schon."

Alex Ferguson: "Owen ist ein Weltklasse-Stürmer"

Ferguson steht zu dem als schwierig geltenden Owen. Der knorrige Schotte weiß, mit Problemfällen umzugehen: In seiner über 23-jährigen Amtszeit bei ManUtd gab er u.a. dem exzentrischen Eric Cantona und dem verletzungsanfälligen Henrik Larsson eine neue Chance.

"Michael Owen ist ein Weltklasse-Stürmer, der seinen Torinstinkt auf höchster Ebene bewiesen hat", ist Ferguson sicher, "die hohen Erwartungen, die wir in Manchester an ihn haben, werden ihn beflügeln."

Wer will Owen? Broschüre wirbt für Superstar

Weitaus weniger Vertrauen in Owens fußballerische Qualitäten als Ferguson hatten vor Saisonbeginn die meisten Klubs der Premier League. Teams wie die Blackburn Rovers oder Wigan Athletic winkten vor allem mit Blick auf Owens stramme Gehaltsvorstellungen von 143.000 Euro pro Woche dankend ab.

Auch die 30 Tore, die Owen trotz zahlreicher Verletzungspausen in 79 Spielen für Newcastle United erzielt hatte, schienen kaum jemanden auf der Insel zu beeindrucken.

"Ich brauche einen Stürmer, der in 30 Spielen pro Saison zur Verfügung steht", unkte Blackburn-Coach Sam Allardyce, "das war bei Michael Owen in den letzten vier Jahren definitiv nicht der Fall."

Owens Managementfirma Wasserman Media Group (WMG) verschickte schließlich in einem Akt der Verzweiflung eine Broschüre an diverse Vereine, in der man auf den "enormen Werbewert des Namens Michael Owen" verwies. Mit Erfolg.

Alle Experten überrascht

Denn im Anschluss an die durchschlagende Werbe-Aktion vollzog sich Owens überraschender Wechsel zu Manchester United. "Dieser Transfer kam absolut aus dem Nichts", sagt der Autor und ManUtd-Experte James Robson zu SPOX, "viele Experten waren überrascht, weil ManUtd seine Wunschkandidaten Karim Benzema und Franck Ribery nicht bekommen hatte und dann ausgerechnet Owen holte, der bei Newcastle sehr viel verdient hatte."

Ums Geld schien es Owen weniger zu gehen. In nur zwei Tagen war sein Wechsel zu ManUtd trotz, wie Insider berichten, "gravierender finanzieller Einschnitte" perfekt.

Frühstück bei Ferguson

"Am 1. Juli erhielt ich einen Anruf von Sir Alex Ferguson", so Michael Owen, "er lud mich zum Frühstück ein und erklärte mir, dass er mich unbedingt verpflichten wollte. Ich zögerte nicht einen Moment, denn für mich war das eine fantastische Gelegenheit, die ich mit beiden Händen anpacken wollte."

Owen sagt: "Du musst das tun, was dich weiterbringt. Das habe ich getan, ich habe hart gearbeitet und will den Fans von United und auch den Anhängern der englischen Nationalmannschaft für ihr Vertrauen mit Spielen und Toren danken."

Fabio Capello zögert noch

Auf sein Comeback bei den Three Lions und sein 90. Länderspiel muss Owen jedoch noch warten. Englands italienischer Coach Fabio Capello strich ihn zuletzt kurzfristig aus dem Aufgebot für das Länderspiel in den Niederlanden (2:2).

"Natürlich willst Du immer dabei sein, bist enttäuscht, wenn es nicht klappt", erklärt Owen, "aber es ist letztlich eine Entscheidung des Nationaltrainers, die ich zu respektieren habe. Sie zeigt mir, dass ich noch mehr tun muss als bisher."

Der Aufstieg eines "Spice Boys"

Es gab Zeiten, in denen kein englischer Nationalcoach an Michael Owen vorbeikam. Der 1,75m kleine Mann aus Chester schien die personifizierte Hoffnung der gesamten englischen Fußballnation zu sein. Nach seinem Wundertor gegen Argentinien bei der WM '98 in Frankreich hätten sie "Saint Michael" am liebsten heilig gesprochen.

Michael Owen und David Beckham wurden Symbolfiguren einer Spielergeneration, die in England nur als "Spice Boys" firmierte, weil sie zeitgleich mit der englischen Girlie-Band populär wurde. Und Owen?

Er legte eine Karriere wie im Märchen hin. Erster Profi-Vertrag in Liverpool mit 16, englischer Pokalsieger, Liga-Cup- und UEFA-Cup-Gewinner 2001 mit dem FC Liverpool, dazu drei Tore beim 5:1 der Engländer gegen Deutschland in der WM-Qualifikation.

Die Krönung: 2001 wurde Owen "Europas Fußballer des Jahres". Mit seinem Kumpel Steven Gerrard, den er 1992 im Fan-Bus auf der Fahrt zum Community-Shield-Finale zwischen Liverpool und Leeds kennen lernte, holte Owen 2003 mit den Reds noch einmal den Liga-Cup.

Der hohe Preis des Ruhms

Doch der Druck, der auf ihm lastete, wurde immer größer. Der Schwiegermütter-Liebling erhielt anonyme Briefe mit Morddrohungen, seine Schwester Karen entging 2003 knapp einer Entführung.

Dass Owen beim Poker hohe Beträge verspielte und seinen persönlichen Assistenten Tom Foley als Betrüger entlarvte, sorgte für weitere Negativ-Schlagzeilen. Im Sommer 2004 war die Ära Michael Owen in Liverpool beendet.

Im Kollektiv des neuen Trainers Rafael Benitez war kein Platz mehr für den Wunderknaben. Owen packte die Koffer und wechselte für 9,8 Mio. Euro zu Real Madrid.

Bei Real nur Restaurant-Tester

In Spanien war Owen mit den Kollegen David Beckham ("Wir wurden gute Freunde und ich habe seitdem sogar seine Handynummer") und Jonathan Woodgate zwar in guter Gesellschaft, doch der Wechsel zu den Königlichen wurde für ihn zum Karriere-Knick.

Mit bitterer Ironie erzählt Owen 2007 in einem Interview, dass er in Madrid "genügend Zeit hatte, um die wunderbaren Restaurants zu besuchen" - hinter den Brasilianern Ronaldo, Robinho und Julio Baptista sowie Real-Legende Raul war Owen in der Offensive der Weißen nur fünfte Wahl.

Verletzungsmisere auf der Insel

Nach seiner Rückkehr in die Premier League im August 2005, als Newcastle United 25 Mio. Euro für ihn hinblätterte, ging der Albtraum weiter: Mittelfußbruch, Kreuzbandriss im Juni 2006 bei der WM in Deutschland, eine Verletzungspause von fast einem Jahr und im Mai 2009 schließlich der bittere Abstieg mit den Magpies.

"Die Zeit in Newcastle", resümiert James Robson, "war für Owen ein Desaster, aber bei Manchester United wird er nun versuchen, sich in kleinen Schritten zurück an die Spitze zu tasten."

Startelf-Debüt geht in die Hose

In der Praxis sieht das so aus: Zwei Einsätzen über jeweils 15 Minuten im Community-Shield-Finale gegen Chelsea in Wembley (3:6 n.E.) und beim Liga-Start gegen Birmingham City (1:0) folgte am Mittwochabend Owens Premiere in der Startelf von ManUtd.

Beim 0:1 bei Aufsteiger FC Burnley spielte Owen 63 Minuten und machte dann Platz für den Mann, den er bei ManUtd wohl am meisten fürchten muss: Den Ex-Leverkusener Dimitar Berbatov. Der Bulgare gilt neben Wayne Rooney im United-Sturm als gesetzt.

Trotz dieser Konkurrenz trauen Experten Owen durchaus zu, an alte Glanzzeiten herankommen zu können. "Ich weiß, wie Michael sich fühlt", sagt Liverpools Stürmerlegende Ian Rush, "aber er muss niemandem mehr etwas beweisen und ich denke, dass er seine Chance nutzen wird und bei Manchester United für sich noch einiges reißen kann."

Erster Treffer in der Waschküche

Den ersten Befreiungsschlag landete der in die Jahre gekommene "Wonderboy" am 18. Juli in der Waschküche des Bukit-Jalil-Stadions von Kuala Lumpur. Owen traf bei 76 Prozent Luftfeuchtigkeit zum 3:2 gegen eine Malaysia-Auswahl - fast sechs Monate nach seinem letzten Treffer in der Premier League am 10. Januar mit Newcastle gegen West Ham United (2:2).

Michael Owen weiß, dass Manchester United seine letzte Chance in der Premier League ist. Dass er die Herausforderung bei den Red Devils bisher so offensiv angegangen ist, spricht für seine Reife und Klasse.

"Ich fühle mich fit", sagt Owen und zeigt in den Innenraum des riesigen Londoner Wembleystadions, "aber wenn dir die Atmosphäre in England keinen Schub gibt und kein Lächeln auf dein Gesicht zaubert, was dann?"

Michael Owen im Steckbrief