Schalke-Leihgabe Nassim Boujellab im Interview: "Ich hätte mit den Fans gejubelt, die die Mannschaft attackiert haben"

In der Saison 2020/21 stieg Nassim Boujellab mit dem FC Schalke 04 aus der Bundesliga ab.
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In der Saison 2020/21 sind Sie mit Schalke aus der Bundesliga abgestiegen. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?

Boujellab: Das war die härteste Zeit meiner Karriere, deutlich schlimmer als Ingolstadt. Wir haben immer Vollgas gegeben, aber wieder und wieder verloren. Jeder wollte helfen, aber nichts hat funktioniert. Es war unbegreiflich. Unsere Führungsspieler Benjamin Stambouli, Matija Nastasic, Mark Uth und Sead Kolasinac haben permanent versucht, zu pushen. Aber man hat gemerkt, dass es ihnen zunehmend schwerer fiel. Alle waren richtig sauer und aggressiv, was sich im Training gezeigt hat.

Inwiefern?

Boujellab: Unsere Aggressionen mussten irgendwo raus. Wenn man sie im Spiel rauslässt, kriegt man eine Rote Karte. Deswegen haben wir uns im Training gegenseitig richtig gefetzt. Es war schwierig, mit diesen Emotionen umzugehen.

Den Fans ging es wohl ähnlich: Nach einer Niederlage bei Arminia Bielefeld haben einige die Mannschaft bei der Rückkehr vor der Arena tätlich angegriffen.

Boujellab: Ich bin sehr dankbar, dass ich zu der Zeit verletzt und nicht dabei war. Diese Vorfälle wünsche ich keinem. Der Frust der Fans war für uns alle absolut nachvollziehbar, kann und darf jedoch nicht die Gewalt an uns Spieler und Verantwortliche rechtfertigen. Ich kann jedem Schalker Fan garantieren, dass mein blau-weißes Herz in dieser Zeit extrem gelitten hat.

Wie wurde mannschaftsintern mit den Vorfällen umgegangen?

Boujellab: Am nächsten Tag haben wir in der Kabine lange darüber gesprochen. Alle hatten unglaublich Angst davor, was noch passieren könnte. Man hat gemerkt, dass diese Erlebnisse nicht spurlos an einem vorbeigehen. Wir hatten viele Spieler, für die Schalke eine Herzensangelegenheit ist. Für sie war es umso emotionaler. Wir hatten jedoch einen sehr guten Psychologen, der uns geholfen hat. Wir haben die Situation gemeinsam gemeistert. Nicht jeder Spieler wäre bereit dazu, das zu verdrängen und weiter alles für den Verein zu geben. Das muss man dieser Mannschaft hoch anrechnen.

In der Saison 2020/21 stieg Nassim Boujellab mit dem FC Schalke 04 aus der Bundesliga ab.
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In der Saison 2020/21 stieg Nassim Boujellab mit dem FC Schalke 04 aus der Bundesliga ab.

Warum haben Sie den Klub nach dem Abstieg verlassen?

Boujellab: Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gerne ich bei der Mission Wiederaufstieg mitgeholfen hätte. Aber der Klub wollte mich verleihen. Das musste ich so akzeptieren, ich hatte keine andere Wahl.

Wie haben Sie den Wiederaufstieg und die anschließenden Feierlichkeiten miterlebt?

Boujellab: Am liebsten wäre ich hingeflogen, doch das ging aus zeitlichen Gründen leider nicht. Stattdessen hat mich Malick (Thiaw, Anm. d. Red.) via Facetime angerufen: So war ich auch mit dabei. Ich habe alle Eindrücke vom Feld und der Kabine miterlebt.

War es schwierig, mit womöglich den gleichen Fans zu feiern, die ein Jahr zuvor Spieler körperlich attackiert haben?

Boujellab: Schalke ist einfach verrückt, das zeichnet den Klub aber auch aus. Wenn ich hier in Finnland jemandem erzähle, was beim Abstieg und dann beim Aufstieg abgegangen ist, glaubt mir das keiner. Ich hätte bei der Aufstiegsfeier auch mit den gleichen Fans gejubelt, die damals die Mannschaft attackiert haben, als wäre nichts gewesen.