Beraterin Raquel Rosa im Interview: "In England würde ich nie Jeans und Turnschuhe anziehen"

Von Sebastian Mittag
Raquel Rosa arbeitete vor ihrer Tätigkeit als Beraterin als Dolmetscherin.
© getty

Raquel Rosa hat im Fußball viel erlebt. Als Kind wanderte ihre Familie von Brasilien nach Deutschland aus. Als Sprachen-Talent kümmerte sie sich in Hoffenheim und Leipzig um ausländische Spieler. Bei der WM 2014 in ihrem Heimatland Brasilien arbeitete sie im Projektmanagement der Nationalmannschaft. Als Dolmetscherin auf dem Podium bei den DFB-Pressekonferenzen wurde sie auch öffentlich bekannt.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Heute ist Rosa Spielerberaterin und betreut unter anderem Bayern-Star Dayot Upamecano, Amadou Haidara von RB Leipzig und Mohamed Camara von Red Bull Salzburg. Die 41-Jährige ist zudem Direktorin des UEFA Player Agents Program und leitet einen Lehrgang zur Weiterbildung von Beratern.

Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Rosa über ihre Arbeit mit Ralf Rangnick, den Umgang mit ihrer Schwerhörigkeit und die Gepflogenheiten bei Vertragsverhandlungen in verschiedenen Ländern.

Frau Rosa, Sie sind seit mehreren Jahren Spielerberaterin. Was macht für Sie einen guten Spielerberater aus?

Raquel Rosa: Man muss seinen Spieler in- und auswendig kennen. Sowohl sportlich als auch als Menschen. Man darf ihn nicht verurteilen und muss wissen: Er ist eben auch nur ein Mensch. Mal hat man eine Topsaison und vielleicht ist die Leistung auch mal schlechter. Zudem muss ein guter Berater langfristig denken und die Planung der gesamten Karriere im Blick haben, um die besten Verträge zu verhandeln.

Wie entstand Ihre persönliche Liebe zum Fußball?

Rosa: Als kleines Kind haben es meine Eltern nicht so gern gesehen, dass ich Fußball gespielt habe. Meine Schwester war mehr so Barbie. Aber das war nicht mein Ding: Eine Puppe an- und auszuziehen, die Haare zu kämmen. Ich habe eher mit den Jungs gespielt. Wenn ich nach Hause gekommen bin, war ich dreckig und hatte irgendwo Blut. Wir haben am Strand gespielt, auf der Straße, im Hinterhof. Jeden Sonntag ist die ganze Familie gekommen, es gab Sambamusik. Man hat gesungen und getanzt. Man hatte Spaß, es wurde gegrillt. Ich habe dann auch im Verein gespielt. Taktik war für mich immer wichtig. Frauen sind zwar etwas langsamer, physiologisch gesehen. Wir sind körperlich nicht so stark, aber die Taktik können wir genauso gut verstehen wie die Männer. Als ich später in Deutschland die Möglichkeit hatte, meinen Trainerschein zu machen beim Badischen Fußballverband, habe ich auch die Jungs-Auswahl begleitet. Ich habe dann zugeguckt, wie die es machen und habe es dann mit meinen Mädels nachgemacht.

Raquel Rosa arbeitete vor ihrer Tätigkeit als Beraterin als Dolmetscherin.
© getty
Raquel Rosa arbeitete vor ihrer Tätigkeit als Beraterin als Dolmetscherin.

Raquel Rosa: "So etwas fällt nicht vom Himmel"

Ihre Lebensgeschichte ist bemerkenswert. Sie kamen als junges Mädchen nach Deutschland. Wie haben Sie diese Veränderung in Erinnerung? Haben Sie schon in diesem jungen Alter die kulturellen Unterschiede zwischen Brasilien und Deutschland gespürt?

Rosa: Für mich ist das erste Bild in meiner Erinnerung der Winter. Dass es schon um 16 Uhr dunkel ist. Ich dachte mir erst: "Wow, das ist super: Alle Geschäfte haben offen, mitten in der Nacht." Aber es war erst 16 Uhr oder 17 Uhr nachmittags! Der Umgang miteinander ist auch anders. Wie man sich begrüßt, zum Beispiel. Wenn wir Brasilianer miteinander reden, fassen wir uns dabei an. Ich rede auch jetzt noch viel mit den Händen. Die Kleidung war anders, das Essen natürlich. Die Schulbildung in Deutschland habe ich immer geschätzt. In Brasilien muss man für eine gute Schulbildung viel Geld zahlen. Ich habe in Deutschland auch eine gute Schulbildung bekommen. Über die Integrationsschule, zur Hauptschule, zur Realschule bis zum Uniabschluss und jetzt zu meiner Doktorarbeit. Ich schätze auch das deutsche Know-how, diese Pünktlichkeit, diese Genauigkeit.

Ihre Eltern zogen aus beruflichen Gründen nach Deutschland. Wie prägend waren der Charakter und die Einstellungen ihrer Eltern für Ihre eigene spätere Entwicklung und das, was Sie im Leben erreichen wollten?

Rosa: Meine Eltern waren sehr diszipliniert. Sie kommen beide aus armen Familien, aber haben beide studiert. Mein Papa hat seine Anwaltskanzlei aufgebaut. Sie haben mir immer gesagt: "Wenn du etwas erreichen willst oder etwas machen willst, dann kannst du es auch." Es ging nie um fehlendes Geld, soziale Schichten oder Hautfarbe. Oder den Unterschied zwischen Männern und Frauen. So etwas habe ich nie zu hören bekommen. Es gab nie etwas wie: "Ich komme aus dieser Familie und komme deshalb nicht weiter." Oder: "Ich kenne die Sprache nicht, deswegen kann ich nicht studieren." Es gab keine Grenze. Also: "Wenn du etwas willst, mach' es und du wirst es auch schaffen!" Meine Eltern haben mir vermittelt, dass man durch Fleiß und Arbeit das erreichen kann, was man will. Dass man aber nichts geschenkt bekommt. So etwas fällt nicht vom Himmel.

Sie leiden unter Schwerhörigkeit. Inwieweit hat Sie das eingeschränkt? Und inwieweit vielleicht sogar angespornt?

Rosa: Eingeschränkt in der Hinsicht, dass ich Portugiesisch nicht gut aussprechen konnte als Kind. Eigentlich hasste ich auch Sprachen. Ich weiß auch immer noch nicht, ob ich Sprachen mittlerweile liebe. Ich habe mir immer gesagt: "Hauptsache Abitur und dann musst du nie nie wieder Sprache lernen." Das erste Mal, als ich ein Vogelzwitschern hörte, kamen mir fast die Tränen. Mich hat die Schwerhörigkeit stark gemacht, weil ich gelernt habe, selber zu lernen. Egal, was in der Schule war, ich musste zuhause nochmal alles alleine durchgehen. Ich musste mich durchboxen. Ich merke heute auch bei den Spielern: Die, die es wirklich ganz nach oben geschafft haben, das waren nicht nur die Talente, denen jeder sagte: "Hey, du wirst der nächste Messi." Sondern, die, denen jeder sagte: "Das schaffst du nicht." Es sind die, die auch wissen, wie hart es ist, sich durchzuboxen.